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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuvorstellungen & Fahrberichte Überflieger für Millionäre: Mercedes-Benz G 500 4x4²
Unser Testfahrer ging mit dem über 200.000 Euro teuren Sondermodell der legendären G-Klasse im harten Gelände ans Limit und sogar in die Luft. Das exklusive Lieblingsspielzeug von Millionären kennt nahezu keine Grenzen.
Ihre Gedanken sind den Passanten regelrecht ins Gesicht geschrieben – Gigantismus, Größenwahn, Konsequenz, Unvernunft oder Verrücktheit – dieses Auto polarisiert und lässt wohl niemanden kalt. Einen großen Anteil daran hat sicherlich die schiere Größe des Mercedes-Benz G 500 4x4²: Mit 2,23 Metern Höhe nicht zu übersehen und auf ungewohnter Augenhöhe mit Truck- oder Busfahrern, passt die hochgebockte Variante der G-Klasse in kaum ein Parkhaus und auch beim Drive-in ist zumindest Vorsicht geboten. Selbst wenn es oben passt, könnte es unten bei 2,10 Metern Breite eng werden.
Die Spurweite von über 1,70 Metern und die 22-Zoll-Felgen mit 32,5 Zentimeter breiten Reifen machen extreme Kotflügelverbreiterungen notwendig. Sie sind ebenso aus leichtem und teurem Carbon gefertigt wie der Dachspoiler oberhalb der typisch G-Klasse steil stehenden Windschutzscheibe. Leider bleiben die darin integrierten LED-Zusatzscheinwerfer wegen gesetzlicher Auflagen in Deutschland deaktiviert. Stattdessen sorgen LED-Tagfahrlichter und Bi-Xenon-Scheinwerfer für Erhellung.
Evolution des automobilen Dinosauriers
Doch noch einmal zurück zum "Leichtbau" und der Straßenverkehrsordnung: Fahrfertig ist der 4x4² mit 3021 Kilogramm Leergewicht angegeben und das zulässige Gesamtgewicht beziffert Mercedes mit 3490 Kilogramm – also nicht zufällig knapp unter 3,5 Tonnen – ansonsten würden zahlreiche Beschränkungen beispielsweise beim Führerschein greifen. Doch so darf "jeder" den Koloss fahren, der die Chance bekommt und sich traut.
Auch mir flößt er zuerst viel Respekt ein, aber nachdem ich den halben Meter hohen Aufstieg gemeistert habe, legt sich die Skepsis rasch. Auf den vielfach elektrisch verstellbaren und klimatisierbaren Vordersitzen mit Langstreckenqualitäten, genießt man dank der Höhe und den schmalen A-Säulen einen grandiosen Panoramablick. Dann heißt es: Kraftvoll die schweren Türen zuziehen, schließlich verkörpert die G-Klasse einen der wenigen noch lebenden "Dinosaurier" der Automobil-Welt, dessen Basis seit der Geburt in den 1970er-Jahren kaum verändert wurde. Doch genau das lieben seine Fans an ihm und der stetige, zuletzt nochmal gestiegene Erfolg des Offroad-Klassikers bestärkt Mercedes darin, ihn weiter zu bauen.
Regelmäßig bekommt er Updates für die Sicherheits- sowie Komfort-Features spendiert. Dementsprechend findet sich im Innenraum des 4,50 Meter langen Fünftürers ein teils skurriler Mix von Hightech wie in den neuesten Modellen mit Stern und den Details eines Youngtimers.
Exklusive Vollausstattung mit wenigen Mankos
Bis auf einen Tempomat, der nicht einmal gegen Aufpreis angeboten wird, gibt es für 226.100 Euro eine komplette Vollausstattung, die selbst für anspruchsvollste Kunden nahezu keine Wünsche offen lassen sollte. Einzig die glänzenden oder matten Design- und Sonderlacke als Ergänzung der ohnehin schon abwechslungsreichen Farbpalette kosten extra, im Fall des neon-gelbgrünen Electricbeam sogar 20.706 Euro.
Anders als beim nicht mehr produzierten Vorgänger Mercedes-AMG G 63 6x6, von dem weniger als 200 Exemplare die Fabrikhallen in Graz verließen und inzwischen für deutlich mehr als den ursprünglichen Preis von 455.770 Euro gehandelt werden, fehlen seinem Nachfolger die zweifarbigen Lederausstattungen zur Wahl sowie luxuriöse Einzelsitze im Fond. Stattdessen gibt es eine schwarze Alcantara-Leder-Ausstattung mit weißen oder farbigen Kontrastnähten und die klassische Rücksitzbank mit ausreichend Platz für drei Erwachsene.
Edel verkleidet und praktisch zugleich präsentiert sich auch das rund 500 bis über 2500 Liter große Gepäckabteil hinter der zur Seite öffnenden Hecktür. Eine Rückfahrkamera ist vorhanden – auf eine Anhängerkupplung muss der Gigant aufgrund des hochgelegten Fahrwerks jedoch verzichten. Die Vorteile der innovativen Portalachsen und der so geschaffenen Bodenfreiheit im harten Gelände teste ich später noch. Doch wie sieht es auf der Straße aus?
Mit dem 4x4² in die City und auf die Autobahn
Dort lässt sich der Mercedes-Benz G 500 4x4² überraschend handlich bewegen. Die relativ direkte Lenkung fordert zumindest in der Stadt meine Aufmerksamkeit sowie eine feste Hand. Wer sich an die hohe Sitzposition und den 14-Meter-Wendekreis gewöhnt hat, kann Kurven beherzter angehen und den kraftvoll verzögernden Hochleistungs-Bremsen mit 380er-Scheiben vorn vertrauen. Aus einem 3-Tonnen-Giganten kann natürlich kein Sportwagen werden, aber die Fahrdynamik beeindruckt.
Noch sportlich-härter geht es per Knopfdruck. Nur bei langsamer Fahrt wirkt die Federung etwas stuckig, doch der Achtzylinder-Bolide mag es sowieso schneller als erwartet. Das deutet sich bereits beim Start per Zündschlüssel an, wenn der ganze Wagen einmal kurz erzittert und es aus der Sportauspuffanlage mit Doppel-Sidepipes jeweils vor den Hinterrädern mit tiefer Stimme blubbert. Mit zunehmender Geschwindigkeit wird daraus vor allem im Sport-Modus lautstarkes V8-Donnern.
In nur 7,4 Sekunden katapultiert der G 500 4x4² dank 610 Nm Drehmoment ab 2250 Touren aus dem Stand auf Tempo 100. Bei 5250 Umdrehungen versammeln sich alle 422 Pferdestärken und erst bei 210 km/h muss sein Vortrieb gegen den exorbitanten Luftwiderstand kapitulieren. Es versteht sich von selbst, dass sich der 96-Liter-Tank so zusehends leert. Offiziell im Durchschnitt mit 13,8 Litern auf 100 Kilometern angegeben, zeigte der Bordcomputer knapp über 20 Liter an. Dabei ist der neue 4,0-Liter-Biturbo, der in ähnlicher Form ebenfalls in verschiedenen AMG-Modellen bis hin zum gerade vorgestellten GT R mit 585 PS eingesetzt wird, schon deutlich sparsamer als seine Vorgänger und als der 544 PS starke 5,5-Liter-V8 des G 63 6x6.
Härtetest im Offroad-Park
Er hat allerdings auch noch rund eine Tonne und zwei Räder mehr zu bewegen, die außerdem mit 37-Zoll-Spezialreifen noch extremer ausfallen. Seine einzigartige Reifendruck-Anlage ermöglicht sogar während der Fahrt per Knopfdruck in Rekordzeit das Ablassen und wieder Aufpumpen. Seine Pirelli-Scorpion-Reifen müssen wegen dem hohen Topspeed vielseitig sein und daher präsentiert sich ihr Profil weniger grobstollig. Insbesondere auf Sand und im Matsch kommen sie schneller an ihr Limit. Dafür bringt der kürzere Radstand deutliche Vorteile, wenn die Offroad-Passagen enger werden.
Neben der bereits erwähnten Bodenfreiheit überzeugen die extremen Böschungs-, Kipp- und Rampenwinkel sowie Verschränkungen selbst eingefleischte G-Klasse-Enthusiasten. Auf anspruchsvollem Gelände kann der 4x4² eindrucksvoll seine 100-prozentige Steigfähigkeit demonstrieren. Und wenn vorwärts oder rückwärts gar nichts mehr möglich scheint, hilft der bewährte Allradantrieb in Verbindung mit den drei Differentialsperren und der elektrisch während der Fahrt zuschaltbaren Geländeuntersetzung der 7-Stufen-Automatik. Da sogar die künstlich angelegte Treppe kein adäquates Hindernis darstellt, geht es weiter zum letzten Härtetest.
Mit Vollgas Richtung Himmel
Auf dem Harz-Ring haben nicht nur Motocross-Fahrer viel Spaß: Kuppen, die andere Geländewagen nur langsam überqueren sollten, werden mit dem 4x4² zu Sprunghügeln. Etwas Überwindung kostet es schon, richtig Anlauf zu holen und dann mit Vollgas auf die "Wand" zuzufahren. Nach der Kompression starte ich Richtung Himmel und sehe plötzlich nur noch Wolken. Einem kurzen Moment der Schwerelosigkeit folgt die Landung. Zum Glück sind die Gasdruckstoßdämpfer üppig dimensioniert und federn das Eintauchen souverän ab. Die Karosserie wirkt verwindungssteif, wie aus einem massiven Stück Metall gefräst.
Doch irgendwann findet auch dieses Abenteuer ein Ende. Und wie wäscht man einen total verdreckten Mercedes-Benz G 500 4x4²? Zu groß für die meisten Waschanlagen, bleibt nur der Hochdruckreiniger und am besten eine intensive Vorwäsche – aber bitte standesgemäß. Also wo ist der nächste Bach oder See mit einem Meter Tiefe?