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Auf ein Pils aus Pilsen: Dieser Städtetrip bringt Sie auf die Spuren des Bieres


Städtetrip in Böhmen
Auf ein paar Pils in Pilsen

Pilsen ist die heimliche Bierhauptstadt. Wer das tschechische Nationalgetränk nicht nur trinken sondern dessen Ursprung erfahren möchte, kommt hierher.

Aktualisiert am 20.08.2023|Lesedauer: 6 Min.
Von dpa
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Der Ort, wegen dem es die meisten Besucher nach Pilsen zieht, liegt praktischerweise vom Hauptbahnhof nur gut fünf Minuten Fußmarsch einen Hügel hinab entfernt. Und so ist zu vermuten, dass es viele handhaben wie die vor mir laufenden Männer mittleren Alters: Sie gehen auf direktem Weg vom Zug zur Brauerei.

Hauptstadt des Bieres: Wer nach Pilsen reist, kommt an einem Getränk nicht vorbei.Vergrößern des Bildes
Hauptstadt des Bieres: Wer nach Pilsen reist, kommt an einem Getränk nicht vorbei. (Quelle: IMAGO / agefotostock)

Zu Besuch in der Hopfen-Hochburg

Kurz wird sich aber noch auf der Fußgängerbrücke vor der Brauerei zum Foto aufgestellt. Man spricht Deutsch: "Könnten Sie?" Klar. Nach dem Gruppen-Schnappschuss marschiert die Gruppe schnurstracks weiter in die Hopfen-Hochburg.

Brauereien zum Besichtigen – und zur Bierverkostung – gibt es in vielen Städten und sie ziehen zuverlässig ihr Publikum an. Doch dass eine Brauerei die mit Abstand am meisten besuchte Sehenswürdigkeit einer Stadt ist, ist schon bemerkenswert. Pilsen ist Bier und Bier ist Pilsen, heißt es auch auf der Website der Stadt. Und wer würde dem widersprechen?

Auch wenn man beim Tourismusbüro nicht müde wird zu betonen, dass Pilsen und seine Umgebung viele schöne Ecken hätten, was zweifellos richtig ist. Dennoch kann man die steile These aufstellen: Gäbe es das Bier nicht, das seit 1842 einer ganz Brauart ihren Namen gibt, hätten viele die Stadt anderthalb Zugstunden westlich von Prag nicht auf dem Schirm.

Besuch in der Brauerei

Natürlich startet man also dort, wo es auch die deutsche Männer-Reisegruppe direkt hingezogen hat: bei der Brauerei von Pilsner Urquell. Die ist in jedem Fall einen Besuch wert, auch wenn man auf den Höhepunkt des Besuchs etwas warten muss.

Zunächst geht die Führung mit einem Abriss zur Entstehungsgeschichte des Pilsners und der Brauerei los, der Brauprozess wird erklärt, man kann geriebene Hopfenpellets probieren – und kriegt den Geschmack, der an bitteren Tee erinnert, danach ewig nicht aus dem Mund.

Es geht weiter ins alte historische und neue moderne Sudhaus, die sich bis auf die Deckenhöhe kaum unterscheiden: Hübsche kupferfarbene Kessel, in denen das Bier gebraut wird, stehen in beiden.

Pilsen: Leicht zu erreichen

Wer in Prag ist, sollte sich einen Abstecher in die viertgrößte Stadt Tschechiens nicht entgehen lassen. Zwischen der tschechischen Hauptstadt und der Stadt des Bieres liegen nur 90 Kilometer. Von Prag aus fahren stündlichen Regionalzüge. Die Fahrt dauert etwa eine Stunde und 20 Minuten.

Das Bier der Urväter in den Kellergewölben genießen

Das alles ist interessant und doch, wenn man schon andere Brauereien besucht hat, auch altbekannt. Aber das Highlight kommt hier eben zum Schluss. Neun Kilometer unterirdisches Gewölbe ziehen sich unter dem Brauereigebäude entlang. Es ist kühl und feucht, wer nicht aufpasst, droht auf den glitschigen Steinen auszurutschen.

Hier wurde das Bier einst in Holzfässern bei konstant niedrigen Temperaturen offen gegärt. Die riesigen Keller erinnern einen an Bergbaustollen. Die Wege sind breit und so hoch, dass einst Pferdekarren hier durchfahren konnten.

Längst gärt das Bier in gekühlten Stahltanks, doch einige Chargen werden weiterhin in Holzfässern hier unten gegärt. Und genau dieses Bier können Besucher am Ende der Führung probieren: unpasteurisiertes und noch nicht gefiltertes Pilsner.

Es sei quasi das Bier, dass die Urväter des Pils 1842 am Ende ihrer Tüftelei gekostet und für gut befunden hätten, erklärt die Führerin, nachdem sie allen ein 0,3-Liter-Glas aus dem Holzfass vollgemacht hat. Das Ur-Pilsner ist trübgelb und sehr süffig.

Abstecher in die Altstadt

Von der Brauerei ist es nur ein weiterer Fußmarsch von wenigen Minuten in die Altstadt, Diese erstrahlt nun im neuen Glanz. 2015 war Pilsen Kulturhauptstadt Europas, und im Zuge dessen war in den Jahren davor kräftig Geld geflossen, um Gebäude und Parks hübsch zu machen. Das sieht man.

Vielleicht übertreibt Stadtführer Jan ein wenig, wenn er erzählt, vorher sei hier alles grau gewesen und die Parks halbe Dschungel mit hohen Wiesen. Doch selbst wenn es so gewesen sein sollte: Das Pilsner Zentrum von heute präsentiert sich sauber, mit schönen Fassaden und einem Parkring rund um die Innenstadt mit kurz geschnittenem Rasen, Springbrunnen und gepflegten Beeten. Auch an Gaststätten und Bars herrscht kein Mangel.

In der Mitte von allem thront die St.-Bartholomäus-Kathedrale. 102 Meter hoch, die höchste Kirche Tschechiens. Links vom Eingangsportal ist eine kleine Tür, die man fast übersehen könnte. Geht man durch, erreicht man nach rund 300 Stufen die Aussichtsplattform. Das Bier ist auch hier oben nicht weit weg, die Brauerei unübersehbar.

Wieder unten angekommen, erzählt Jan, dass die Kathedrale eine katholische Kirche sei. "Es ist selten ein Problem, hier einen Platz zu bekommen – wir sind das wohl atheistischste Land der Erde", fügt er an. Ganz unrecht hat er nicht: Im europäischen Vergleich ist Tschechien beim Grad der Säkularisierung vorne dabei.

Bier als Ersatzreligion

Wo das Land ganz sicher weltweit Spitze ist, ist der Pro-Kopf-Bierkonsum, das zeigen Daten. Darauf angesprochen, sagt Jan nur: "Vielleicht haben sie einen neuen Gott gefunden?" Den Spruch meint er natürlich nicht ernst, auch wenn manche Menschen Bier sicherlich als ihre Religion bezeichnen würden.

Ob das auch für die Gäste im The Pub gilt, der unweit von der Kathedrale liegt? Schwer zu sagen. Wenn, dann frönen sie ihrem Gott hier mit möglichst hoher Trinkrate. Das Konzept des Franchise, das es auch in anderen tschechischen Städten gibt: An jedem Tisch steht eine Zapfanlage, die auch zählt, wie viel Bier jeder trinkt. Ein großer Bildschirm zeigt, welcher Tisch am meisten "zieht". Biertrinken als Wettbewerb, auch das ist Pilsen.

Ist das Bierkultur? Auf jeden Fall keine Genusskultur. Das Bier, das aus unserem Hahn fließt, schmeckt leicht fischig. Vielleicht stand es zu lange in den Leitungen, die unter dem Boden zum Tisch führen, und wurde schal? Wir lassen unsere Gläser jedenfalls stehen und ziehen ab. An den anderen Tischen scheint das Bier zu schmecken. Oder der Geschmack ist egal.

Der Bestwert eines Tisches liegt um 21 Uhr laut Anzeige bei 25 Bieren. Hier fällt offenbar keiner vom Bier-Glauben ab.

Bierfeste

Jedes Jahr am ersten Oktoberwochenende ist auf dem Brauereigelände Party mit Bands und reichlich Pilsner Urquell beim Pilsner Fest. Ein Tipp für Bierliebhaber ist das "Sun in a Glass"-Festival, das Mitte September rund um das Purkmistr-Gelände in Pilsen-Černice steigt: Hier präsentieren kleine Brauereien aus der Stadt und Region ihre Kreationen. Mit einem Probierglas ausgestattet, testet man sich durch.

Kulinarische Entdeckungsreise

In Pilsen soll die Kneipendichte gemessen an der Einwohnerzahl höher als in Prag sein, sagt man mir. Mag sein, auch wenn die Gaststätten mit klassischer Küche wie Gulasch oder Svíčková und – Ehrensache – Pilsner Urquell am Zapfhahn hier nicht so augenfällig oft zu sehen sind wie in manchen Teilen der tschechischen Hauptstadt.

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Es gibt abseits des Vieltrinker-Pubs in jedem Fall genug empfehlenswerte Adressen für böhmische Genusskultur. Im Zentrum der Stadt zählen das U Salzmannů dazu und das Na Parkánu, wo man etwa die sehr intensive Knoblauchsuppe auch mit einem ungefilterten Urquell hinunterspülen kann.

Auf dem Gelände der Brauerei steht in ehemaligen Gärkellern mit dem Na Spilce das nach eigenen Angaben größte Restaurant Tschechiens. Es wäre aber ein Fehler, den Pilsner Bierkosmos nur auf das eine Bier mit dem weltbekannten Namen zu reduzieren.

Nicht nur, dass es mit Gambrinus eine zweite, vor allem in Tschechien bekannte und verbreitete Biermarke gibt, die in Steinwurf-Entfernung vom Pilsner Urquell gebraut wird. Es finden sich in und um Pilsen mehr als ein Dutzend kleinere Brauereien.

Abseits der großen Brauereien

Die Bar Klub Malých Pivovarů zwischen Hauptbahnhof und Brauerei bietet ein großes Fassbier-Angebot abseits des allgegenwärtigen Pilsner Urquells.

In Bierzusatz baden und Bier trinken

Die Größte unter diesen Kleinen ist Purkmistr. Auf einem ehemaligen Bauernhof im dörflichen Ortsteil Černice, sieben Kilometer südlich vom Zentrum, wird nicht nur Bier gebraut. Es gibt auch ein empfehlenswertes Restaurant, ein Hotel und ein Bier-Spa.

Das Spa ist das Aushängeschild von Purkmistr. Der Kern des Angebots sind mehrere große Holzbadewannen für ein warmes Bad mit bierhaltigen Badezusätzen und einer Zapfanlage in Griffweite neben der Wanne, in der man sich kühles Lagerbier ins Glas füllen kann. Das Bier schmeckt frisch und auch im Ruheraum gibt es im Anschluss beinahe zwangsläufig ein Bier zur Entspannung.

Natürlich ist die originelle Wannen-Wellness vor allem dafür da, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das gibt Petr Mic, Marketingmanager von Purkmistr, offen zu. Das Spa als Zugpferd half, das Hotel nach anfänglichen Auslastungsproblemen voller zu bekommen. Die Wellness-Oase für Biertrinker lockte bereits Gäste aus Brasilien, Südafrika und den Vereinigten Staaten an.

Und viele kämen auch aus Deutschland hierher. Wie sie ausgerechnet das Bierspa am Rand von Pilsen finden? Dafür braucht Mic nicht allzu viel Fantasie, er kann sich den Buchungsprozess bei manchen der Gäste lebhaft vorstellen: "Sie sitzen vor dem PC, geben Urlaub und Bier ein und bekommen als Ergebnis Pilsen angezeigt."

Dass auch die Strahlkraft von Pilsner Urquell die Leute in die Stadt und letztlich auch zu Purkmistr lockt, weiß Mic. Als Konkurrenz begreift er die Großbrauerei im Stadtzentrum ohnehin nicht, dafür sind die Welten zu verschieden.

"Sie brauen so viel, deshalb können sie keine Experimente machen", sagt Mic mit Blick auf deren Angebot. "Wir dagegen können pro Jahr 50 Biervarianten anbieten." Wie zum Beweis zapft er ein kleines Glas der aktuellsten Kreation aus einem kleinen Metallkessel.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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