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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Riech- und Schmeckforschung Kann man seinen Geschmackssinn trainieren?
Ob Oliven oder Lakritz: Manche Lebensmittel lösen bei vielen Leuten Ekel statt Appetit aus. Was dahintersteckt und wie Sie Ihren Geschmack verändern können.
Die einen mögen es lieber süß, die anderen haben eine Vorliebe für bittere Noten: Die Geschmäcker sind eben verschieden. Doch kann man seinen Geschmackssinn auch trainieren? Sei es für eine gesündere Ernährung oder um endlich zu den Rotweintrinkern zu gehören – wie wird man eine Abneigung los?
Was ist überhaupt Geschmack?
Das, was wir unter Schmecken verstehen, passiert im Mundbereich – genauer gesagt auf der Zunge. Durch die darauf gelegenen Geschmackszellen können wir "sauer", "süß", "bitter", "salzig" und "umami" schmecken.
Wie schmeckt "umami"?
Umami ist japanisch und heißt auf Deutsch so viel wie "köstlich". Der Geschmack wird oft als "würzig", "rauchig" oder "fleischig" beschrieben. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Im Volksmund spricht man allerdings häufig bei allen möglichen Aromen von Geschmack – dabei geht es auch um den Geruchssinn. Denn die komplexen Aromen, die wir beim Essen und Trinken wahrnehmen, setzen sich nicht nur aus den fünf Geschmacksempfindungen zusammen, sondern werden mithilfe des Geruchssinns verfeinert. Das beginnt schon, bevor man überhaupt etwas im Mund hat – etwa der angenehme Kaffeeduft oder der würzige Knoblauchgeruch.
Sobald der Bissen oder das Getränk im Mund landet, gelangen die Gerüche über den Rachen in die Nase und werden dort wahrgenommen. Zusammen mit der Geschmacksempfindung im Mund wird daraus ein Aroma.
"Wenn Sie Kaffee trinken, dann schmeckt der Kaffee bitter, aber er riecht nach Kaffee. Und das Ganze zusammen ergibt dann dieses wundervolle Kaffee-Erlebnis.", erklärt Prof. Dr. med. Thomas Hummel, Leiter des interdisziplinären Zentrums für Riechen und Schmecken an der Universitätsklinik Dresden.
Die Entwicklung unseres Geschmacks
Unser Geschmackssinn ist laut Hummel zu einem Teil genetisch bedingt. Das betrifft etwa die Anzahl der Geschmackszellen auf der Zunge, die individuell variieren können.
Außerdem beinhalten die unterschiedlichen Geschmacksempfindungen eine Information für unser Gehirn. "Bitterer Geschmack hat oft etwas mit Toxizität zu tun, während Süß in der Regel etwas mit Nahrhaftigkeit, also mit hohem Kaloriengehalt, zu tun hat. Das ist ja das, was wir eigentlich so gerne möchten", erklärt Hummel. Neugeborene und kleine Kinder haben deshalb meist eine größere Abneigung gegen einen bitteren Geschmack.
Im Laufe des Erwachsenwerdens verändert sich dann die Geschmackswahrnehmung – genauer gesagt die Empfindlichkeit gegenüber den Geschmacksqualitäten. Häufig entwickelt man erst im frühen Erwachsenenalter eine Vorliebe für Kaffee oder Wein. Das liegt Hummel zufolge daran, dass wir uns an den Bittergeschmack langsam gewöhnen.
Präferenzen werden schon im Mutterleib geprägt
Beim Riechen gibt es dagegen nur einen geringen Teil, der angeboren ist, der größere Teil ist gelernt, erklärt der Experte. Das betrifft auch unsere individuellen Präferenzen für bestimmte Speisen und Gerüche.
Wer also in der Kindheit viel verschiedenes Gemüse zu essen bekommt, ist später weniger mäkelig? "Das hat damit zu tun, wie Sie aufgewachsen sind, welchen Gerüchen Sie exponiert waren, als Kind oder als Jugendlicher. Auch im Mutterleib haben Sie schon eine Riechwahrnehmung von vielen Dingen, je nachdem, was unsere Mütter essen und trinken. Da werden ganz früh schon Präferenzen geprägt."
So kann man Geruch- und Geschmackssinn verändern
Ist man erwachsen, festigen sich die Vorlieben, weil man auf Speisen und Aromen, die einem in der Vergangenheit weniger gut geschmeckt haben, fortan eher verzichtet. Dabei kann man schlechte Erfahrungen oder Abneigungen durch Gewöhnung und neue, positive Erfahrungen auch überschreiben, erklärt der Riech- und Schmeckforscher.
Ein Beispiel: "Wenn Sie etwa in ein anderes Land gehen, zum Beispiel nach China, dann schmeckt das Essen erst einmal ganz anders. Am Anfang finden Sie das vielleicht ein wenig komisch und nicht unbedingt gut. Aber nach einer Weile gefällt es Ihnen, weil Sie dort leben und mit Freunden, mit Arbeitskollegen gemeinsam essen gehen, immer mehr. So erwerben Sie dann eine Präferenz. Dabei geht es auch um die Erinnerungen, die Sie damit verknüpfen."
Auch an Koriander kann man sich gewöhnen
Zu den am meisten umstrittenen Gerüchen und Geschmäckern zählt das Korianderkraut. Für die einen schmeckt es pfeffrig-würzig, für die anderen wie pure Seife. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass diese Unterschiede auf genetische Varianten der Geruchsrezeptoren zurückzuführen sind. Weitere Untersuchungen zeigten, dass kulturelle Einflüsse und ethnische Abstammung eine größere Rolle bei der Koriander-Präferenz spielen.
- Mehr dazu erfahren Sie hier: Warum schmeckt manchen Koriander nicht?
Für viele Menschen schwer zu glauben, aber auch den Koriandergeruch und -geschmack kann man lieben oder zumindest tolerieren lernen – wenn man es nur oft genug probiert.
Wer beim Fachsimpeln über Weinaromen also nicht außen vor sein oder authentische vietnamesische Gerichte endlich auch mit Koriander genießen will, könnte versuchen, sich langsam an den Geschmack beziehungsweise Geruch zu gewöhnen. Vielleicht verbinden Sie die Geschmackserfahrung zusätzlich mit schönen Erlebnissen. Dass daraus am Ende wirklich eine Vorliebe entsteht, ist natürlich nicht garantiert.
Geschmacksexplosion durch Verzicht
Um einen Geschmack intensiver zu erleben, können Sie übrigens auch für eine Weile darauf verzichten, wie Hummel erklärt. "Essen Sie zum Beispiel für eine Zeit nichts Süßes, wird Ihre Empfindlichkeit dafür deutlich erhöht. Dann ist die Süßspeise, die Sie zu sich nehmen, eine Süßexplosion." Dieser Effekt ist allerdings nur von kurzer Dauer. Die zweite Süßspeise schmeckt dann in der Regel wieder fast normal.
- Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Hummel vom Universitätsklinikum Dresden
- spektrum.de: "Geschmackssinn"
- aok.de: "Umami – die fünfte Geschmacksrichtung"
- flavourjournal.biomedcentral.com: "A genetic variant near olfactory receptor genes influences cilantro preference" (Englisch)
- flavourjournal.biomedcentral.com: "Prevalence of cilantro (Coriandrum sativum) disliking among different ethnocultural groups" (Englisch)