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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mode & Beauty Diese Technik macht die Uhr zum Kunstwerk
Uhren begeistern Männer, das ist ein Naturgesetz. Schuld daran ist vor allem die faszinierende Technik im Innern einer – je ausgefeilter, desto wertvoller. Doch was genau tut sich unter dem Zifferblatt? wanted.de hat sich die interessantesten technischen Spielereien einmal genauer angeschaut.
Neue Technologien sind bei Uhren selten – die Zeitmesser sind seit Jahrzehnten ausgereift und werden allenfalls immer weiter verfeinert. Deswegen funktionieren sie auch so gut – technische Prototypen, die im Alltag versagen, gibt es nicht mehr. Doch wer mehr will, als nur die Zeit ablesen, der gönnt sich besondere Technik-Details.
Leuchtstoff als Stundenzeiger
Die Schweizer Firma HYT – das Kürzel steht für Hydrotechnologie – stellte auf der Baselworld 2012 mit der "H1" ein Modell vor, dass ein klassisches Handaufzugswerk mit einer neuartigen Hightech-Anzeige verbindet. Das herkömmliche Werk mit Genfer Streifenschliff bewegt zum einen den Sekundenzeiger, eine kleine Minute und die Gangreserve von 65 Stunden. >>
Außerdem treibt das Uhrwerk zwei Kolben an, die aussehen wie Blasebälge. Einer der Kolben drückt eine grüne Flüssigkeit durch einen Glasring – das ist der Stundenzeiger. Im gleichen Ring lagert eine durchsichtige Lösung, die durch den anderen Kolben heraus gezogen wird, um die grüne Lösung vorrücken zu lassen.
Beide Flüssigkeiten mischen sich aus chemischen Gründen nicht. Zum Verkauf stehen vier Versionen der "H1" – je zwei in Titan und Rotgold, der Preis bewegt sich bei 34.000 Euro aufwärts.
Genauigkeit durch Tourbillon
Der unangefochtene Spitzenreiter unter den bisherigen Uhren-Technologien ist der "Tourbillon", das ist das französische Wort für Wirbelwind. Diese Vorrichtung soll einen Fehler der Ganggenauigkeit ausgleichen, der durch die Schwerkraft ausgelöst wird. Da eine Armbanduhr sich aber sowieso am Arm hin und her bewegt wird, was sowieso für nicht zu vermeidende Ungenauigkeiten sorgt, ist der "Tourbillon" eher eine technische Spielerei. >>
Und die funktioniert grob beschrieben so: Ankerrad, Anker und Unruh der Uhr werden auf einer kleinen Platte in einem Käfig auf der Welle des Sekundenrades eingebaut. Das Drehgestell dreht sich somit um das festgeschraubte Sekundenrad. Wenn sich das Sekundenrad dreht, macht das Tourbillon diese Drehung mit. Dadurch treten Lagen- oder Schwerpunktfehler nicht mehr auf oder werden ausgeglichen.
Erfunden hat den Tourbillon Abraham Louis Breguet im Jahr 1795 für die damals üblichen Taschenuhren, die noch still in der Jackentasche ruhten – hier wirkte der Schwerkrafts-Ausgleich. Das Patent wurde 1801 in Paris erteilt. Eine besondere Widmung erfuhr der Wirbelwind jüngst durch den Schweizer Uhren-Avantgardisten Beat Haldimann: Die "H8" besteht nur aus einem Tourbillon - und sie hat keine Zeiger mehr. Der Preis für das minimalistische Kunstwerk: 105.000 Euro.
Die Grande Complication als Krönung des Handwerks
Eine weitere extrem teure Spielerei in der Uhr ist der ewige Kalender. Solche Feinheiten sind für Traditionalisten geeignet, die ihre Zeitmesser vererben wollen. Der ewige Kalender zeigt nicht nur Monatstag, Wochentag, Monat und Jahr an, er berücksichtigt auch die Schaltjahre– das umständliche Umstellen des Datums entfällt.
Manche Uhren bieten auch Schlagwerke an. Bei manchen Uhren klingt ein Schlag pro Stunde, und zwei pro Viertelstunde. Uhrmacher sprechen dann vom "Großen Klingeln", einfachere Versionen heißen Repetition. Ursprünglich war diese Funktion für Blinde gedacht. Manche Armbanduhren sind so ausgefeilt, dass sie nachts gar nicht klingeln – hier gibt es dutzende Variationen.
Bei Tourbillon, ewigem Kalender und Schlagwerk handelt es sich um die wichtigsten und beliebtesten Komplikationen. Eine Uhr mit diesen Feinheiten wird "Grande Complication" genannt. >>
Solche Uhren wurden erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts im Schweizer Vallee de Joux gebaut, damals natürlich noch als Taschenuhren, weil die mehr Platz für die zusätzliche Technik bieten. Diese Uhren sind auch enorm teuer.
Grand Complications von Patek Philippe
Spezialisiert auf diesen Super-Luxus ist vor allem der Schweizer Hersteller Patek Philippe. Die gerade auf der Baselworld 2012 vorgestellte "5204P-001" aus der Serie "Grand Complications" verbirgt in einem Platin-Gehäuse ein Handaufzugskaliber mit ewigem Kalender und Mondphase. Preisangaben in Uhrenforen bewegen sich bei rund 250.000 Euro.
Das edle Stück bietet natürlich ein Sichtglas auf dem Rücken und wird an einem Alligator-Armband ausgeliefert. Im Inneren schlägt das hauseigene neue Kaliber CHR 29-535 PS Q, das Uhrenfreunden wegen seiner Komplexität als eines der schönsten Werke überhaupt gilt. Es bietet 65 Stunden Gangreserve.
Fazit: Ausgefeilte Uhren-Technologie hat ihren Preis. Natürlich machen die Spielereien mächtig Eindruck, die Top-Modelle bieten dank ihrer Komplikationen außerdem die Chance auf erhebliche Wertsteigerungen – sie sind somit besonders für Sammler und Investoren interessant. Doch wirklich nützlich sind die zusätzlichen technischen Feinheiten im täglichen Leben nicht. Wer also mehr möchte, als einen Zeitvertreib auf dem nächsten Langstreckenflug, der sollte das Geld lieber in ein neues Auto investieren.