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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuvorstellungen & Fahrberichte "Das beste Auto der letzten 20 Jahre"
Das bekannte britische Automagazin "Top Gear" kürte den Bugatti Veyron zum besten Auto seit 1993. Gewählt haben rund 100.000 Leser aus einer redaktionellen Vorauswahl von 50 Autos der vergangenen 20 Jahre. Auf Platz zwei landete der kleine Konzernbruder, der 2005er VW Golf, vor dem Rolls-Royce Phantom und dem 2003er Ferrari 458. Wir hatten bereits das Vergnügen, den Sieger-Supersportwagen zu testen. Begleiten Sie uns an Bord des 1200 PS starken Veyron Super Sport.
Da die ersten fahrbereiten "Grand Sport Vitesse" bereits ihre Käufer gefunden hatten, blieb für uns "nur" die kaum weniger attraktive Alternative eines "Veyron Super Sport" mit identischer Leistung. Dank des festen Dachs ist dieser mit der auf 415 km/h limitierten Höchstgeschwindigkeit sogar minimal schneller als die Roadsterversion mit installiertem Dachteil. Doch dies stellt sich nur als theoretischer Vorteil heraus, denn im Feierabendverkehr rund um Molsheim sind solche Geschwindigkeiten nicht ansatzweise realisierbar.
Wir würden uns allerdings schon freuen, am Fuße der Vogesen eine Straße zu finden, auf der wir etwas Gas geben können. Testfahrer Pierre-Henri rollt mit gefühlten Tempo 30 – die sich auf dem kleinen Digitaldisplay im zentralen Drehzahlmesser aber als 70 herausstellen – im fünften Gang dahin. Selbst enge Kreisverkehre und Passagen mit schlechtem Asphalt toleriert der "Super Sport" souverän. >>
Komfortabel ist er dabei nur bedingt, aber selbst in deutlich schwächeren Sportwagen lässt es sich nicht so entspannt unterhalten oder überhaupt nur aushalten. Das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe trägt selbst im Automatikmodus seinen Teil zum harmonischen Gesamteindruck bei. Da sich der Wagen derart locker mit einer Hand durch die Dörfer manövrieren lässt, könnte sich der Bugatti mit etwas Rücksicht auf die geringe Bodenfreiheit und auf seine Breite von zwei Metern fast als Fahrschulauto qualifizieren. >>
"The Beauty and the Beast"
Bevor unser "Fahrlehrer" auf den Beifahrersitz wechselt, will er uns unbedingt noch die andere Seite des "Veyron" zeigen. "The Beauty and the Beast" nennt er ihn und jetzt wissen wir auch wieso, denn als sich die Chance bietet und eine gerade Strecke vor uns liegt, gibt er Gas … >>
Was dann passiert, lässt sich bei aller Routine und zahlreichen Erlebnissen mit PS-Boliden nicht annähernd in Worte fassen. Der bislang fast unauffällige Sound aus den 16 Zylindern und der mehrflutigen Auspuffanlage verwandelt sich innerhalb von Millisekunden zu einem ohrenbetäubenden, bislang noch nie vernommenen Inferno. Während der Puls in die Höhe schnellt, stockt der Atem und der gesamte Körper stemmt sich gegen die Beschleunigungskräfte. Dank des Allradantriebes und Pierre-Henri Raphanel an den Schaltpaddeln hinterm Steuer werden wir kaum langsamer als die offiziell genannten 2,5 Sekunden auf 100 km/h gewesen sein.
Die Frage, wie schnell das denn war, kann der in Südfrankreich beheimatete Ex-Rennfahrer nicht genau beantworten, denn anstatt seinen Blick auf den kleinen Tacho schweifen zu lassen, hat er die nächste Kurve immer im Visier: "Über 200 waren es auf jeden Fall, denn ab 180 km/h fährt der Heckflügel aus und die Front senkt sich." Dafür benötigt der "Veyron Super Sport" aus dem Stand weniger als sieben Sekunden und dann ist immer noch kein Ende des Vortriebes in Sicht – 14,6 Sekunden sind es bis Tempo 300 und den Wert bis 400 sparen wir uns an dieser Stelle, denn Vergleichswerte gibt es sowieso nicht.
Allzweckwaffe für Rennstrecker oder zum Cruisen
Das haben wir so noch in keinem anderen Super-Sportwagen erlebt und wollen ihn nun endlich auch selbst "erfahren". Und tatsächlich, Pierre-Henri Raphanel hat nicht zu viel versprochen. Trotz seiner 1838 Kilogramm Leergewicht fährt sich der "Veyron" ebenso leichtfüßig wie einfach. Schnell aber stets gut kontrollierbar. Zum langsamen Cruisen wurde er allerdings ebenso wenig konstruiert wie für den Einsatz auf der Rennstrecke und doch ist der "Veyron" die Allzweckwaffe – eine Rakete auf vier Rädern – dessen Pilot nur im Besitz eines normalen Führerscheins sein muss. Die relativ gute Rundumsicht, die bequemen Sitze, sowie die einfache Bedienung lassen uns fast vergessen, in dem schnellsten und stärksten Straßenauto der Welt unterwegs zu sein. >>
Doch sobald der rechte Fuß bewusst das Pedal touchiert, katapultiert uns das maximale Drehmoment von 1500 Newtonmetern ab 3000 Touren wieder in eine andere Welt. Das Getriebe wechselt obgleich der enormen Kräfte nahezu unbemerkt und unbekümmert die Gänge. Kurzzeitig schlägt der Zeiger der Kraftanzeige etwas aus, aber bis zum Ende der Skala bleibt viel Reserve.
Bevor die Suchtgefahr zu groß wird oder sich der Tank leert, geht es zurück nach Molsheim. Vor dem alt-ehrwürdigen Château abgestellt, läuft die Kühlung noch auf Hochtouren, bevor der Heckspoiler und die damit verbundene Frischluftzufuhr sukzessive in den Ruhezustand übergehen. Was bleibt nach einem Tag wie diesem?
Es ist die Gewissheit, den automobilen Mount Everest erklommen und einen der außergewöhnlichsten Wagen der Welt gefahren zu haben. Mit ihm demonstriert der VW-Konzern das technisch Machbare. Und die perfekte Umsetzung dieses extrem komplexen Projektes ist es, was fasziniert. Da macht der neue "Vitesse" keine Ausnahme, vielmehr wird er der krönende Abschluss sein und das Ende einer Ära besiegeln. Richtig vorstellen können und wollen wir uns das heute noch nicht. Zu sehr hat sich das einmalige Erlebnis mit 1200 PS in unser Bewusstsein und für immer in unser Gedächtnis eingebrannt – es ist das Maß der Dinge.
Erfahren Sie bei uns noch mehr über Bugatti und sehen Sie sich den "Grand Sport Vitesse" in der Foto-Show an.