Umweltschützer enttäuscht Schärfere CO2-Grenzwerte: Autoindustrie läuft Sturm
Die EU-Staaten, das Europaparlament und die EU-Kommission haben sich auf neue CO2-Grenzwerte geeinigt. Während die Autoindustrie die neuen Vorgaben umgehend kritisierte, gehen sie anderen nicht weit genug.
In den Chefetagen der deutschen Autohersteller dürfte keine vorweihnachtliche Stimmung aufkommen – ganz im Gegenteil. Denn kurz vor dem Fest kommt, zumindest aus Sicht der Branche, eine Hiobsbotschaft aus Brüssel. Die EU will die Grenzwerte für Neuwagen beim Ausstoß des wichtigsten Treibhausgases CO2 bis 2030 noch einmal deutlich verschärfen. Das Signal: Europa zieht nun die Zügel an. Die Autoindustrie droht in eine CO2-Falle zu tappen. Es ist die Quittung für jahrelange Versäumnisse und den Abgas-Skandal.
Kurz nach der UN-Klimakonferenz in Kattowitz ist die Einigung der EU-Staaten, des Europarlaments und der Kommission aber auch ein wichtiges Signal für mehr Klimaschutz – selbst wenn Umweltverbände sich noch deutlich schärfere Ziele gewünscht hätten. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagt, der Beschluss sei ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz. Die Verbraucher könnten sich auf sparsamere Autos freuen.
Neue CO2-Vorgaben
Bis 2030 sollen laut der Einigung Neuwagen im Flottenschnitt 37,5 Prozent weniger Kohlendioxid in die Luft blasen als 2021. Die Kommission war mit einem Zielwert von 30 Prozent in die Verhandlungen gegangen, die Bundesregierung hatte sich dahinter gestellt – Kanzlerin Angela Merkel hatte davor gewarnt, die Autoindustrie bei den CO2-Grenzwerten zu überfordern. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass diese Schlüsselindustrie aus Europa "vertrieben" würde.
Insofern kann man die Einigung auf schärfere Grenzwerte auch als Klatsche für die Bundesregierung interpretieren. Oder hat die Autolobby an Einfluss verloren? Die Bande zur Politik galten immer als eng – ist die exportstarke Branche doch eine der wichtigsten in Deutschland mit 820.000 direkt Beschäftigten. Doch angesichts der Abgas-Manipulationen bei Dieselwagen haben sich im politischen Berlin hinter den Kulissen kritische Stimmen gegenüber der Autoindustrie gemehrt. Diese müsse mehr tun gegen die Dieselkrise.
CO2-Ziele sind machbar
Die österreichische Umweltministerin Elisabeth Köstinger hat Kritik der Autohersteller an den künftigen Klimavorgaben für Neuwagen zurückgewiesen. Die für 2030 vorgesehenen Kohlendioxid-Werte seien "ambitioniert, aber machbar", sagt die Politikerin. Die Autoindustrie hält dies für unverhältnismäßig und unrealistisch. Österreich hat derzeit den EU-Vorsitz und hatte die Verhandlungen geleitet.
Köstinger entgegnet, die Automobiltechnik sei schon sehr weit – und es seien noch elf Jahre Zeit, um die neuen CO2-Flottenwerte zu erreichen. Durch das Zwischenziel von 15 Prozent Reduktion bis 2025 gebe es "genügend Zeit, Anpassungen durchzuführen". An die Adresse der Autobauer sagt sie, wenn die Versprechen der Vergangenheit eingehalten worden wären, hätte man jetzt weniger Diskussionen.
Der SPD-Europaabgeordnete Ismail Ertug äußert sich ähnlich. "Emissionen von Autos müssen drastisch reduziert werden, um das Klima und die Gesundheit der Menschen zu schützen", erklärt der Verkehrspolitiker. Gleichzeitig müssten scharfe Brüche im Sinne der Arbeitsplätze in der Autoindustrie vermieden werden. Das sei bei dem Kompromiss gelungen. Die Ziele seien machbar. Der CDU-Umweltpolitiker Peter Liese bewertet dies ähnlich.
Deutsche Umwelthilfe enttäuscht
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bewertet die geplante Verschärfung der Höchstgrenzen für Kohlendioxid-Emissionen in der EU dagegen als unzureichend. "Das, was jetzt vorgelegt wurde (....) wird nicht dazu ausreichen, dass wir unsere klimapolitischen Ziele erreichen können", sagt DUH-Chef Jürgen Resch. Der Bundesregierung warf er vor, bei der Festlegung der neuen Obergrenzen in der EU ambitionierte Ziele ausgebremst zu haben.
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Nötig sei eine deutlich höhere Reduktion, sagt Resch. Er kündigte an, die DUH werde sich 2019 für weitere Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen einsetzen. Deswegen werde die DUH für das Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen kämpfen.
Eilantrag zu Dieselfahrverbot in Frankfurt gescheitert
In Frankfurt wird es bis zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung keine Dieselfahrverbote geben. Der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) lehnt einen Eilantrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ab. Sie hatte durchsetzen wollen, dass die Fahrverbote trotz des laufenden Rechtsstreits mit dem Land zum 1. Februar 2019 umgesetzt werden.
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters