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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gastronomie-Kritiker Jörg Zipprick Diese Messer braucht der Mann
Stahl oder Keramik? Griffe aus Holz, Edelstahl oder Plastik? Wer ein Küchenmesser sucht, hat die Qual der Wahl. Gastronomie-Kritiker Jörg Zipprick hat Spitzenköche gefragt, welche Messer sie wirklich nutzen.
Silbern schimmernd stecken sie in hölzernen Blöcken. Einigen wirken wie Krummschwerter, andere wie Dolche, wieder andere scheinen zur Samurai-Standardausrüstung zu zählen. Tatsächlich sind es Küchenmesser. Wer in Fachgeschäften oder Warenhäusern die Messer betrachtet, kann schnell den Eindruck bekommen, Kochen sei eine Geheimwissenschaft, bei der jeder Handgriff nur mit dem richtigen Utensil gelingt. Damaszener und Japan-Messer
Da gibt es sündhaft teure Messer aus Japan oder Klingen aus Damaszener Stahl, das heißt, dass der feine Stahl mehrfach gefaltet wurde – eine Tradition, die in Damaskus entstand. Oder auch Keramik und natürlich Messer mit den Namen prominenter Köche. Die scharfe Palette reicht vom "Sarah Wiener"-Messer der Manufaktur Pott ("von Hand geschmiedet", "90 Arbeitsschritte") bis zum Nesmuk-Messer aus der Sonderedition Eckart Witzigmann ("Klinge aus patentiertem rostfreiem Hochleistungsstahl mit Niobanteil"). >>
Doch braucht man die wirklich alle? Wir haben uns bei Spitzenköchen umgehört. Und siehe da: In Profiküchen werden mitunter gerade mal vier bis fünf Messer genutzt.
"Ich besitze rund 50 verschiedene Messer aus allen Ländern - von Deutschland bis Japan. Zu Hause habe ich sogar ein handgeschmiedetes Messer, das für mich gemacht wurde," sagt Claus-Peter Lumpp vom "Hotel Bareiss" in Baiersbronn, einem der besten Restaurants Deutschlands. Im Gespräch mit wanted.de fährt er fort: "Nur: Unter all diesen wunderbaren Stücken habe ich vier Lieblingsmesser, mit denen ich die ganze Zeit arbeite. Sie sind wie ein guter Freund, dem ich vertrauen kann. Ich kaufe immer noch neue Messer, doch ich arbeite mit meinen Favoriten."
Christophe Saintagne, Küchenchef im "Alain Ducasse" im Pariser Hotel Le Meurice nennt uns ganz kategorisch seine Favoriten: "Für Europas Küche braucht man fünf Messer: Das "couteau d’office" zum Schälen von Gemüse mit dicker Haut und kleine Schnitte. Das "Filet de sole" zum Filetieren von Fisch und für feine Schnitte. >>
Den Eminceur zum Schneiden und Hacken von Gemüse. Den "tranche lard" zum Schneiden von Fleisch und Schinken. Und den "Econome" zum Schälen von Gemüse mit dünner Haut." Die Namen stammen aus der traditionellen französischen Küche, wo sie für klar definierte Messertypen stehen.
Während das "filet de sole” mit Fischfiletiermesser, ebenso wie das Fleischmesser "tranche lard" (wörtlich etwa: Speckschneider) noch korrekt übersetzt sind, wird das "couteau d’office" im deutschen Fachhandel abwechselnd Spickmesser, Gemüsemesser oder gar zum leicht missverständlichen "Officemesser". Das steht in diesem Fall eben nicht für das Englische "Office" (= Büro) sondern für den französischen Namen – office gleich Amt oder Anrichteraum. Zu dieser Minimalausstattung zählen viele Profis auch ein Tranchiermesser mit 25 bis 30 cm Klingenlänge für große Fische und Fleischstücke sowie den désosseur, das Ausbeinmesser.
Gute Messer sind unverwüstlich, jedoch nicht billig. Wer sich die besseren Qualitäten nicht leisten kann, sollte je nach Füllstand des Gelbeutels ab und an ein Profimesser erwerben und seine Sammlung über die Jahre vervollständigen: Ein japanisches Küchenmesser mit 24 cm Klinge aus 65 Schichten Damaszenerstahl kostet 220 Euro oder weit mehr. Ein deutsches Gemüsemesser in Profiqualität ist schon für neun Euro zu haben. Viele Köche besitzen Reisetaschen für ihre Messer. Solche Komplettsets kosten zwischen 30 Euro (fünf Messer) und gut 1700 Euro für ein "Chef’s attache case" mit 25 Messern.
"Es ist besser, weniger Messer zu besitzen, und zum Ausgleich in beste Qualität zu investieren", sagt Michel Lorain vom Spitzenrestaurant La Côte Saint Jacques im Burgund. "Ein gutes Messer ist teuer, hält aber ein Leben lang, wenn es richtig gepflegt wird! Ich liebe japanische Messer. Die sind sehr kostspielig, aber die Qualität des Stahls ist außergewöhnlich." Tatsächlich wird auf dem Nippon extrem harter Stahl verwendet, somit lässt sich das Messer spitzer zuschleifen; auch wird länger geschmiedet. Die Zusammensetzung ist geheim, vor allem der Ort Seki gilt als Hochburg. >>
Lorain sieht in solchen Premium-Messern nicht nur eine Arbeitserleichterung. Sie stehen für Sicherheit am Arbeitsplatz: "Ein Messer ist potenziell gefährlich. Die schlimmsten Verletzungen ziehen wir Köche uns mit schlecht geschliffenen Messern mieser Qualität zu." Also: Teurer ist besser.
Hersteller gibt es viele: Wüsthof, Güde, Böker oder Zwilling in Deutschland; Martinez & Gascon oder Arcos in Spanien; Kai, Miyabi, Tojiro, Tamahagane in Japan; Victorinox in der Schweiz; Sabatier oder Au Nain in Frankreich. Doch statt für futuristisch-verwegenes Design, exotische Farben oder schön gemaserte Holzgriffe interessieren sich Profis für Haltbarkeit, Klingenlänge und -breite.
Die Größe des Schnittobjekts bestimmt das Messer
"Jedes Messer hat seine Funktion", erklärt Alain Pégouret vom Pariser Toprestaurant Laurent nahe der Champs-Elysées. Unterschiedliche Breiten, Längen, Klingen werden nach verschiedenen Verwendungen gewählt. "Nehmen wir mal an, wir wollen eine Karotten fein würfeln. "Bunoise" heißt das unter Köchen. Dann nehmen wir ein Messer von der Größe der Karotte und nutzen den Eminceur. Der kann durchaus eine längere Klinge haben. Für einen großen Lachs braucht es ein langes Fischfiliermesser. Mit dem Ausbeinmesser ist es genau so: Für ein Rinderfilet wird eine lange, starre Klinge benötigt."
Pégouret selbst nutzt feine, dünne Klingen der japanischen Messer. "Dicke Klingen produzieren schlampige Schnitte." Für Präzision sorgen seine Victorinox-Messer. "Wichtig ist auch der Griff" erklärt der Spitzenkoch "Er darf nicht zu leicht sein, damit das Messer gut in der Hand liegt. "Metall oder Holz sind in der Regel eine gute Wahl."
In einem Punkt sind sich die Köche einig: Ein guter Handwerker benutzt keine schlechten Werkzeuge. Auch zu Hause kann Mann gerne darauf verzichten. Keramik verwendet übrigens kein Spitzenkoch: Die Klinge ist zu spröde und kann brechen. Eine kurze Übersicht über alle Messer, die Sie brauchen, finden Sie in unserer Foto-Show.