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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Obwohl es weniger Flüge gibt Immer mehr Passagiere rasten im Flugzeug aus
Obwohl derzeit weniger Menschen fliegen, steigt die Anzahl der Vorfälle an Bord. Was Behörden und Verbände beunruhigt: Immer mehr Randalierer werden gewalttätig. Woran liegt das?
Das ist wirklich paradox: Während die Airlines derzeit nur halb so viele Flüge wie vor der Pandemie absolvieren, vervielfacht sich die Zahl der randalierenden Passagiere.
Jüngsten Zahlen der US-Luftfahrtbehörde FAA zufolge werden in einem Normaljahr in den Vereinigten Staaten rund 100 bis 150 Fälle von "Unruly Passengers" näher untersucht und – falls nötig – strafrechtlich verfolgt. Doch allein bis Mai dieses Jahres kam es zu 395 solcher justiziabler Fälle von Raserei an Bord.
Über 2.400 Fälle mit Maskenverweigerern
Der Grund für den rasanten Anstieg von Randalen in der Luft ist schnell gefunden: So wurden der FAA allein bis Ende Juni dieses Jahres 3.271 Vorfälle – von einfacher verbaler Beleidigung bis hin zum tätlichen Angriff auf Personen – gemeldet. Davon ließen sich 2.475 Fälle auf Auseinandersetzungen mit Maskenverweigerern zurückführen. Die Spaltung der Gesellschaft ist also auch im Flugzeug angekommen.
Was aber nicht nur die US-Behörden beunruhigt, sondern auch die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (Easa), ist die Gewaltzunahme der enthemmten Fluggäste. So berichtet die Easa, dass mittlerweile in 70 Prozent aller Konflikte physische Gewalt angewendet wird. Schon 2020 haben Delta, United Airlines und Alaska Airlines deswegen 900 Passagieren Flugverbot erteilt. Zudem hat die FAA seit Anfang 2021 rund 700.000 US-Dollar an Geldstrafen gegen Schläger verhängt.
Angriffe auf Crew und andere Passagiere
Eines der krassesten Vorkommnisse war ein alkoholisierter Fluggast der Frontier Airlines am 27. Dezember 2020, der sich trotz mehrmaliger Aufforderungen keine Maske aufsetzte. Zuerst griff der Mann die Crew und den Sitznachbarn an. Unverändert schimpfend wurde er in eine andere Reihe versetzt. Doch bevor er den Sitz wechselte, verpasste er seinem Nachbarn einen Schlag auf den Kopf. Er wurde nach der Landung von der Polizei abgeführt und erhielt eine Geldbuße von 21.500 US-Dollar.
18.500 US-Dollar Strafe musste eine Passagierin der Republic Airlines bezahlen. Sie war am 19. Februar dieses Jahres mit einer lauten feierwütigen Reisegruppe unterwegs und ignorierte Anschnall- und Maskenpflicht. Noch während der Flieger auf der Rollbahn war, begann sie einen Streit mit der Nachbarin auf dem Vordersitz wegen der Fensterverdunkelung. Das Flugzeug kehrte zum Gate zurück. Als die Randaliererin den Jet verlassen musste, tat sie das nicht, ohne der Frau vor ihr, einer Mutter mit Kleinkind auf dem Schoß, einen Faustschlag auf den Hinterkopf zu versetzen.
Regeln für einheitliches Vorgehen fehlen
Die rasante Zunahme von Vorfällen von Fluggästen mit kurzer Lunte bestätigte auch der Internationale Luftverkehrsverband (Iata) zum Welttag des Kabinenpersonals am 31. Mai, als er schrieb, dass diese Zeiten nicht immer das Beste aus uns herausholen würden. Die Iata verfolgt bei dem Thema "Unruly Passengers" zusammen mit den Luftfahrt- und Sicherheitsbehörden eine strikte Null-Toleranz-Politik und kritisiert, dass immer noch nicht alle Staaten das Montreal-Protokoll von 2014 ratifiziert haben, das eine weltweit einheitliche Verfolgung von derlei Fällen ermöglichen würde.
Dabei konnte sich die Luftfahrtbranche vor Corona über erste Anzeichen einer Besserung freuen, und das bei schnell steigenden Passagierzahlen. Seit 2015 mit dem Negativrekord von weltweit 10.854 Fällen von sogenannter Air Rage bei 3,5 Milliarden Passagieren war die Zahl der Randalierer in kleinen Schritten zurückgegangen. Als 2017 erstmals über vier Milliarden Menschen (genau 4,1 Mrd.) flogen, wurden nur 8.731 Ereignisse verzeichnet.
- Reiseredaktion SRT