Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kolumne "Lust, Laster und Liebe" Die Hoden: Das Zweitbeste des Mannes?
Nein, Hoden zählen nicht zu den Dingen, um die ich Männer beneide. Woran das liegt? An den Männern selbst – und der Dreiecksbeziehung, die wir führen. Dabei könnten wir so viel Spaß haben.
Hoden sind wahrlich nicht das ästhetischste Körperteil eines Mannes. Sie sehen entweder aus wie Rosinen, Avocados oder kleine Kiwis – je nachdem, in welchem Zustand sie sich gerade befinden und wie der Träger mit ihnen umgeht. Und, wenn ich so darüber nachdenke, sind die kleinen Ergänzungen zum Penis echte Mimosen – oder gar Diven: Sie brauchen immer die richtige Temperatur. Sie mögen es nicht, gequetscht zu werden. Wollen es lieber zart und nur in bestimmten Fällen hart ("Genital Spanking"). Einige wollen auch ausschließlich von ihrem Träger berührt werden. Nicht ignoriert werden sollte auch das Bedürfnis, beim Sex immer die vollkommene Befriedigung zu erfahren: Denn bleibt beim Mann der Orgasmus aus, machen sie ein richtiges Drama daraus, laufen blau an oder verursachen starke Schmerzen (Kavaliersschmerzen). Kurzum, das Leben mit Hoden klingt richtig anstrengend.
Von "Perlen" und "Bunkern"
Trotz all dieser – schwierigen und komplizierten – Eigenarten, sind Männer ganz vernarrt in ihren Hodensack. So nennen sie ihr Anhängsel liebevoll "Familienjuwelen" beziehungsweise "Kronjuwelen" oder "Perlen der Freude" – ja sogar "Samenbunker". Männer gehen sogar so weit, ihre Männlichkeit von ihren Testikeln festzumachen: Wer verweichlicht oder empfindlich ist, wird mit Sätzen wie "Lass dir Eier wachsen" oder "Wo sind deine Eier?" beschimpft. In diesem Kontext wundert es mich nicht, dass sich einige Männer sogar Silikonhoden einsetzen lassen, um den Anschein zu wahren, in jeglicher Hinsicht ausreichend ausgestattet und potent zu sein.
Wir wollen doch nur spielen
Doch auch wir Frauen können von Hoden fasziniert sein – und stellen uns nicht selten Fragen wie: Warum liebt ihr eure Kronjuwelen trotz ihrer anstrengenden Eigenschaften so? Stören sie euch nicht im Alltag (Gehen, Liegen, Sitzen)? Und: Wie schafft ihr es, nicht die ganze Zeit daran rumzuspielen? Letzteres fragen sich allerdings wohl auch viele Männer bei weiblichen Brüsten.
Beziehungsstatus: "Es ist kompliziert"
Ja, auch ich habe schon das eine oder andere Mal beim Anblick von Hoden an die chinesischen Qi-Gong-Kugeln oder das Newton-Pendel (Kugelstoßpendel) gedacht. Aber: Wir Frauen lassen euch – zumindest fast immer – auch mit unseren Brüsten spielen. Ihr dürft unsere Brüste streicheln, küssen, kneten, sie zum Wackeln bringen und was weiß ich nicht noch. Ihr habt also die Chance, in den Genuss des Ausprobierens und Rumspielens zu kommen und so zumindest ansatzweise einige eurer Fragen selbst zu beantworten.
Doch bei euren Hoden macht ihr nicht selten einen riesigen Rückzieher. Wenn jemand auch nur in die Nähe eurer Kronjuwelen kommt, gehen teilweise eure Alarmglocken los. Es könnte ja etwas kaputt gehen. Und genau deswegen sind die Hoden für einige von uns Frauen eher eine Hass-Liebe oder mit dem Beziehungsstatus "Es ist kompliziert" gleichzusetzen.
Liebe Männer, vertraut uns Frauen bei eurem zweitbesten Stück wie bei eurem besten. Wir haben verstanden, dass sie sehr empfindlich sind und handeln entsprechend zaghaft. Vielleicht können wir dann eher nachvollziehen, weshalb sie für euch die "Perlen der Freude" bedeuten. Und geteilte Freude ist doch auch doppelte Freude.
Jennifer Buchholz, Redakteurin bei t-online, schreibt in ihrer Kolumne "Lust, Laster, Liebe" über Liebe, Partnerschaft und Sex.