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Lamborghini Marzal und Espada: Triumph der Avantgarde


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Lamborghini Espada
Triumph der Avantgarde

Ulrich Feld

10.10.2012Lesedauer: 3 Min.
Lamborghini MarzalVergrößern des Bildes
Lamborghini Marzal (Quelle: SCHLEGELMILCH PUBLISHING)

Er begann als Sensation und endete als Bestseller: Aus dem Prototypen Lamborghini Marzal wurde das erfolgreiche Luxuscoupé Lamborghini Espada. Als Lamborghini den Marzal im Frühjahr 1967 auf dem Genfer Salon präsentierte, war die Firma gerade einmal drei Jahre alt. Der Lamborghini Marzal gewährte mit seinen vollverglasten Flügeltüren einen tiefen Einblick bis zum Fahrzeugboden.

Bei seiner Präsentation sorgte der Lamborghini Marzal für heftiges Besucher-Gedrängel. Das nahezu durchsichtige Coupé mit vier Sitzen in Hochglanzoptik schien direkt aus einem Science-Fiction-Film zu stammen und war das Werk von Bertones Chefdesigner Marcello Gandini. Speziell die Flügeltüren erinnerten an ein berühmtes Vorbild: Seit den fünfziger Jahren hatte sich der umtriebige Traktor-Fabrikant eine Vielzahl teurer Sportwagen gegönnt, darunter Jaguar E-Type, diverse Ferrari-Modelle der Baureihe 250 und eben auch den legendären Mercedes 300 SL Flügeltürer.

Der Fürst von Monaco fuhr Lamborghini Marzal

Mit dem Marzal gab Bertone einem Lamborghini erstmals jenes brachial kantige Auftreten, der für Sportwagen von Lamborghini bis heute charakteristisch ist. Kurz nach seiner Premiere eröffnete Auto-Narr Prinz Rainier von Monaco im Marzal mit seiner Gattin Gracia Patricia auf dem Beifahrersitz den Großen Preis von Monaco von 1967.

Der Lambo und der Jaguar

So rasant wie die Grand Prix-Boliden war der Lamborghini Marzal indessen bei weitem nicht. Lamborghinis Chefingenieur Gian Paolo Dallara hatte dem Marzal einen zwei Liter großen V6-Motor mit 175 PS unter die Fronthaube implantiert, der genau ein halber Zwölfzylinder der gleichen Marke war. Ebenfalls sechs Zylinder, aber mit 4,2 Litern Hubraum und in Reihenanordnung besaß der Prototyp Bertone Pirana, der auf dem Jaguar E-Type basierte. Das Auto sah dem Lamborghini Marzal in den Proportionen sehr ähnlich, verfügte aber über konventionelle Türen und ein normales Metalldach ohne Glas.

Kühler Lamborghini Espada zeigte Kante

Als der Lamborghini Espada im Jahr 1968 wiederum auf dem Genfer Salon debütierte, waren die Spuren von Marzal und Bertone Pirana unverkennbar. Gandini hatte die hinteren Fenster des Pirana verlängert, was das Fahrzeugheck deutlich transparenter wirken ließ. Ansonsten beeindrucken die Proportionen des Lamborghini Espada, der bei einer Länge von 4,67 Metern (wie ein Mercedes /8) und einer Höhe von knapp 1,20 Metern eine Breite von einen Meter achtzig besitzt. In Verbindung mit den kantigen Linien und den Doppelscheinwerfern wirkt ein Lamborghini Espada ausgesprochen entschlossen.

Reisewagen mit üppigem Komfort

Ungeachtet seiner grimmigen Erscheinung überzeugt ein Lamborghini Espada aber durch seinen Komfort. Das fängt mit den breiten Türen an, die das Einsteigen erleichtern. Innen empfangen den Fahrer bequeme und guten Seitenhalt bietende Ledersessel und ein reich bestücktes Armaturenbrett. Der Lamborghini Espada ist wie der Maserati Ghibli ein GT für weite Reisen mit viel Gepäck. Auch die Rücksitze eignen sich gut als Gepäckablage. Aber niemand sollte dieses 2+2sitzige Coupé für einen vollwertigen Viersitzer halten. Wer eine halbwegs bequeme Sitzposition sucht, muss kleiner als einen Meter siebzig und selbst dann noch einigermaßen leidensfähig sein. Reizvoll sind hingegen Details wie die hinteren Seitenscheiben, die sich zwecks besserer Belüftung einige Zentimeter nach außen klappen lassen, oder die gläserne Scheibe unter der Heckklappe, die das Rückwärtsfahren sehr erleichtert.

Das Zwölfzylinder-Herz des Lamborghini Espada

Aber auch in einem Lamborghini Espada macht Vorwärtsfahren viel mehr Spaß. Insgesamt gab es während der zehn Jahre Bauzeit des Lamborghini Espada drei Serien mit 325, 340 und 350 PS bei einem Hubraum von 3,9 Litern. Ausgeprägte Elastizität ist nicht die Sache des Espada, in Relation zu seiner Größe und seinem stattlichen Leergewicht von 1,5 Tonnen fehlt es ihm an Hubraum. Wer den Motor richtig ausdreht, erreicht in knapp über sieben Sekunden die 100 km/h, bei freier Autobahn bleibt die Tachonadel knapp über dem 240 km/h-Strich stehen. Selbst bei höherem Autobahntempo fasziniert der Zwölfzylinder mit seiner turbinenartigen Laufruhe. Das behagliche Brummen des Zwölfzylinders geht über 180 km/h in ein entfernt heißeres Brüllen über, das aber auch auf langen Strecken nie unangenehm wirkt. Der Verbrauch von gut 24 Litern auf hundert Kilometer war um 1970 für ein so starkes Auto nicht zu hoch.

Frühe Lamborghini Espada sind am beliebtesten

Die knisternde Mischung aus kühler Eleganz, luxuriöser Raffinesse und faszinierender Akustik überzeugte bis zum Ende der Espada-Produktion nach zehn Jahren 1217 Käufer, was den Espada zum erfolgreichsten Lamborghini bis zum 1990 präsentierten Diablo machte. Heute ist ein Lamborghini Espada aber nicht unter 60.000 Euro erhältlich. Modelle der Serie 1 sind wegen ihres besonderen Armaturenbretts besonders beliebt. Dagegen sind Autos ab Mitte der siebziger Jahre wegen ihrer dicken Kunststoff-Stoßstangen billiger. Die Unterhaltskosten sind wegen mangelnder Rostvorsorge ab Werk und teurer Ersatzteile sehr hoch. Wer sich den Espada nicht leisten kann: in dem italienischen Klamauk-Film "Sie nannten ihn Plattfuß" mit Bud Spencer von 1972 gibt es eine wilde Verfolgungsjagd mit einem roten Exemplar.

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