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Das sollte jede Frau einmal im Leben gemacht haben


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Kolumne "Lust, Laster und Liebe"
Das sollte jede Frau einmal im Leben gemacht haben

  • T-Online
MeinungEine Kolumne von Jennifer Buchholz

14.04.2021Lesedauer: 4 Min.
GeheimnisVergrößern des Bildes
Geheimnis: Es gibt etwas, das wir am besten für uns behalten, damit es seine Besonderheit nicht verliert. (Quelle: MilosBataveljic/getty-images-bilder)

Nackt vor einem Fremden ausziehen, der weder mit ihnen schlafen noch ihnen dafür Geld geben möchte? Ja, das machen einige Frauen – obwohl sie nicht exhibitionistisch veranlagt sind.

Mein erstes Mal hatte ich mit 18. Es fand in einem kleinen, gemütlichen Hinterzimmer statt. Für ein Aktshooting ideal. Mitten in dem schwach beleuchteten Raum stand ich da – in meinen Lieblingsdessous, meine Schultern bedeckt von einem Stück Tüll. Meine Arme verschränkte ich fest vor meiner Brust und hielt mit den Händen krampfhaft die Zipfel des Tuches fest, damit es bloß nicht herunterfiel – als ob ich ohne es wesentlich entblößter gewesen wäre. Wie war ich nur in all das hineingeraten?

Auf dem Weg zur Schule war ich an einem Fotoatelier vorbeigekommen. Im Schaufenster hingen drei Fotos im Großformat: Ein Hochzeitspärchen, ein Baby und eine halbnackte Frau. Alle drei Bilder hatten eine starke Anziehungskraft. Doch bei der Aktaufnahme blieben meine Augen förmlich kleben. Es war in Schwarz-Weiß gehalten. Die Frau saß auf dem Boden. Mit ihren Händen bedeckte sie sanft ihre Brustwarzen. Ein Seidenschal umhüllte spielerisch ihren Schambereich. Ihr Blick richtete sich direkt in die Kamera. Er war auffordernd, leicht lasziv, selbstbewusst. Erotik pur. Für mich aber auch: Mut pur.

Schüchternes Mauerblümchen trifft Rock-Lady

Kurze Zeit später stand ich also auch vor der Fotografin. Ich: schüchtern lächelnd in meiner schwarzen Spitzenunterwäsche. Sie: mit musterndem Blick in ihrem Rocker-Outfit aus Leder. Sie verstand ihr Handwerk. Innerhalb weniger Minuten nahm sie mir meine Hemmungen und meine Scheu vor der Kamera. Nach eineinhalb Stunden stand ich dann auch schon wieder vollständig angezogen vor dem Atelier. Doch etwas war anders. Ich fühlte mich stark, befreit und unglaublich sexy. Ich war voller Adrenalin und strahlte übers ganze Gesicht. Die Fotos, die sie mir direkt nach dem Shooting auf ihrem Monitor zeigte, ließen mich ungläubig sagen: "Wow! Das bin wirklich ich?"

Nach einigen Jahren ging ich zufällig erneut an dem Atelier vorbei. Die Erinnerungen kamen sofort wieder hoch. Und auch das Gefühl nach dem Shooting spürte ich plötzlich abermals. Also tat ich es ein zweites Mal. Und? Es war genauso, wie ich es in Erinnerung hatte: Das Adrenalin, die Erotik, das Selbstbewusstsein. Ein richtiger Kick. Und die Fotos? Die behielt ich stets für mich – schließlich wollte ich mir damit etwas Gutes tun und dabei einfach nur mal an mich selbst denken.

"Schon die ersten Minuten fühlten sich nicht richtig an"

Doch nicht immer laufen Akt-Shootings so positiv ab. Die Fotografin, zu der meine Freundin Paula ging, schien freundlich und professionell zu sein. Allerdings hatte sie das Einfühlungsvermögen eines Steins. Anstatt Paula Ansagen zu machen oder ihr Ideen fürs Posing zu geben, knipste die Fotografin einfach drauf los – Hauptsache, die 100 Fotos, für die sie bezahlt wurde, sind geschossen. So wirkte das alles zumindest auf Paula. Paula fühlte sich nicht wohl, nicht abgeholt, nicht sexy. Und genau das kann man auf den Fotos erkennen: Sie zeigen eine unsichere Frau, die verkrampft versucht, sinnlich und erotisch zu wirken. "Schon die ersten Minuten fühlten sich nicht richtig an", resümierte Paula. Sie war spürbar enttäuscht.

Dennoch entschloss sich Paula einige Monate später, einen zweiten Versuch zu wagen – allerdings bei einer anderen Fotografin. Wie sie kurz nach dem Termin feststellte, war das genau die richtige Entscheidung. Nach dem Shooting schwebte Paula über den Wolken. Und auch die Fotos waren einfach umwerfend. "Nächstes Jahr werde ich es wieder tun. Das macht süchtig", sagte Paula.

Bleibende Erinnerung

Paula und ich sind uns einig: Jede Frau sollte diese Mutprobe einmal gewagt haben – aber nur mit dem richtigen Fotografen und am besten auch nur für sich selbst und nicht als Geschenk. Denn ein Akt-Shooting ist etwas ganz Besonderes, dass man sich selbst gönnen sollte. Egal, ob man angeblich etwas zu viel Bauch, Cellulite, eingefallene Brüste oder eine sogenannte Reiterhose hat. Das Shooting bei einem Profi ist ein bisschen wie Wellness für die Seele oder zumindest für das eigene Ego.

Durch die Fotos haben meine Freundin und ich ein Stück an Selbstvertrauen und Selbstliebe gewonnen. Wir haben mehr zu uns selbst gefunden. Und: Da wir das Shooting unseretwillen und nicht für einen Partner getan haben, müssen wir die Bilder niemandem zeigen, wenn wir es nicht wollen. Wir müssen uns keine Kommentare anhören, weil man vielleicht doch ein kleines Röllchen oder ein paar Dehnungsstreifen sieht.

Paula und ich können uns die Fotos anschauen, ohne dass sich der kleine Kritiker in unserem Kopf meldet und von den unzulänglichen Kommentaren anderer gefüttert wird. Wir denken an das Gefühl während des Shootings. Auf den Bildern sehen wir, wie unsere Schokoladenseite optimal in Szene gesetzt und unsere Schwachstelle gekonnt durch Schatten kaschiert wird. Und dadurch wirkt das Shooting nachhaltig und bleibt in positiver Erinnerung.

Trauen Sie sich, den Schritt zu gehen. Glücklich sein damit wird nicht nur Ihr jetziges Ich. Auch Ihr künftiges Ich wird es Ihnen danken. Spätestens, wenn sie eines Tages grauhaarig, faltig und eingefallen mit Ihrem Urenkel auf dem Schoß im Schaukelstuhl sitzen und die Fotoalben durchblättern.

Jennifer Buchholz, Redakteurin bei t-online.de, schreibt in ihrer Kolumne "Lust, Laster, Liebe" über Liebe, Partnerschaft und Sex.

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