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Lehrermangel: Für angehende Lehrer wird Referendariat zur Hölle


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Ein Pädagoge berichtet
Diesen Job will keiner machen

MeinungEine Kolumne von Bob Blume

Aktualisiert am 14.02.2024Lesedauer: 4 Min.
Lehrerin in NiedersachsenVergrößern des Bildes
Vom Hörsaal ins Klassenzimmer: Viele Referendare fühlen sich schlecht vorbereitet. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa/Symbolbild/dpa)

Das Referendariat wird von vielen jungen Menschen, die Lehrer werden wollen, als Höllentrip erlebt. Es ist Zeit, über Alternativen nachzudenken, sagt t-online-Kolumnist Bob Blume.

Sie sprechen von Erniedrigung, Druck und Überforderung. Nicht wenige brechen das Referendariat ab oder brauchen nach dieser Zeit professionelle Hilfe. Gerade in Zeiten des Lehrermangels kann sich Deutschland ein solches System nicht leisten.

Als ich das Referendariat selbst durchlief, wurde mir eines schnell klar: Hier werden Menschen gebrochen. Vieles von dem, was man erlebte, konnte man sich nicht ausdenken. Das Gefühl der ständigen Irritation und der ständige Druck brachten mich damals dazu, Texte zu verfassen, die ich an die Seminartür hängte. In einem der ersten ging es um die Widersprüchlichkeiten, an denen so viele zerrieben werden.

"Entwickeln Sie Ihre eigene Persönlichkeit, und zwar so, wie wir sie wollen", formulierte ich den Anspruch der Fachleiter. Das sind jene Ausbilder, die die Referendarinnen und Referendare nach vielen Jahren Studium durch eineinhalb Jahre Ausbildung begleiten.

Bob Blume ist Lehrer und Autor.
Bob Blume ist Lehrer und Autor. (Quelle: privat)

Zur Person

Bob Blume ist Lehrer, Blogger und Podcaster. Er schreibt Bücher zur Bildung im 21. Jahrhundert und macht in den sozialen Medien auf Bildungsthemen aufmerksam. In seiner Kolumne für t-online kommentiert er aktuelle Bildungsthemen mit spitzer Feder. Man findet Blume auch auf Twitter und auf Instagram, wo ihm mehr als 100.000 Menschen folgen. Sein Buch "10 Dinge, die ich an der Schule hasse" ist im Handel erhältlich.
Hier geht's zu Blumes Instagram-Auftritt.

Dazu muss man sagen: Ich hatte mit den Fachleitern Glück. Sie waren fachlich top ausgebildet, äußerten ihre Kritik konstruktiv, sodass ich daraus lernen konnte. Als Mitglied des Ausbildungspersonalrats, an den die Referendarinnen und Referendare herantreten können, wenn sie Probleme haben, erlebte ich aber auch haarsträubende Geschichten.

Eine Stunde entscheidet über berufliche Laufbahn

Da wurde einem Referendar-Kollegen nach einer, wie es hieß, im Grunde perfekten Stunde, die Note "ausreichend" gegeben. Der Grund: Er hatte in einer Fremdsprache zwei Betonungsfehler gemacht. Da wurde ein Anspruch von einem externen Gutachter formuliert, den die eigene Fachleitung genau gegenteilig besprochen hatte: Durchgefallen! Da wurde mal erklärt, dass die Stunde zu wenig vorbereitet worden sei. Und dann wieder, dass sie zu genau vorbereitet worden sei. So, wie der Kollege sie im Detail beschrieben habe, sei der Unterrichtsverlauf unrealistisch. Die Beispiele könnten ewig weitergehen. Der Punkt ist: Wenn es schlecht läuft, entscheidet die Note eines Unterrichtsbesuches (oder einer Lehrprobe) über die gesamte weitere Laufbahn.

Ein Video, das ich vor Kurzem auf meinem Instagram-Account gepostet habe, thematisiert das Problem humoristisch: Ein fiktiver Fachleiter erklärt, dass klar sei, dass nach sechs Jahren Studium und eineinhalb Jahren Ausbildung versucht worden sei, guten Unterricht zu machen. Aber in einer Minute habe der Referendar einmal geschielt und an der Tafel sei ein Kommafehler. "Also vielleicht sollten Sie sich einen anderen Job suchen." Das Video wurde eine Million Mal aufgerufen.

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Interessant sind dabei die Kommentare, in denen von eigenen Erfahrungen berichtet wird. Mal bemängelte der Fachleiter, dass der Overheadprojektor einen Gelbstich hatte. Oder er prangerte an, dass im Unterricht gelacht wurde.

Die im Video enthaltene Kritik wurde zum Teil aber auch zurückgewiesen. Für eine Fachleiterin war das Video "Fachleiter-Bashing". Sie erklärte, dass es nicht um einzelne Momente gehe, sondern um die gesamten eineinhalb Jahre Ausbildung. Nicht die subjektive Vorstellung entscheide, sondern die Ausbildungsverordnung. Übrigens: Einige Fachleiterinnen und Fachleiter bestätigen die Kritik oder nehmen sie zum Anlass, darüber ins Gespräch zu kommen.

Die Wahrheit liegt, wie so oft, dazwischen. Aber hinter all den negativen Erfahrungen, die im Referendariat gemacht werden, liegen strukturelle Defizite.

Nur ein Drittel der Arbeitszeit hat mit Unterricht zu tun

Ein Problem: Das Referendariat ist für viele (besonders im gymnasialen Bereich) die erste echte praktische Bewährungsprobe. Zwar gibt es immer mehr Praktika, in denen Lehramtsanwärter in die Schulen kommen, aber Verantwortung für eine Klasse bekommt man erst im Referendariat. Und viele bekommen erst dann eine Vorstellung davon, welche Herausforderung es ist, die Inhalte des Studiums für eine pubertierende Meute aufzubereiten. Dazu kommen Bereiche, die im Lehramtsstudium oft gar nicht existieren: Wie funktioniert Elternarbeit? Wie geht Teamarbeit im Kollegium? Wie lernen Schüler richtig? Wie strukturiert man die eigene Vorbereitung? Wie geht man mit Stress um? Diese Frageliste könnte ewig weitergehen.

Der ehemalige Berliner Staatssekretär für Bildung, Mark Rackles, arbeitete in einer Studie für die Deutsche Telekom Stiftung heraus, dass nur ein Drittel der Arbeitszeit deutscher Lehrer mit dem Unterricht zu tun hat.

Mit anderen Worten: Während ein Großteil der Inhalte, die für Lehrkräfte Alltag sind, im Studium überhaupt keine Rolle spielt, sollen die Referendare diese nebenbei lernen. Dazu sollen sie für die Schülerinnen und Schülern echte Lehrkräfte sein und sich gegenüber Eltern und Kollegen behaupten. Während noch die ersten Gehversuche des Unterrichts erlernt werden, muss der Unterricht schon so perfekt gestaltet sein, dass er zum jeweiligen Fachleiter passt. Und dann wird jener Unterricht, der nur ein Drittel der eigentlichen Tätigkeit ausmacht, als eines der entscheidenden Kriterien dafür genommen, ob sich jemand als Lehrkraft eignet. Wer würde da nicht zerrieben werden? In einem Gespräch mit dem Bildungsjournalisten Armin Himmelrath in dem Podcast "Die Schule brennt" berichtet dieser von einer Recherche, in der Referendare von genau diesen Problemen erzählten.

44 Prozent brechen Studium ab

Dass diese Mängel vorherrschen, ist keine Einzelmeinung eines verbitterten Kolumnisten. Auch die Ständige Wissenschaftliche Kommission forderte in ihrem Gutachten "Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht" eine Veränderung der bestehenden Ausbildungsstrukturen. Vor dem Hintergrund des Lehrkräftemangels ist dies mehr als dringend geboten. Erst im Dezember des vergangenen Jahres analysierte das Bildungsportal "bildung.table", dass 44 Prozent der Studierenden das Lehramtsstudium abbrechen. Und dass zusätzliche Abbrecher im Referendariat, wie jüngst in NRW erhoben wurde, den Lehrermangel zusätzlich verschärfen, liegt auf der Hand.

Wir müssen hoffen, dass der Ruf nach einer Reform der Lehrkräfteausbildung in den Kultusministerien der Länder ankommt. "Da mussten wir alle durch", taugt nicht als Rechtfertigung für ein System, unter dem alle leiden. Und zwar nicht nur die Referendarinnen und Referendare, die natürlich am meisten betroffen sind. Sondern auch jene Ausbilder und Fachleiterinnen, die längst andere Vorstellungen von gelingendem Unterricht haben, in denen Beziehung und Lernen im Mittelpunkt stehen und nicht die Frage danach, ob die Handpuppe, die im Sprachunterricht benutzt wurde, die falsche Hose anhatte. Ja, auch das wurde beanstandet. Man kann es sich nicht ausdenken.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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