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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Flugportal-Trick Runtergebucht und übervorteilt
Nachträgliche Flugumbuchungen ohne Wissen des Reisenden: Ticketbetrug oder branchenüblich? So können sich Urlauber schützen.
So funktioniert das "Runterbuchen": Ein Urlauber kauft im Internet bei einem Portal einen Flug oder eine ganze Reise. Ab diesem Zeitpunkt beginnt hinter den Kulissen ein Suchvorgang: Computerprogramme des Vermittlungsportals prüfen laufend, ob das Flugticket später noch günstiger zu bekommen ist. Sobald der Vorteil die Kosten überschreitet, wird der ursprüngliche Flug klammheimlich storniert und auf einen günstigeren umgestiegen.
Der Kunde bekommt davon in der Regel gar nichts mit. Ihm wird der ursprüngliche Preis in Rechnung gestellt. Das Flugportal streicht den Gewinn ein. Mal sind es 20, mal 50 Euro, auch mal einige Hunderter. Und das summiert sich: Allein bei Unister hat die Anklage 87.000 Fälle identifiziert, bei denen "Kunden möglicherweise übervorteilt" wurden. 7,6 Millionen Euro wanderten zusätzlich in die Taschen von Unister.
"Betrug" nennen das die Staatsanwälte
Sie sind der Auffassung, dass ein Reisender stets informiert und beteiligt werden muss. Ob sich die Richter dem anschließen, ist noch offen. Die Unister-Anwälte sprechen von "gängiger Praxis in der Branche" und können keinen Schaden erkennen: Der Urlauber habe seine Tickets zum vereinbarten Preis erhalten. Tatsächlich war Unister wohl keineswegs allein. Runterbuchen ist offenbar eine beliebte Übung bei Flug- und Reiseportalen. Sogar einen Spitznamen dafür gibt es: Es wird "gerubbt".
Das Reisebüro-Fachblatt FVW spricht denn auch nicht von Betrug, sondern von "Tarifoptimierung" und davon, dass "das Runterbuchen ... durchaus verbreitet" sei. Gegen die Regeln des Airline-Verbands IATA verstößt es jedenfalls nicht, zitiert die FVW Florian Storp vom Branchenriesen American Express Global Business Travel.
Praxis schon gang und gäbe?
Bei Geschäftsreiseketten scheint das Verfahren jedenfalls gang und gäbe zu sein. Etwas fünf Prozent aller Flugbuchungen werden später "preisoptimiert". Allerdings, und das scheint der entscheidende Unterschied zu sein, geschieht jede Umbuchung mit Wissen und zum Nutzen des Kunden. Der Preisvorteil wird also geteilt.
Bei Privatleuten scheint das nicht so eindeutig. Die Branche spricht von "Gestaltungsspielraum". Mal wird dem Verbraucher ein Teil des Vorteils als Extra-Service weitergereicht, mal eben nicht. Besonders ärgerlich: Nicht selten ändern sich durch die Umbuchung nachträglich die Konditionen, etwa die Stornogebühren oder die Meilengutschrift. Und wer hat sich die beim Ticketkauf schon zusichern lassen?
Was kann der Urlauber tun?
Zunächst mal, so empfehlen Verbraucherschützer, tut er gut daran, sich bei der Online-Buchung das "Kleingedruckte" herunterzuladen. So lässt sich später wenigstens eine Verschlechterung von Konditionen nachweisen. Die beste Lösung freilich wäre, sich ausdrücklich mögliche Vorteile aus späteren Preisoptimierungen zusichern zu lassen. So machen es die großen Konzerne bei ihren Geschäftsreisen. Das wird bei einer privaten Onlinebuchung allerdings nicht so leicht möglich sein. In solchen Fällen fährt eindeutig besser, wer nach guter alter Sitte ins Reisebüro um die Ecke geht und dort seinen Flug bucht. Dort gibt es noch Beratung - und auf dieselben Angebote wie die Online-Büros greifen die stationären Kollegen auch längst zurück.