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Dating Ü40: Diese Vorteile und Probleme gibt es


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"Als geschiedene Frau bist du wie der Twingo auf dem Porsche-Parkplatz"

  • Claudia Zehrfeld
InterviewVon Claudia Zehrfeld

18.04.2020Lesedauer: 8 Min.
Andrea Müller: Die Autorin hat ein Buch über ihre Erlebnisse als Singlemutter geschrieben.Vergrößern des Bildes
Andrea Müller: Die Autorin hat ein Buch über ihre Erlebnisse als Singlemutter geschrieben. (Quelle: Yvonne Schmedemann)

Autorin Andrea Müller hat sich nach zehn Jahren Ehe von ihrem Mann getrennt. Danach stürzte sie sich ins Singleleben. Was sie dort mit über 40 und zwei Kindern erlebte, erzählt sie im Interview.

Nach der Trennung von ihrem Ehemann wurde Autorin Andrea Müller von ihrem Umfeld häufig als jemand betrachtet, dem etwas fehlt. Als sei sie mit zwei Kindern, aber ohne Mann nicht mehr komplett. Dabei genoss die damals Anfang-40-Jährige ihre neue Freiheit und ihr Leben als Single in vollen Zügen. Und das tut sie auch heute noch.

Wie es ist, nach einer zehnjährigen Ehe wieder Single zu sein, wie sich Flirten mit Ü40 verändert hat und mit welchen Problemen die Hamburgerin als alleinerziehende Mutter zu kämpfen hat, erzählt sie im Interview mit t-online.de.

t-online.de: Sie haben sich vor neun Jahren von Ihrem damaligen Ehemann getrennt. Wie erging es Ihnen damals?

Andrea Müller: Ehrlich gesagt: Es geht einem nie gut nach einer Trennung. Wer etwas anderes behauptet, lügt. So eine Trennung ist meistens ein langer Prozess. Das macht man sich nicht leicht. Wenn es der Vater deiner Kinder ist, dann existiert ja auch dieses Konstrukt Familie. Es verschafft einem Geborgenheit – wenn das kaputtgeht, ist das schwerwiegend und schmerzhaft.

Sie haben sich nach der Trennung ein paar Regeln aufgestellt. Welche waren besonders wichtig für Sie?

Eine wichtige Regel war für mich: Ich muss meinen Kummer auf mehrere Menschen verteilen. Es ist besser, nicht alles immer nur der gleichen Freundin zu erzählen. Das belastet jede Freundschaft zu sehr. Zudem habe ich versucht, dass man mir meinen Kummer in der Öffentlichkeit nicht anmerkt. Ich habe mir gesagt: Nee, ich geh jetzt nicht wie ein Häufchen Elend durch die Welt, ich kann stattdessen im Auto heulen oder im Schwimmbad. Jedenfalls irgendwo, wo man mich nicht kennt. Also nicht unbedingt beim Elternabend.

Finden Sie, dass es getrennte Frauen schwerer haben als getrennte Männer, weil sie anders in der Gesellschaft wahrgenommen werden?

Ja, das ist überhaupt gar kein Vergleich. Selbst 110 Jahre nach Effi Briest bist du als geschiedene Frau so etwas wie der Twingo auf dem Porsche-Parkplatz: einfach falsch geparkt. Gerade in meinem sehr bürgerlichen Umfeld im Hamburger Westen wird man als Single unter vielen Paaren oft mit Argusaugen bestaunt: als unangepasste Mitbürgerin, der die Eingliederung nicht so recht gelungen ist. Als getrennte Frau ist man natürlich eine potenzielle Bedrohung für all jene Ehefrauen, die in weniger stabilen Ehen verharren. Also wird man kaum noch zu Pärchenabenden eingeladen und wenn, ist man immer ein bisschen der Exot. Ein Alien, das in der Welt der Tinder-Dates verkehrt und ganz andere Einblicke in die erotische Welt der Menschen jenseits der 40 hat als solche, die seit 25 Jahren – mehr oder weniger glücklich – verheiratet sind. Männer haben diese Probleme gar nicht, wenn sie sich trennen.

Wie ist es für sie stattdessen?

Alle Frauen stürzen sich oft sofort auf diese Typen, die frisch getrennt sind, gut aussehen, einen guten Beruf haben und ihre Kinder nur alle zwei Wochen sehen. Und die Männer freuen sich über diese Aufmerksamkeit, weil sie oftmals nicht allein sein können. Wir getrennten Frauen hingegen sitzen meistens allein da, aber wir haben glücklicherweise die Kinder. Was sehr, sehr schön ist, aber sie schränken einen in dieser Hinsicht auch ein.

Andrea Müller, Jahrgang 1970, ist Journalistin und Autorin. Über die "Liebe in der zweiten Runde" hat sie das humorige Buch mit dem Titel "Du kannst dich jetzt ausziehen, wir rauchen hier nackt" geschrieben. Müller lebt mit ihren zwei Söhnen (11 und 16 Jahre alt) in Hamburg.

Haftet an einer getrennten Mutter auch ein gewisses Stigma?

Ja, der Begriff "alleinerziehend" ist auch ein bisschen negativ behaftet: Alleinerziehend ist immer so ein bisschen asozial. Man bekommt etwa bei der Bank keinen Dispo mehr. Fast ab Tag eins der Trennung sagte mein Sachbearbeiter zu mir: "Es tut mir leid, aber ich kann leider Ihren Dispo nicht mehr erhöhen, weil Sie ja jetzt getrennt sind." Das fand ich unglaublich. Mein Mann hat auch früher nie meinen Dispo ausgeglichen. Das habe ich immer selbst geschafft. Wir hatten immer getrennte Konten. Man bekommt als alleinerziehende Mutter also keinen Dispo mehr und auch keine Wohnung. Ich hätte meine Wohnung nicht bekommen, wenn mein Ex-Mann nicht für mich gebürgt hätte.

Glauben Sie, dass getrennte Frauen häufiger ungefragt irgendwelche Ratschläge bekommen als liierte Frauen?

Ja, natürlich. Du wirst als getrennte Frau immer betrachtet als jemand, dem etwas fehlt. Du wirst wahrgenommen wie ein Wagen, bei dem ein Rad abgefallen ist. Nach der Scheidung wollten mich sämtliche Freunde unbedingt wieder verkuppeln. Was auch irgendwie rührend ist. Aber viele finden, dass man nur als Paar oder in einer Familie nur mit einem Vater komplett ist. Dementsprechend wird man permanent gefragt, ob man mal wieder ein Date hatte. Ich glaube, andere Leute interessieren sich mehr für meine Dates als ich mich selbst.

Was war der schlimmste Ratschlag, den Sie nach der Trennung bekommen haben?

Einer der schlimmen Ratschläge war, dass ich mit einem meiner Ex-Freunde wieder zusammenkommen sollte – obwohl der mich in unserer früheren Beziehung ab dem ersten Tag belogen hatte. Ein weiterer gut gemeinter Ratschlag war, dass ich abnehmen solle, um einen neuen Mann zu finden.

In Ihrem Buch beschreiben Sie, dass es ganz anders ist, mit über 40 Single zu sein als vor Ihrer Ehe. Worin liegen die Unterschiede?

Die Unterschiede sind einfach: Man ist fünfzehn Jahre älter und man hat Kinder. Meine beiden Söhne sind ja meistens bei mir. Und ich versuche inzwischen, meine Männergeschichten strikt von ihnen zu trennen. Am Anfang, als die Kinder noch klein waren, habe ich jedes Mal einen Babysitter benötigt, wenn ich ein Date hatte. Das kostete jedes Mal Geld. Und du weißt, die Kinder werden irgendwann knatschig, du solltest also irgendwann wieder nach Hause kommen. Und zwar möglichst allein. Man hat einfach eine Verantwortung für mehr Leute als nur für sich selbst.

Wie hat sich das Flirten im Vergleich zu früher verändert?

Man ist weniger darauf fixiert. Männer sind einfach nicht mehr so wichtig. Eigentlich ist Flirten sogar besser als früher. Du musst nämlich nicht mehr darauf achten, dass ein Mann gute Gene für den Nachwuchs bietet und für die Zeiten der Familiengründung genug Geld verdient. Der Mann muss also kein Anwalt oder Arzt mehr sein, so wie unsere Mütter uns das eingetrichtert haben. Und dadurch ist Flirten viel entspannter. Du suchst nicht mehr nach Männern, die deinem Beuteschema von früher entsprechen. Jeder intelligente Mensch weiß, dass es nicht mehr auf drei Kilo mehr oder ein paar Falten weniger ankommt. Und auch nicht darauf, welches Auto jemand fährt. Dafür stören einen jetzt andere Sachen.

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Welche denn?

Mich stört es, wenn jemand geizig, kleingeistig, kleinkariert oder oberflächlich ist. Früher war ich selbst oberflächlich. Da ging es mir um Vorzeigbarkeit. Darum mache ich mir heute gar keine Sorgen mehr. Heute ist es mir egal, was die anderen denken. Wenn die Gesellschaft nur auf Vorzeigbarkeit nach dem Motto "Dicke Brieftasche trifft Barbie-Maße" achtet, verderben wir uns selbst die ganze Freude an der Liebe.

Flirten ist heute entspannter, sagen Sie. Gibt es aber auch Dinge, die sich negativ daran verändert haben?

Ja, es funkt zum Beispiel unheimlich selten. Denn da ist diese Abgeklärtheit, die ja auch schön ist, weil man nicht dauernd wie ein aufgeregtes Huhn durch die Gegend flattert und alle drei Sekunden aufs Handy schaut, um zu prüfen, ob er sich gemeldet hat. Man denkt ganz fatalistisch nach dem Motto: "Wenn er sich meldet, dann ist es gut. Und wenn nicht, ist es aber auch gut. Es hat dann halt nicht sollen sein." Früher habe ich oft mit großer Sicherheit sagen können, der hat sich sowieso verliebt. Das ist jetzt nicht mehr so. Viele Männer erwarten zudem immer noch ein gewisses Maß an Anpassungsfähigkeit von der Frau. Und wenn man dazu so gar nicht mehr bereit ist, dann wird es schwer, einen neuen Mann zu finden. Darüber hinaus bin ich immer noch eitel. Ich störe mich interessanterweise mehr an der eigenen Unperfektion als an der von anderen. Das kann beim Flirten auch im Weg stehen.

Was war Ihr schlimmstes Erlebnis in Sachen Dating?

Ich habe leider einige No-Gos mit Männern erlebt. Eines der erstaunlichsten Erlebnisse war die Erfahrung mit einem, den ich bei unserem Date zunächst opulent bekocht hatte. Danach waren wir im Kino. Und im Anschluss hat er mich im Auto gefragt, ob ich ihm bitte die zehn Euro für den Eintritt jetzt mal wiedergeben könne. Ich konnte nicht, weil ich keinen Zehner dabeihatte. Da sagte er: "Okay, dann zahlst du beim nächsten Mal eben das Essen." Und ich weiß gar nicht, warum ich so verrückt war und danach noch einmal mit ihm ausgegangen bin. Irgendwie habe ich gedacht: "Na ja, vielleicht war das ja nur ein Versehen." Beim nächsten Date hatte er seinen Geldbeutel nicht dabei, er hatte ihn "vergessen". Und ich musste tatsächlich sein komplettes Essen bezahlen …

In Ihrem Buch beschreiben Sie eine Szene, in der Sie Ihrer Freundin bei einem Mann zwar den Vortritt lassen, aber ihr gegenüber auch ein wenig Groll hegen – denn sie hat keine Kinder und zahlt für den Abend nicht den Babysitter. Wie verändert sich als getrennte Frau der Blick auf die weibliche Konkurrenz?

Es gibt sehr viele Frauen, die total egoistisch sind. Sie merken gar nicht, was sie für einen Vorteil auf dem Partnerschaftsmarkt den Müttern gegenüber haben. Sie sind ohne Anhang, sie haben im Zweifel mehr Geld. Sie haben einen Job, können nicht nur Teilzeit arbeiten. Irgendjemand hat mal geschrieben, dass eine getrennte Mutter auf einer Datingskala nur noch maximal 7 von 10 Punkten erreichen kann.

Sollten sich gerade getrennte Frauen stärker gegenseitig unterstützen?

Ich bin grundsätzlich für Solidarität unter Frauen. Aber interessanterweise gelingt das nicht immer. Selbst wenn die Singlemütter befreundet sind, irgendwie neidet die eine der anderen doch auch vieles. Das mit diesem Neid ist so ein Frauending. Aber es wird mit dem Alter viel besser. Gerade, seitdem wir optisch ein paar Federn lassen mussten und nicht mehr alles darum geht, wer hübscher oder schlanker ist.

Am Anfang Ihres Buches stellen Sie die Frage: "Was suchen wir jetzt eigentlich? Jetzt, wo wir festgestellt haben, dass die Männer unserer Träume nicht das sind, was wir uns als Mädchen erhofft haben." Haben Sie auf diese Frage eine Antwort gefunden?

Mir war schon immer egal, ob einer dick oder dünn ist. Ich wollte damals wie heute keinen Freund, der Garfield mit Gaddafi verwechselt. Keinen, der versucht, mir zu erklären, was ich alles besser machen könnte. Vor allem in Sachen Erziehung. Wenn da einer wagt, zu intervenieren, kann er sofort packen. Das hat sich verändert, natürlich weil ich früher keine Kinder hatte. Ansonsten ist Humor damals wie heute mein Maßstab. Damit meine ich nicht, dass ich über seine Witze lache oder er über meine. Sondern, dass man zum Beispiel gemeinsam über unmögliche, absurde Situationen lacht und diese auch als absurd empfindet. Und dass man so eine heimliche Toleranz für den anderen entwickelt, auch wenn der nicht immer ganz korrekt handelt oder alles so macht, wie Leute das eben machen. Und ich finde Sex nach wie vor sehr wichtig. Wenn es im Bett nicht passt, dann passt es an vielen anderen Stellen auch nicht.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Müller.

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