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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Forderungen nach Schulfach Wirtschaft Die problematische Ahnungslosigkeit der Deutschen beim Geld
Wirtschaft sollte bundesweit und schulformübergreifend als Unterrichtsfach eingeführt werden. Das regt die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft an. Denn den Deutschen mangelt es an ökonomischer Bildung, wie eine Analyse zeigt.
Wirtschaft sollte bundesweit als Unterrichtsfach an Schulen eingeführt werden. Das fordert die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Wer ökonomisch gebildet ist, treffe bessere Sparentscheidungen, verschulde sich seltener und kümmere sich häufiger um eine eigene Altersvorsorge. Darüber hinaus helfe dieses Wissen Schülern bei der Berufsorientierung. Das geht aus dem Schwerpunktkapitel des diesjährigen INSM-Bildungsmonitors hervor. Die Analyse liegt t-online.de exklusiv vor.
Für den Report haben Wissenschaftler des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) verschiedene Studien und eigene Umfragen zur ökonomischen Bildung ausgewertet. Gegenwärtig hänge es demnach sehr stark vom familiären Hintergrund ab, wie erfolgreich eine Person finanzielle Entscheidungen trifft und ob ihr der Übergang von Schule zu Ausbildung und Beruf gelingt. Das Fach Wirtschaft im Schulunterricht könnte einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit leisten.
Den Deutschen mangelt es an finanziellem Wissen
Die Analyse macht auch deutlich: Nicht nur Schülern, auch Erwachsenen fehlt es oft an ökonomischer Bildung. Im Vergleich mit den anderen G20-Ländern belegt Deutschland bei der ökonomischen Bildung nur das Mittelfeld. Finanzielle Fragestellungen aus dem Alltag können dementsprechend eine Herausforderung sein.
Leseraufruf: Gibt es Inhalte, die Sie bei sich oder Ihren Kindern in der Schule vermisst haben? Welche Fächer müssten Ihrer Meinung nach auf dem Lehrplan stehen? Warum sehen Sie diese als wichtig an? Schicken Sie uns gerne eine Mail an leseraufruf@t-online.de oder schreiben Sie uns im Kommentarbereich unter diesem Artikel. Wir werden eine Auswahl der Beiträge mit Nennung des Namens veröffentlichen.
Eine für die Analyse herangezogene Studie zeigte etwa, dass ein Viertel der Deutschen bei einem Einkauf mehrerer Produkte das Wechselgeld nicht korrekt berechnen kann. Und auch beim Beantworten von Fragen zu Zinseszins, Inflation und Risikodiversifikation haben die Deutschen leichte Probleme. Vor allem das letztere Thema bereitet vielen Befragten (40 Prozent) Schwierigkeiten. Das macht eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der INSM deutlich.
Gleichzeitig wurde sichtbar, dass Männer Fragen zum finanziellen Wissen häufiger richtig beantworteten als Frauen. Gleiches galt für Menschen mit einem hohen Schulabschluss im Vergleich zu Menschen mit einem niedrigen Schulabschluss. Darüber hinaus gaben Menschen aus Westdeutschland häufiger die richtige Antwort als Menschen aus Ostdeutschland. Die Initiative empfiehlt dementsprechend, Wirtschaft in allen Schulformen und bundesweit zu lehren.
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Ökonomisches Wissen kann Schülern bei der Berufswahl helfen
Neben der Vermittlung von finanziellem Wissen für den Alltag, sollte auch die Berufsorientierung Teil des Faches Wirtschaft sein, so die INSM. Bisher spielt die schulische Berufsvorbereitung einer Civey-Umfrage zufolge eine untergeordnete Rolle für die Berufswahl: Für unter 8 Prozent der Deutschen war diese die wichtigste Informationsquelle, für knapp 3 Prozent waren Ratschläge von Lehrern eine Hilfe. Für einen Großteil hingegen hatten Erfahrungen in Praktika und Nebenjobs (22,7 Prozent) sowie Ratschläge von Eltern und anderen Verwandten (17,7 Prozent) den größten Einfluss.
In der deutschen Bevölkerung findet eine Einführung des Schulfachs Wirtschaft ebenfalls Anklang. 76 Prozent der Erwachsenen sind der Meinung, dass Schülern nicht ausreichend beigebracht wird, wie man richtig mit Geld umgeht. Etwa jeder zweite Erwachsene hätte in der Schule gerne selbst mehr über den Umgang mit Geld gelernt. Auch das geht aus der Civey-Umfrage hervor.
Ein Bundesland hat das Fach Wirtschaft schon auf dem Stundenplan
"Wer wirtschaftliche Zusammenhänge versteht, trifft bessere Entscheidungen für Ausbildung, Beruf und Altersvorsorge. Ein Schulfach Wirtschaft sollte daher in allen Bundesländern auf dem Stundenplan stehen", sagt INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr. Vorreiter sei Baden-Württemberg, wo es seit dem Schuljahr 2016/2017 das Schulfach Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung als eigenständiges Fach schulformübergreifend gibt. In Nordrhein-Westfalen ist die Einführung des Fachs Wirtschaft-Politik beziehungsweise Wirtschaft und Arbeitswelt für das kommende Schuljahr geplant. In einigen anderen Bundesländern, etwa in Bayern und Thüringen, gibt es an manchen Schulformen ähnliche Mischfächer.
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Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft wurde 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründet. Einmal im Jahr veröffentlicht sie einen Bildungsmonitor, der zeigt, inwieweit die Bildungssysteme der einzelnen Bundesländer jeweils zum Wachstum und Wohlstand der Wirtschaft beitragen.
- INSM-Bildungsmonitor 2019: Schwerpunktthema "Ökonomische Bildung"