Intelligente Navisysteme Können sich moderne Autos miteinander unterhalten?
Fortschrittliche Navis liefern längst mehr Infos als nur die Reiseroute – das kann Autofahrern den Alltag erheblich erleichtern. Doch können sich Fahrzeuge im Straßenverkehr auch untereinander vernetzen?
Vorausschauendes Fahren ist nicht nur sicher, sondern sorgt auch für einen guten Verkehrsfluss und einen niedrigen Verbrauch. Das lernen schon Lenkrad-Novizen in der Fahrschule. Zwar sind angesichts von Topographie und Streckenführung die Möglichkeiten des Menschen oft arg eingeschränkt, doch bietet einmal mehr die Elektronik profunde Unterstützung an.
Immer mehr Autos sind mit Navigationssystemen ausgestattet, erweitern so den Horizont des Fahrers und öffnen ihm selbst dann die Augen, wenn der Blick durch Kurven, Kuppen oder Kreuzungen blockiert ist.
Was bieten moderne Navis?
Weil die Systeme im Wagen immer stärker miteinander vernetzt sind, reagieren sie auf Wunsch zunehmend automatisch. So sind Autofahrer gegen Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit gefeit, wenn intelligente Tempomaten mit dem Navigationssystem und der Verkehrszeichenerkennung zusammenarbeiten. Denn dann regelt die Elektronik nicht nur den Abstand zum Vordermann, sondern passt auch das Tempo automatisch dem jeweiligen Limit an – und zwar auch dann, wenn das entsprechende Schild vielleicht noch gar nicht zu sehen ist.
Mit der gleichen Logik lässt sich auch der Verbrauch senken: Weil die Navigation selbst ohne aktive Zielführung weiß, wann auf der vorausliegenden Strecke Kreuzungen, scharfe Kurven, Kreisverkehre, Ortseinfahrten kommen, kann sie den Fahrer mit Anzeigen im Cockpit oder Head-up-Display oder sogar einem sanften Gegendruck im Gaspedal auf bevorstehende Bremsmanöver hinweisen, erläutert Mercedes-Sprecher René Olma. Und wenn dabei der Tempomat aktiviert ist, passt der die Geschwindigkeit bei vielen Marken und Modellen mittlerweile selbst dem Streckenverlauf an.
Welche Vorteile gibt es für E-Autos?
Solche Hinweise zum Spritsparen werden bei konventionell angetriebenen Autos oft belächelt und von manchem geflissentlich ignoriert. Mit zunehmender Elektrifizierung zum elementaren Bestandteil der Betriebsstrategie, wird der elektronische Weitblick aber immer wichtiger. Weil die Entwickler im Ringen um die Reichweite alle Register ziehen, planen die Systeme neben der kürzesten Route auf Wunsch auch die effizienteste oder die mit den am besten gelegenen Ladepunkten.
"Es ist schließlich nicht sinnvoll, wenn ein Plug-in-Hybrid mit vollem Akku auf einer Passhöhe ankommt und bei der nachfolgenden Abfahrt keine Kapazität hat, um die Bremsenergie zu rekuperieren", erläutert Heiko Sprenger von BMW, dort Leiter Energiemanagement im Fahrzeug. Und je nachdem, wie der Fahrer seinen Wagen programmiert hat, verteilen sie bei Plug-in-Hybriden auch die unterschiedlichen Betriebsarten und wechseln immer dann in den Elektro-Modus, wenn es durch Innenstädte geht, während über Land der Verbrenner bevorzugt wird, so der Experte weiter.
Wo können Autos am besten Energie zurückgewinnen?
Auch das Rekuperieren reiner Elektrofahrzeuge lässt sich durch die Voraussicht der Elektronik optimieren, erläutert Frank Bekemeier, der bei VW die Elektroplattform MEB verantwortet. Statt den Grad der Energierückgewinnung und mit ihr die Bremskraft des zum Generator umgepolten E-Motors auf Knopfdruck zu variieren, kann man diese Entscheidung auch dem Bordcomputer überlassen. Der nutzt dafür dann das Abstandsradar und Infos aus der Navikarte und findet selbstständig die beste Balance aus Ausrollen und Laden des Akkus.
Können sich Autos miteinander und der Umgebung unterhalten?
Haben die Autohersteller jahrelang nur Informationen genutzt, die im Fahrzeug verfügbar oder etwa mithilfe des Abstandsradars an Bord generiert werden konnten, beziehen sie nun zunehmend Daten von außen ein. "Car to X"-Kommunikation lautet das Stichwort, unter dem sich moderne Autos mit der Infrastruktur vernetzen und so zum Beispiel variable Geschwindigkeitsbegrenzungen verarbeiten können, lange bevor auch die beste Kamera die Schilder sieht.
Das funktioniert aber nicht nur bei Schilderbrücken auf der Autobahn, sondern auch bei Ampeln in der Innenstadt. Als erster Hersteller hat das Audi bewiesen und bietet deshalb in zahlreichen Modellen eine Art Ampel-Assistenten an. Der ist vor allem in den USA sowie seit diesem Jahr auch in Deutschland zunächst in Ingolstadt und Düsseldorf freigeschaltet.
Er weiß, wann Rot ist und wann Grün und berechnet so die optimale Geschwindigkeit, mit der man ohne Stopp durch die Stadt kommt, erläutert Projektleiter Andre Hainzlmaier: "Damit wollen wir den Komfort für den Fahrer verbessern, die Sicherheit im Verkehr erhöhen und einen vorausschauenden, ökonomischen Fahrstil fördern." Die Ergebnisse aus den hauseigenen Flottenversuchen geben ihm recht: Um bis zu 15 Prozent sei der Verbrauch in entsprechenden Pilotprojekten gesunken, melden die Bayern.
Countdown für mehr Geduld und Aufmerksamkeit
Auch falls die Grüne Welle mal ins Stocken gerät, ist der Ampel-Assistent nicht nutzlos. Er zählt bei Rot die Sekunden herunter, so dass die Fahrer langsam an eine Ampel heranrollen können. Und kommen sie tatsächlich zum Stehen, beruhigt der Countdown die Nerven und unterstützt ein zügiges Anfahren, so dass der Verkehr möglichst schnell wieder gut fließt.
Dass zumindest letzteres auch ohne Vernetzung funktioniert, beweist Hyundai im neuen Kleinwagen i20 mit einem Anfahr-Assistenten der etwas anderen Art. Weil die Koreaner festgestellt haben, dass sich viele Fahrer beim Stopp arg ablenken lassen und den Blick von der Straße nehmen, sind die Abstandssensoren und Kameras im Stillstand nicht aus, sondern besonders wachsam, so Pressesprecher Bernhard Voß.
Registrieren diese, dass der Vordermann anfährt, lenken sie die Aufmerksamkeit des Fahrers deshalb mit einem Warnhinweis wieder auf den Verkehr. Das mag bisweilen zwar ein wenig belehrend und aufdringlich sein, räumen die Koreaner ein. Aber es ist noch immer dezenter als das Hupen eines genervten Hintermannes.
- Nachrichtenagentur dpa-tmn