E-Mobilität und Abgasnorm Fallen günstige Kleinwagen zum Opfer?
Berlin (dpa/tmn)- Um Verbrenner für künftige Schadstoffnormen zu wappnen oder dem Trend zur Elektrifizierung zu folgen, müssen Hersteller so viel Geld in die Autos stecken, dass Kleinwagen deutlich teurer werden und weitgehend vom Markt verschwinden könnten.
"Eine Umsetzung der diskutierten EU7-Szenarien wäre nur mit tiefgreifenden technischen Maßnahmen möglich, die aufwendig und damit sehr kostenintensiv sind", sagt Frank Welsch als Qualitätschef des VW-Konzerns mit Blick auf die nächste Stufe der Europäischen Abgasnormen. Die werden gerade für Mitte des Jahrzehnts diskutiert und definiert.
Mildhybride, wie sie zumindest von der Mittelklasse aufwärts bereits Standard sind und so langsam in die Kompaktklasse diffundieren, würden da kaum reichen. Unter anderem wären demnach deutlich stärkere E-Motoren und größere Pufferakkus erforderlich.
"Das würde die meisten Fahrzeuge deutlich verteuern", sagt Welsch. Er befürchtet, dass dieser Aufpreis im besonders sensiblen Segment der Kleinwagen für viele nicht mehr tragbar wäre. Erschwingliche Einstiegsfahrzeuge mit Verbrenner würden dann der Vergangenheit angehörten.
Sein Chef Herbert Diess hat bereits einem Nachfolger für den Kleinwagen Up eine Absage erteilt und macht selbst hinter den Polo ein dickes Fragezeichen.
Je teurer das Auto, desto eher lohnt sich das
Nicht ohne Grund, sagt Professor Stefan Bratzel von der Hochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Je günstiger ein Fahrzeug ist, desto höher fällt der zusätzliche Anteil der Kosten für die verbesserte Abgasreinigung aus. Und desto schwieriger werde es sein, diese Kosten an die Kunden weiterzugeben, so der Automobilwirtschaftler.
In der Oberklasse und im Premiumsegment schlage das anteilig nicht so stark zu Buche und könne besser refinanziert werden. "Doch kleinere Autos sind dann praktisch unverkäuflich und dürften eingestellt werden."
Ganz so weit mag Andreas Radics vom Strategieberater Berylls in München zwar nicht gehen, doch erwartet auch er dramatische Veränderungen im Angebot: Die Modellauswahl werde deutlich dünner ausfallen und die Generationsfolge werde verzögert: "Verbleibende Modelle werden nur dann weiter zum Programm gehören können, wenn ihre Modelllaufzyklen erheblich verlängert werden, damit sich die Entwicklungskosten amortisieren."
Bleiben noch Kleinwagen übrig, dürften die laut vieler Experten deutlich teurer werden.
Und elektrische Kleinwagen sind ohne Förderung gerechnet nicht billig. Ein relativ mager bestückter Opel Corsa E kostet mit 29 900 Euro so viel wie ein gut ausgestatteter Astra. Und für die 22 600 Euro eines Smart Forfour EQ bekommt man bei VW zwei Klassen darüber auch einen Golf.
Teureres Auto muss nicht unbedingt teurere Mobilität bedeuten
Doch wenn die Kunden mehr für ihr Auto bezahlen müssen, wird Mobilität nicht zwingend teurer. Das zumindest glaubt das International Council on Clean Transportation (ICCT) in Berlin und knüpft die Prognose an weiter steigende Treibstoffpreise: Weil saubere Autos auch weniger Sprit bräuchten und Elektroautos in der Wartung billiger seien, könnten die Kunden unter dem Strich langfristig sogar sparen, argumentieren die Lobbyisten.
Allem Unken zum Trotz: Einige Kleinwagen sind noch in der Pipeline: Toyota etwa hat einen neuen Aygo angekündigt und bereits eine Studie enthüllt. Skoda kontert die Skepsis des VW-Konzernchefs mit einer Neuauflage für den Polo-Verwandten Fabia. Und die Billigmarke Dacia will mit dem 20 490 Euro teuren E-Auto Spring beweisen, das E-Mobilität mit vier Sitzen nicht teuer sein muss.
VW-Chef Diess hegt zwar Zweifel an einer Polo-Zukunft. Doch wird bereits ein elektrisches Einstiegsmodell entwickelt, das laut Frank Welsch bei etwa 20 000 Euro starten soll. Die Premiere ist für die Mitte der Dekade geplant - ungefähr dann läuft der aktuelle Polo aus.