Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zucht von "Superkorallen" Wie ein Farmer für das Überleben eines Naturerbes kämpft
Ein Australier leitet in einem kleinen Küstenort die größte Korallenfarm des Landes. Wer sie besucht, taucht in eine faszinierende Welt ein.
Aus Bundaberg, Australien, berichtet Anna-Lena Janzen
Von außen wirkt es unscheinbar: eine bescheidene Wellblechhalle an einem Hafen am Rande eines kleinen Küstenortes, davor ein Schild, auf dem "Monsoon Aquatics" steht. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich eine faszinierende Welt. Wer hineintritt, taucht in eine Welt voller psychedelischer Formen und Farben ein. Tausende Lebewesen leuchten in langen aneinandergereihten Becken unter Schwarzlicht – in schillerndem Neonblau, leuchtendem Pink und tiefem Violett. Bizarre, filigrane Strukturen, die an fremde Unterwasserlandschaften erinnern.
Der Unternehmer Daniel Kimberley leitet hier in der Nähe von Bundaberg im australischen Queensland ein faszinierendes Geschäft. Er führt die größte Korallenfarm des Landes. "Wir haben hier über 100 Korallenarten und mehr als 100.000 Korallen vor Ort", erzählt er. Sein Team führt Besucher durch die Hallen, um ihnen diese faszinierende Welt näherzubringen. Denn wer sich, so Kimberley, mit den fragilen Unterwasserlebewesen befasst, wird sich auch für ihren Schutz einsetzen.
Die Nesseltiere in den Becken stammen aus allen Ecken des Kontinents, die farbenfrohen Korallen meist aus tieferem Wasser, wo sie weniger Licht ausgesetzt sind. Professionelle Taucher sammeln sie unter teils gefährlichen Bedingungen ein, sogar aus den von Krokodilen verseuchten Gewässern im abgelegenen Northern Territory. Die Arbeit wird von der Regierung streng beobachtet. "Alle unsere Schiffe sind elektronisch überwacht, sodass die Regierung jederzeit nachvollziehen kann, wo wir sind und was wir tun." Zudem gebe es strikte Quotenregelungen und klare Vorgaben, in welchen Gebieten gesammelt werden darf. Auf seiner Farm angekommen werden die Lebewesen dann wie Setzlinge im Garten in mehrere Stücke aufgeteilt und auf kleine Keramikplatten umgesiedelt, wo sie sich festsetzen und weiter gedeihen.
Eine solche Artenvielfalt wie hier würde man selbst als Hobbytaucher niemals zu Gesicht bekommen, erklärt Kimberley und hebt einen besonders bunten Korallensplitter aus dem Wasser, den er "Hot Mess" (großes Durcheinander) nennt. Der werde auf dem Markt einen besonders hohen Preis erzielen. Je schöner und seltener, umso teurer – einige Arten erreichen Preise von bis zu 600 US-Dollar. Sie werden in die USA, China, Deutschland und zahlreiche weitere Länder verschifft, um dort Aquarien zu schmücken.
Doch neben der Züchtung und dem Verkauf des Wildfangs verfolgt Kimberley ein weiteres großes Ziel: "Unsere wahre Vision und Leidenschaft gilt der Riffrestaurierung", sagt er. Dafür will er künftig Korallen in großem Maßstab und mit niedrigen Kosten produzieren. Gelingt es dem Unternehmen, könnte es eine entscheidende Rolle beim Schutz des Great Barrier Reef spielen.
"Unsere wahre Vision und Leidenschaft gilt der Riffrestaurierung"
Das Sterben der Korallen am Great Barrier Reef, dessen südlicher Teil sich bis nach Bundaberg erstreckt und das zum Unesco-Naturerbe gehört, ist eine ökologische Katastrophe. Durch die Erderwärmung nehmen die Häufigkeit und Intensität von Korallenbleichen zu. Korallenriffe bieten Lebensraum für unzählige Meerestiere und sichern die Nahrungsgrundlage von Millionen Menschen. Außerdem schützen sie Küsten vor Sturmfluten.
Die Zukunft dieses Naturwunders hängt daher von effektiven Schutzmaßnahmen und globalen Bemühungen gegen die Klimakrise ab. Die australische Regierung investiert dafür massiv in Forschung und Maßnahmen. Allein an Monsoon Aquatics flossen 2023 mehr als 500.000 australische Dollar, um ein besonderes Projekt auszuweiten: die Suche nach sogenannten Superkorallen, die der Erderwärmung trotzen können, und das Laichen im Labor.
Wissenswertes über Korallen
Korallen gehören zur Familie der Nesseltiere. Sie gibt es in zwei Haupttypen: Steinkorallen mit einem harten Kalkskelett und Weichkorallen ohne festes Skelett. Riffe entstehen über Jahrtausende durch die Ansammlung der Kalkskelette abgestorbener Steinkorallen. Diese bilden massive Strukturen, auf denen sich neue Kolonien ansiedeln und das Riff weiterwachsen lassen. Korallen leben in Symbiose mit Algen, die ihnen Energie liefern. Nicht alle gesunden Korallen sind daher bunt, in flacherem Wasser erscheinen sie oft braun oder grün. Steigende Meerestemperaturen können die Symbiose zwischen Korallen und Algen stören, was zu einem Phänomen führt, das als Korallenbleiche bekannt ist. Dabei werden die Algen abgestoßen, was dazu führt, dass die Korallen ihre Farbe verlieren und weiß werden. Dies kann schließlich zum Absterben der Korallen führen.
Das Laichen von Korallen ist zunächst ein komplizierter Prozess, der Wissenschaftler noch immer vor zahlreiche Fragen stellt. In der freien Natur laichen Korallen je nach Art ein- bis zweimal im Jahr; bei einigen Arten kann es sogar bis zu viermal passieren. Dabei handelt es sich um eine Massenfreisetzung von Spermien und Eiern ins Wasser. Das erste Mal gelang Monsoon Aquatics vor zwei Jahren der Durchbruch im Labor. Nun will Kimberly den Prozess so ausbauen, dass er kommerziell rentabel wird.
Dabei muss viel beachtet werden: Die Temperatur, das Licht, die Mondphasen, der Wasserstand und die Strömung werden gesteuert, um Gezeiten zu simulieren. Während der Laichzeit beobachten die Mitarbeiter jede Nacht die Kolonien, um den richtigen Moment nicht zu verpassen. "Stell dir vor, du bist hier um zwei Uhr morgens und sortierst kleine Behälter voller Eier und Sperma aus", erzählt Kimberley. Die Korallenlarven sind anfangs winzige Punkte und verbringen zwei Wochen kaum sichtbar in einem speziellen Tank. Später entwickeln sie sich zu Formen, die mit bloßem Auge erkennbar sind. Dann werden sie in einen Tank mit künstlichen Steinen umgesiedelt, wo sie sich festsetzen und weiter wachsen können.
"Was wir hier tun, ist, Gewinner-Korallen zu identifizieren"
Dabei geht es dem Unternehmen nicht um die Vermehrung beliebiger Arten. Das Team arbeitet mit zwei Universitäten zusammen, um die richtigen Korallenarten zu finden. "Für den Ziermarkt suchen wir Korallen mit leuchtenden Farben, während es beim Restaurierungsmarkt um Hitzetoleranz und Widerstandsfähigkeit geht", erklärt Kimberley. "Was wir hier tun, ist, Gewinner-Korallen zu identifizieren – solche, die nicht ausbleichen. Wir bringen sie auf die Farm, lassen sie laichen und vermehren sie zu Tausenden, Hunderttausenden und Millionen."
Das Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 Millionen solcher Korallen im Meer anzusiedeln. Damit das Vorhaben finanziell umsetzbar ist, kommt hochmoderne Technik zum Einsatz. Die Regierung hat ein sternförmiges Gerät entwickelt, in das Kacheln mit Korallen eingesetzt werden. Diese werden dann vom Boot aus ins Meer geworfen. KI-gesteuerte Roboter, die statt Tauchern eingesetzt werden, sollen später zu den Standorten zurückkehren und die Überlebensraten der Korallen überprüfen. "Die Technologie hat uns in den vergangenen Jahren so weit gebracht. Was wir jetzt unternehmen können, war vor ein paar Jahrzehnten unvorstellbar", schildert Kimberley.
"Das Riff ist verwundbar"
Ein Besuch auf seiner Farm ist nicht nur faszinierend, sondern macht Hoffnung, dass es Menschen gibt, die unermüdlich am Schutz des Naturerbes arbeiten. Und Daniel Kimberley ist nicht der einzige Unternehmer in der Bundaberg-Region, der sich dieser Aufgabe vollends verschrieben hat. In der Umgebung verspürt man insgesamt viel Optimismus und Engagement von den Menschen, die hier leben und arbeiten. Und dieser Elan wird auch an Besucher der Region weitergegeben.
Die Meeresbiologin Erin Watson ist ein perfektes Beispiel. Sie ist stolz darauf, auf der nahegelegenen Insel Lady Elliot am südlichen Zipfel des Great Barrier Riffs zu arbeiten. "Am liebsten gehe ich mit den Gästen raus und zeige ihnen das Riff zum ersten Mal. Denn es kommen viele Tagesgäste zu uns, die wohl noch nie dort waren. Sie haben eine Vorstellung davon, und wenn sie dann kommen und es selbst erleben, dann sieht man ihre Begeisterung. Es ist ein unvergleichliches Erlebnis", erzählt Watson.
Das Lady Elliot Eco-Resort, für das sie arbeitet, ist bekannt für seinen nachhaltigen Ansatz fernab vom Massentourismus und kann für Tagesausflüge oder Übernachtungen per Kleinflugzeug von Bundaberg aus erreicht werden. Die traumhafte Insel liegt in der streng geschützten "Grünen Zone" und ist ein Schutzgebiet für über 1.200 Arten von Meereslebewesen, darunter Mantarochen, Wale und Schildkröten. Unberührte Korallenriffe können hier das ganze Jahr über von Tauchern und Schnorchlern bestaunt werden sowie zahlreiche Vogelarten, die die Insel in der Brutsaison bevölkern. Es wird großer Wert auf Naturschutz gelegt: Es gibt keine Autos, und nur ein schlichtes Öko-Resort mit 41 Zimmern.
"Das Riff ist verwundbar. Es ist aktuell in einem wirklich, wirklich fragilen Zustand", schildert Watson, die unter anderem als Tauchlehrerin auf der Insel arbeitet. Abgestorben sei das Riff deshalb aber noch lange nicht. "Es ist nicht tot, es ist immer noch gesund und wunderschön", schwärmt sie. "Und es ist noch nicht zu spät, das Riff zu schützen." Sie hofft, mit ihrer Arbeit einen Funken Leidenschaft für den Schutz des Riffs zu entfachen – um sicherzustellen, dass es auch in den kommenden Jahrzehnten so schön bleibt, wie es ist.
Höhepunkte für Besucher in Bundaberg und Umgebung:
Lage: Queensland, Australien, etwa 360 Kilometer nördlich von Brisbane
Great Barrier Reef: Als Tor zum südlichen Great Barrier Reef ist Bundaberg ein idealer Ausgangspunkt für Tauch- und Schnorchelausflüge zum Beispiel auf die Insel Lady Elliot Island.
Mon Repos Turtle Centre: Besucher können Meeresschildkröten beim Eierlegen und Schlüpfen in ihrer natürlichen Umgebung beobachten und über den Schutz der Tiere lernen.
Die Taribelang Bunda Cultural Tours werden von den engagierten Gastgeberinnen Bec und Waszanna geleitet, die beide tief in der Kultur und Geschichte der Taribelang Bunda verwurzelt sind. Sie teilen sie das Wissen ihres Volkes und bieten den Gästen einen authentischen Einblick in die Traditionen und Geschichten.
Unterkunftsmöglichkeiten: Der Turtle Sands Camping & Holiday Park bietet komfortable Optionen für Familien und Abenteurer, darunter Campsites, Öko-Zelte und Kabinen. Turtle Sands grenzt an den Schildkröten-Schutzpark Mon Repos und legt großen Wert auf Naturschutz.
Gastronomie: Bundaberg, auch bekannt für seinen weltberühmten Rum, ist ein Paradies für Feinschmecker, die frische, regionale Zutaten schätzen. Lokale Restaurants und Cafés servieren Meeresfrüchte direkt aus dem Pazifik, von zarten Austern bis zu gegrilltem Barramundi.
Weitere Informationen zu Aktivitäten und Unterkünften finden Sie auf der offiziellen Tourismus-Website der Region.
Transparenzhinweis: Dieser Bericht wurde von Tourism and Events Queensland unterstützt.
- Eigene Beobachtung
- Gespräch mit Daniel Kimberley von Monsoon aquatics
- Gespräch mit Tauchlehrerin Erin vom Lady Elliot Island Ecoresort
- 2.gbrmpa.gov.au: Reef Blueprint und Reef health updates (englisch)
- 2.gbrmpa.gov.au: Master Reef Guides - Southern (englisch)
- naturdetektive.bfn.de: Korallen
- wikipedia.org: Korallen