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Autohaus vom Aussterben bedroht? Zukunft und Wege des Autohandels


Hersteller denken um
Wohnzimmer sind bald die neuen Autohäuser

Von dpa, ccn

Aktualisiert am 17.05.2023Lesedauer: 3 Min.
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Autohaus mit Café: Bei den Shops des chinesischen Autoherstellers Nio steht das Auto nicht mehr ausschließlich im Mittelpunkt. (Quelle: IMAGO/Stefan Zeitz)
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Klassische Autohäuser sind unter Zugzwang: Im Zuge der Digitalisierung experimentieren Autohersteller mit neuen Wegen, ihre Fahrzeuge zu verkaufen.

Der Autohandel ist im Wandel. Studien zufolge könnte sich die Zahl der klassischen Autohäuser bis 2030 fast halbieren – statt 6.800 wären es dann nur noch 3.800, wie das Institut für Automobilwirtschaft (Ifa) berechnet hat. Viele kleine Händler könnten verschwinden, dafür treten große Autohausketten an ihre Stelle und betreiben die alten Autohäuser als Filiale weiter. Verantwortlich dafür sind unter anderem die Umstrukturierungen bei den Autoherstellern und steigende Anforderungen, der steigende Kostendruck oder geringe Renditen.

Ein anderer Punkt: die steigende Konkurrenz aus dem Internet. Mehr als 90 Prozent aller Neuwagenkäufe beginnen inzwischen im Netz, 2025 könnte jeder dritte Neuwagen in Europa im Internet verkauft werden. Schon jetzt lassen sich Autos online bestellen und werden bis zur Haustür geliefert. Einige Hersteller wie Polestar setzen mittlerweile komplett auf den Direktvertrieb – nur Wartung und Reparatur werden beim Händler erledigt; auch Marken wie Byton oder Tesla bieten einen fast vollständigen digitalen Kauf an. Nur die Abholung findet in speziellen Zentren statt.

"Durch Tesla ist ein digitales Verkaufserlebnis schon länger salonfähig. Immer mehr Hersteller setzen auf eine digitale Kundenreise", sagt Prof. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Wie könnte sich der Autohandel in den kommenden Jahren verändern? Ein Trend geht vom Autohaus hin zum Wohnzimmer.

Erstkontakt per VR-Brille

Erste Berührungen mit dem Auto lassen sich künftig vermehrt in Form virtueller Realität mithilfe von VR-Brillen realisieren. Der Weg des Kunden vom ersten Kontakt mit dem Auto bis zu einem möglichen Kauf werde künftig eine Kombination aus digitalen und analogen Elementen sein, so Bratzel. "Wichtig dabei ist, dass Verknüpfungen zwischen Kunde und Hersteller reibungslos verlaufen."

Dafür braucht es Strukturen. Stellt ein Kunde zum Beispiel auf digitalem Weg eine Frage, möchte er nicht Wochen auf eine Antwort warten. Für die Probefahrten müsste man nicht mehr zum Händler, sondern man bucht online einen Termin und dann bringt jemand das Auto für die Probefahrt nach Hause. Mercedes-Benz testet Videoberatungstermine, in denen Kunden ihr Wunschauto präsentiert oder individuell konfiguriert bekommen.

Autohändler als Vermittler

Mittels neuer Agenturmodelle versuchen die Hersteller, sich die Hoheit über die Markenwirkung und die Preisgestaltung zurückzuholen: Autohäuser werden zu Vermittlern. Sie kümmern sich um die Kundenakquise, Beratung, Probefahrten und die Kaufabwicklung. Im Gegenzug bekommen sie eine Provision und einen Bonus, wenn sie vom Kunden zu Beginn des Verkaufsprozesses genannt werden – auch wenn der Kauf am Ende im Internet stattfindet. Das ist bei den Händlern umstritten, weil sie unter anderem finanzielle Einbußen fürchten. Für Kunden hat das Modell den Vorteil, nahtlos zwischen Internet und Handel wechseln zu können – jedoch sind auch die Preise vom Hersteller vorgegeben. Satte Rabatte wie früher bei den Autohändlern sind nicht mehr drin.

Kein Ende der Autohäuser

Das Ende von Autohäusern ist längst noch nicht in Sicht. "Das Kauferlebnis wird aber künftig komplexer und digitaler. Viele Bereiche lassen sich digital abbilden, wie beispielsweise die Finanzierung", sagt Christopher Ley von der Beratungsgesellschaft Berylls Strategy Advisors. Eine Probefahrt allerdings ist etwas, das sich nicht ausschließlich virtuell abbilden lässt. Auch wenn es Versuche gibt, sie zu digitalisieren.

Das Autohaus kommt zum Kunden

Auch bei den Verkaufsflächen gehen Hersteller teils neue Wege: "Früher gingen Kunden zu den Autohäusern. Heute kommen die Autohäuser zu den Kunden, also in Einkaufsstraßen und auf belebte Plätze", so Stefan Bratzel.

Mit eigenen Stores versuchen Hersteller wie BMW, Mercedes-Benz, Porsche und Nio, ihre Marke in einem neuen Umfeld zu präsentieren. "Das ist ein Trend und wird in den nächsten Jahren noch zunehmen", sagt Bratzel. "Denn es geht längst nicht mehr um den einmaligen Autoverkauf, sondern auch um weitere Geschäftsmodelle wie Auto-Abos oder neue On-Demand-Dienstleistungen".

Ein Beispiel ist die chinesische Marke Nio: Vergangenen Dezember eröffnete das Nio House in Berlin, im März eines in Frankfurt, in wenigen Monaten folgt der Standort in Düsseldorf und Ende 2023 in Hamburg. Weltweit betreibt Nio mehr als 100 dieser Häuser. Das Haus in Berlin bietet eine Galerie, Café, Kinderspielraum, Bibliothek, Yoga- und Pilates-Kurse oder Co-Working-Spaces. Das Auto als reine Ingenieursleistung gerät in den Hintergrund, verkauft wird ein Lifestyle.

Ähnlich drückt sich auch Strategieberater Christopher Ley aus: Für Kunden sollte es sich nicht so anfühlen, als müssten sie ins Autohaus gehen. "Sie sollten gern dort hingehen. Das Erlebnis und die Marke sollen Kunden anziehen, nicht nur das Produkt."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • efahrer.com: "Beben in der Branche: Fast 3000 deutsche Autohändler vor dem Aus"
  • absatzwirtschaft.de: "Das Autohaus der Zukunft verkauft keine Autos mehr"
  • wiwo.de: ""Klassische Autohändler nur noch auf dem Land""
  • springerprofessional.de: "Wie das Autohaus in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt"
  • autohaus.de: "Neues VW-Agenturmodell: 100 Prozent Zustimmung"
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