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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Im Notfall ein Passagierflugzeug landen Im Notfall ein Passagierflugzeug landen
Flugkapitän und Copilot sind bewusstlos. Lebensmittelvergiftung. Kein Pilot unter den Passagieren. Jemand muss die voll besetzte Maschine landen. Und jetzt? wanted.de macht Sie zum Helden und erklärt, was zu tun ist. Auch wenn es unwahrscheinlich ist: Sie sind dann vorbereitet.
Eine Stunde bis zur Landung. Im Cockpit wird es plötzlich laut. Der Flugkapitän wankt aus der Kabine und bricht zusammen. Zwei Stewardessen versuchen, ihn wiederzubeleben. "Wo ist der Copilot?", schreit eine. "Auf der Toilette!" Sie hämmern gegen die Tür. Wieder und wieder. Alle starren nach vorne. Einer muss helfen. Das könnten Sie sein!
Keine Panik!
"Solche Situationen sind im Luftverkehr extrem unwahrscheinlich, aber sie können theoretisch vorkommen", erzählt der erfahrene Pilot Nikolaus Braun. Seit gut 13 Jahren fliegt der Diplomingenieur Linienmaschinen, seit 2007 auch auf der Langstrecke mit dem Airbus A330 und A340. "In so einer Situation weiß ein unerfahrener Passagier ja gar nicht, wohin er zuerst schauen soll. Vielleicht ertönen Systemwarnungen. Da ist jeder überfordert." Was also tun? "Wenn man die kleine Chance, die man vielleicht hat, nutzen will, ist Hilfe vom Boden nötig. Ohne die ist man wahrscheinlich verloren. Sie müssen auf jeden Fall die Fluglotsen erreichen." >>
Doch keine Panik, beruhigt Nikolaus Braun. Die Maschine fliegt normalerweise mit Autopilot. Sie bewegt sich ruhig voran, die Richtung stimmt. "Wie viel Zeit zum Landen bleibt, hängt davon ab, wie viel Kerosin noch im Tank ist", warnt er. Vorgeschrieben sei eine Treibstoffmenge, die mindestens für 30 Minuten bis eine Stunde länger als die errechnete Flugzeit ausreicht.
Neben dem Sitz hängt ein Headset herab. Aufsetzen, Mikrofon richten. Und nun? Irgendwo muss der Mikrofon-Selektor zu finden sein. Leuchtet dort "VHF-1", drückt man auf den Push-to-talk-Button direkt am Mikrofon. Nun hat man Kontakt zum Fluglotsen. "Mayday, Mayday" ist der nun exakt richtige Warnruf zum Boden, auf den die Flugnummer in einzelnen Ziffern samt einer präzisen Schilderung der Situation folgt. Im Tower und auf dem Flughafen wird augenblicklich der Notfall eingeleitet. Der Flugbetrieb wird in Minutenschnelle eingestellt, alle Maschinen am Boden rollen auf Parkpositionen, Flugzeuge in der Luft werden in Warteschleifen geschickt. Feuerwehrfahrzeuge und Notfallcrews preschen mit Blaulicht aufs Flugfeld. >>
Auch im Tower muss es nun extrem schnell gehen. Denn ein Fluglotse ist kein Pilot. Doch nun muss ein mit diesem Flugzeugtyp erfahrener Kapitän ans Mikro und Anweisungen geben. Doch ob damit ein Passagier eine manuelle Landung ohne Crash hinbekommt - da ist Nikolaus Braun skeptisch: "Wer Handwerkern zugesehen hat, wie sie eine Wand sauber verputzen, wird das hinterher kaum alleine hinbekommen", sagt er, "man schafft es aber auch nicht, wenn man den Handwerker dabei am Telefon hat." Ein Flugzeug von Hand zu landen sei trotz Sensoren und Assistenzsystemen immer noch ein hoch komplexer Vorgang.
"Wechseln erfahrene Piloten den Flugzeugtyp, benötigen sie etwa 60 bis 80 Landungen im Simulator und zusätzlich zwei bis drei Monate Training mit dem Ausbildungskapitän, bis sie die Maschine beherrschen." Wer zuhause am Notebook schon mal eine Runde am Flugsimulator gedreht hat, sei nun im Vorteil: "Da ist vielleicht ein wenig fliegerisches Grundwissen vorhanden. Das würde eine Menge helfen", erklärt Nikolaus Braun die Komplexität.
Die Flughöhe ändern
Der herangeeilte Pilot im Tower hat inzwischen über Funk die allernötigsten Funktionen erklärt: Der Autopilot steuert den Flieger, wenn "CMD" oder "AP" leuchtet. Nach kurzer Suche: Display leuchtet. Uff. Der Autopilot fliegt allerdings nicht ganz alleine. Um Höhe, Kurs oder Geschwindigkeit zu korrigieren, gibt es dazu mittig unter den vorderen Fenstern ein paar Drehknöpfe und Displays. Nach Anweisung des externen Piloten am Boden eingeben und bestätigen, da kann nicht viel schief gehen. Kriegt man hin.
Das Display direkt vor dem Sitz ist das "primary flight display". Hier erblickt man die zum Fliegen elementaren Daten: Flughöhe, Geschwindigkeit, Kurs und den Winkel der Maschine zur Waagerechten. >>
Kommt der Flughafen näher, wird’s ernst. Sehr ernst. Moderne Flugzeuge können auf einem großen Flughafen inzwischen per Autopilot landen. Auch das hat für Fluglaien einige Tücken – aber drastisch weniger als bei der manuellen Landung. "Das wäre ungefähr dasselbe, als würde man mit einem Messer in der Küche Anlauf nehmen, um im Messerblock die richtige Öffnung zu treffen", beschreibt Pilot Braun die Chance. Denn die voll besetzte, tonnenschwere Maschine setzt mit einer Geschwindigkeit von 200 bis 300 Stundenkilometern auf der schmalen Piste auf.
Diese Faktoren entscheiden
Und nicht nur das: Wenn der Anflugwinkel stimmt, die Geschwindigkeit passt, kein Seitenwind stört, die Landeklappen richtig stehen, die Räder ausgefahren sind, muss man das Aufsetzen schaffen, den richtigen Umkehrschub einstellen, die Bremsen bedienen und die Maschine auf der Landebahn halten. Der Pilot im Tower gibt über den Funk Anweisungen. Da jeder Flugzeugtyp die entsprechenden Knöpfe und Funktionen an anderen Stellen hat und diese auch unterschiedlich benannt sind, lässt sich das Landen nicht verallgemeinern. Doch mit Hilfe des Experten am Boden und des Autopiloten besteht eine Chance, Flughöhe etc. ordnungsgemäß zu ändern.
"Man muss es versuchen. Es gibt viele Faktoren, und einer davon ist Glück", betont Nikolaus Braun. Doch beim Anflug sei das größte Risiko – auch wenn's gut läuft – das Übersteuern der Maschine. "Wer da vorne sitzt, gibt sich alle Mühe, nichts falsch zu machen – und macht deswegen zu viel. Das endet schnell in der Katastrophe." Daher sei die Autopilot-Landung die für ihn einzig realistische Chance: "Das kann gut klappen." Danach tief durchatmen. Ein Bier. Auf den Autopiloten!
Unsere Tipps zum Landen eines Flugzeuges finden Sie auch in unserer Fotoshow.