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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Für 29 Euro nach Mallorca? Mit welchen Parteien wird der Flug in den Urlaub teurer?
Der Flug in den Urlaub – für möglichst wenig Geld – gehört für viele einfach dazu. Doch daran wollen einige Parteien nach der Wahl etwas ändern, dem Klima zu Liebe. Andere hingegen träumen schon von Flugtaxis.
Für 29 Euro nach Mallorca? Bald nicht mehr, geht es nach Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Das sagte sie im Mai, als in Deutschland eine Debatte zwischen jenen Politikern entbrannte, die inzwischen als Kanzlerkandidaten ihrer Parteien feststehen: Olaf Scholz, SPD, erklärte bei ProSieben als Erster, er wolle gegen Billigflüge vorgehen und die Preise nach unten begrenzen. Wenige Tage später schoss Baerbock im Interview mit der "Bild am Sonntag" mit ihrer Aussage zu den Mallorca-Billigangeboten in eine ähnliche Richtung.
Scharfe Kritik kam dagegen von CDU-Kandidat Armin Laschet: Es handele sich um eine "typisch grüne Idee", die SPD verabschiede sich mit "solchen populistischen Forderungen" von den normalen Menschen.
Doch wie viel ist davon einige Monate später tatsächlich in die Wahlprogramme der jeweiligen Parteien geflossen? Ein Überblick der Standpunkte der sechs Bundestagsparteien.
SPD: Günstig, aber keine Dumpingpreise
Die Sozialdemokraten wollen innerhalb Europas das Bahnfahren attraktiver machen als Flugreisen. Der Luftverkehr soll durch die Förderung von Wasserstofftechnologien CO2-armer werden. Von Olaf Scholz' Forderungen aus dem Mai, Flüge dürften nicht billiger sein als die Gebühren, die für ihn anfallen, ist im Wahlprogramm nichts mehr zu lesen. Damals hatte er vorgerechnet, "dass es sicherlich keinen (Flug) geben wird, der unter 50, 60 Euro sein wird".
Ein wenig konkreter wird die Partei in den Statements, die sie gegenüber der Bundeszentrale für politische Bildung für deren Angebot "Wahl-O-Mat" abgegeben hat. Zu der These "Der Flugverkehr soll höher besteuert werden" äußerte sich die SPD zustimmend. Es solle auch weiterhin günstige Flüge geben, "aber keine Dumpingangebote".
Fazit: Höhere Steuern und eine Begrenzung der Billigpreise sind mit der SPD wahrscheinlich – die Flugpreise würden also steigen.
- Wahl-O-Mat: Welche Partei passt zu Ihnen?
Bündnis 90/Die Grüne: Klimaneutralität als das Maß der Dinge
Annalena Baerbock hatte bereits im Mai ihre Aussage relativieren müssen: Jeder könne Urlaub machen, wo er wolle. Eine klimagerechte Besteuerung würde 29-Euro-Angebote jedoch stoppen. Von solchen Billigpreisen würden Familien mit Kindern, die zur Ferienzeit verreisen müssten, ohnehin kaum profitieren.
Im Wahlprogramm der Grünen finden sich nun harte Forderungen: Durch einen höheren CO2-Preis, eine Kerosinsteuer und eine Quote zur Beimischung alternativer Kraftstoffe soll der Umstieg von Kerosin auf erneuerbare Energien schneller vorangetrieben werden. Die staatlichen Subventionen für Flughäfen sollen eingestellt werden, ein weiterer Ausbau der Fluginfrastruktur gestoppt werden. Das Lohndumping im Bereich der Billigflüge müsse beendet werden.
Weiterhin soll der Fluglärm durch weniger und leisere Flugzeuge begrenzt und ein "echtes Nachtflugverbot" durchgesetzt werden. Alle Entwicklungen in der Flugbranche müssten sich am Ziel der Klimaneutralität messen lassen.
Fazit: Höhere Flugpreise wären mit den Grünen wohl sicher.
CDU/CSU: Fokus auf das Positive
Die Christdemokraten wollen den Luftverkehrsstandort Deutschland stärken. Man wolle "zum Technologieführer für das klimaneutrale Fliegen werden", heißt es im Wahlprogramm. Die Partei will Flüge nicht verteuern – die Luftfahrt solle auch bei den Preisen wettbewerbsfähig bleiben. Im Gegenteil: Flüge, die mit klimafreundlicheren Kraftstoffen betrieben werden, sollen von der Luftverkehrssteuer befreit werden.
Insgesamt will die CDU "die positiven Aspekte des Fliegens" wieder mehr betonen. In diesem Zusammenhang ist sogar von der Entwicklung von Flugtaxen die Rede. Billigangebote finden in dem Wahlprogramm keine Erwähnung.
Im Wahlprogramm der CSU kommt der Flugverkehr nicht zur Sprache.
Fazit: Für mehr Klimafreundlichkeit soll die Luftfahrtbranche subventioniert werden. Politische Preiserhöhungen gäbe es mit der Union wahrscheinlich nicht.
FDP: Weniger Steuern für mehr Wettbewerb
Die Freien Demokraten wollen den Luftverkehr nachhaltiger gestalten, aber auch wettbewerbsfähiger. Sie fordern daher in ihrem Wahlprogramm den Abbau von Regularien: Die Luftverkehrssteuer soll abgeschafft und Gebühren überdacht werden. Eine Ausweitung des Nachtflugverbots, wie es die Grünen und Linken fordern, soll verhindert werden. Europäische Metropolen sollen enger verknüpft werden, dazu zählt für die FDP auch der Ausbau der Fluginfrastruktur.
Nachhaltiger werden soll die Luftfahrt nach Streben der Partei vor allem durch den Ausbau der Wasserstofftechnologie. Eine höhere Besteuerung lehnt die FDP ab: Sie leiste "keinen direkten Beitrag zum Klimaschutz". Für die CO2-Beschränkung setze man auf den bestehenden europäischen Emissionshandel, so das Statement für den "Wahl-O-Mat".
Fazit: Höhere Flugpreise gäbe es mit der FDP wohl kaum – durch geringere Steuern könnten die Preise eventuell sogar sinken.
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Die Linke: Zug statt Billigflieger
Die Linke wird konkret: Flüge zu Zielorten, die innerhalb von fünf Stunden mit dem Zug erreichbar wären und nicht weiter als 500 Kilometer entfernt liegen, sollen verboten werden, heißt es im Wahlprogramm. Das soll nicht nur für innerdeutsche Verbindungen gelten, sondern auch für jene in das europäische Ausland. Gibt es für die gleiche Strecke sowohl eine Zug- als auch eine Flugverbindung, müsse der Zug preiswerter sein als der Flieger, so die Partei im "Wahl-O-Mat".
Es soll ein striktes Nachtflugverbot von 22 bis sechs Uhr eingeführt werden, der Ausbau weiterer Flugkapazitäten gestoppt und verlustreiche Regionalflughäfen geschlossen werden. Die Partei fordert eine EU-einheitliche Kerosinsteuer, Flüge aus dem Ausland sollen mit der vollen Mehrwertsteuer besteuert werden. Bisherige Treibstoffe sollen nicht mehr staatlich subventioniert werden, der Flugverkehr soll auf Wasserstoff umsteigen. Entsprechende Kraftstoffe sollen mit Ökostrom produziert werden. Zudem soll der Lärmschutz verstärkt werden.
Den "sozialen und ökologischen Dumpingwettbewerb" wollen die Linken beenden – damit gemeint sind auch Billigangebote.
Fazit: Billigangebote würde es mit den Linken voraussichtlich nicht mehr geben, die Flugpreise würden steigen.
AfD: Ausbau der Luftfahrtbranche
Die AfD spricht in ihrem Wahlprogramm von einer "unwissenschaftlichen Klima-Hysterie", der der Flugverkehr nicht "geopfert werden" dürfe. Die Branche soll im Gegenteil weiter wachsen, wobei auch bisher weniger frequentierte Flughäfen miteinbezogen werden sollen. Die Partei will die Luftverkehrssteuer abschaffen und ist gegen die Ziele der EU zur Verringerung des CO2-Ausstoßes.
Fazit: Der deutsche Flugverkehr soll nach Bestreben der AfD gestärkt werden – höhere Preise sind nicht vorgesehen. Durch eine Abschaffung der Luftverkehrssteuer könnten die Preise sogar sinken.
Worum geht es überhaupt in der Debatte?
Im letzten Vor-Pandemiejahr 2019 war die Luftfahrtbranche für 38 Milliarden Tonnen CO2-Ausstoß weltweit verantwortlich – ein Anteil von 2,5 Prozent an den Gesamtemissionen. Daneben entstehen beim Fliegen auch andere Schadstoffe wie Schwefel- oder Stickoxide, die ebenfalls klimaschädlich sind.
Die EU plant daher eine Energiesteuer auf Kerosin, die ab 2023 schrittweise eingeführt werden soll – vorausgesetzt, die Mitgliedstaaten stimmen zu. "Der volle Steuersatz würde erst 2033 zu zahlen sein", erklärte Wolfgang Bretschneider, Umweltökonom beim Umweltbundesamt (UBA), kürzlich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Auch sei bislang unklar, ob eine Kerosinsteuer überhaupt zu teureren Flugtickets führen würde. "Man kann nicht sagen: Eine innereuropäische Kerosinsteuer wird eins zu eins an die Endverbraucher oder an die Passagiere weitergegeben", so Bretschneider. Er sieht aber dennoch "positive Klimaschutzwirkungen". Die Airlines erhielten durch eine solche Steuer "ökonomische Anreize, den Treibstoffverbrauch zu senken".
Aktivisten und Klimaforscher fordern darüber hinaus seit langem, den Flugverkehr deutlich einzuschränken und staatliche Subventionen zu streichen. Gleichzeitig geht der Trend jedoch weiterhin zum billigsten Angebot.
- Eigene Recherche
- Bundeszentrale für politische Bildung: "Wahl-O-Mat"
- SPD: "Das Zukunftsprogramm"
- Bündnis 90/Die Grüne: "Deutschland. Alles ist drin"
- CDU: "Das Programm für Stabilität und Erneuerung"
- CSU: "Das CSU-Programm"
- FDP: "Nie gab es mehr zu tun"
- Die Linke: "Zeit zu handeln!"
- AfD: "Deutschland. Aber normal"
- Nachrichtenagentur dpa