Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Keine Dankbarkeit für Deutschland "Dann geh doch wieder dahin zurück, wo du herkommst"
Deutschland hat gutes Bier und leckeres Sauerkraut – und viel Rassismus. Wenn Migranten darüber sprechen, erfahren sie vor allem eines: Häme.
Sind Sie einem Restaurant dankbar, das Ihnen schlechtes Essen serviert hat? Danken Sie Ihrem Friseur, wenn er Ihnen ins Ohr schneidet? Sagen Sie laut "vielen Dank" zu Ihrer Supermarkt-Kassiererin, wenn sie Ihnen zu wenig Restgeld gibt?
Diese Beispiele klingen absurd. Und doch verlangen viele Menschen in Deutschland so ein Verhalten – aber nur von jenen Mitbürgern mit Migrationshintergrund. Das inoffizielle Motto der deutschen Migrationspolitik scheint nämlich zu sein: Wenn wir euch ins Land lassen, dann lasst euch alles gefallen und macht den Mund nur auf, um uns zu danken.
Leben mit Migrationshintergrund ist nicht einfach
Wenn sich dann doch mal ein Mensch mit Migrationshintergrund traut und auch nur einen Hauch von Kritik äußert, kommt eine Antwort ganz sicher: "Dann geh doch dahin zurück, wo du herkommst, wenn es dir hier nicht gefällt!"
Diese Antwort ist schmerzhaft. Sie stellt unmissverständlich klar: Du bist hier nur willkommen, solange du nicht aufmuckst. Dieser Satz sagt auch: Du gehörst hier nicht wirklich dazu. Du bist ein Fremder, der sich nicht in unsere Probleme einzumischen hat.
Dabei ist einiges im Argen in Deutschland – gerade im Umgang mit Migration. Denn egal, was Ihnen rechte Medien erzählen und was für Falschinformationen im Internet kursieren: Das Leben als Mensch mit Migrationshintergrund ist in Deutschland nicht einfach. Klar, es gibt hier tolles Bier und gutes Essen. Aus persönlicher Erfahrung kann ich Ihnen aber versichern: Rassismus gibt es noch viel häufiger.
Lästige und gefährliche Erfahrungen
Das ist in einigen Fällen überraschend. Wenn ein Universitätsprofessor in einer Vorlesung plötzlich anfängt, über die Unterlegenheit der "slawischen Rasse" zu schwadronieren, hinterlässt Sie das verdattert.
Manchmal ist es nur lästig, wenn etwa eine neugierige Sprechstundenhilfe mit Ihnen über die Herkunft Ihres "exotischen Namens" diskutieren möchte, während Sie einfach nur einen Arzttermin brauchen.
Es ist zu oft tief verletzend, wenn Sie Menschen sympathisch finden und sich blendend mit ihnen verstehen und diese dann ganz nebenbei rassistische Äußerungen fallen lassen.
Hin und wieder ist es sogar gefährlich. Einige Menschen mit Migrationshintergrund fahren ungern mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch bestimmte Städte. Zu oft wurden sie verbal und körperlich angegangen.
Am schlimmsten ist, dass es nie aufhört. Egal, wie viel Sie arbeiten, egal, wie sehr Sie sich bemühen: Der Rassismus um sie herum bleibt.
Das Fordern nach Dankbarkeit ist zynisch
Angesichts solcher Erfahrungen ernsthaft Dankbarkeit einzufordern, ist zynisch. Auch wenn sich Staaten auf der ganzen Welt darin übertreffen, möglichst abscheulich zu Migranten zu sein: Dass ein Land Menschen aufnimmt und sie menschenwürdig behandelt, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Menschen mit Migrationshintergrund haben Strapazen und Mühen auf sich genommen, um in der Fremde ein neues Leben aufzubauen. Sie haben Diskriminierung und Rassismus ausgehalten. Wenn diese Menschen über ihre negativen Erfahrungen sprechen, sollte ihnen kein Hass entgegenschlagen.
Stattdessen sollten Menschen in Deutschland das zeigen, was sie von Menschen mit Migrationshintergrund fordern: Dankbarkeit. Sie sollten ihnen danken für ihr Durchhaltevermögen. Ihnen dankbar sein dafür, dass sie hier geblieben sind, auch wenn es schwer war. Und vor allem "vielen Dank" sagen, für all die Male, wenn sie Missstände angesprochen haben.
Ana Grujić ist Redakteurin bei t-online.de. Geboren in Bosnien, wuchs sie in Österreich auf und lebt seit fünf Jahren in Berlin. Deshalb weiß sie: Es gibt mehr als eine Heimat.