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Abschied – Krebs-Patientin in Hannover: "Ich habe keine Angst vor dem Tod"


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Malteser erfüllen letzten Wunsch
Krebs-Patientin: "Ich habe keine Angst vor dem Tod"


Aktualisiert am 18.11.2019Lesedauer: 4 Min.
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Letzte Reise im Video: Die Malteser Anne Cossmann und Henrick Langner erfüllen einer unheilbar kranken Frau ihren letzten Wunsch. (Quelle: t-online)
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Ursula Wieners hat unheilbaren Lungenkrebs und COPD. Sie weiß, dass sie bald sterben wird. Einen letzten Wunsch hat die 72-Jährige aber noch. Und den erfüllen ihr die Malteser aus Hannover mit dem Projekt "Herzenswunsch".

"Ich freue mich richtig, das wird ein Highlight." Ursula Wieners spricht leise, aber doch bestimmt. Jedes Wort kostet die krebskranke Frau große Anstrengung. Umso wichtiger war es ihr, noch einmal gute Freunde sehen zu können. Jens und Grit Schlüter leben in Elmshorn – fast 200 Kilometer entfernt von Ursula Wieners Heimat Hannover. Eine schier unüberwindbare Distanz für die schwer kranke Seniorin.

Doch bei dem Projekt "Herzenswunsch" der Malteser sind es genau diese letzten Wünsche sterbenskranker Menschen, die möglich gemacht werden.

Der Malteser Hilfsdienst ist eine katholische Hilfsorganisation, die bundesweit mit mehr als einer Million Mitgliedern und an mehr als 700 Orten vertreten ist. Sie wurde 1953 durch den Malteserorden und den Deutschen Caritasverband gegründet und setzt sich seither für die Hilfe für Bedürftige ein. Malteser engagieren sich im Katastrophenschutz, im Sanitätsdienst, bei Erste-Hilfe-Ausbildungen und ehrenamtlichen Sozialdiensten sowie der Hospizarbeit.

"Herzenswunsch": Sehen Sie die letzte Reise von Ursula Wieners im Video oben in diesem Text.

Und so wird der 2. Oktober 2019 zu einem "Highlight" für die 72-Jährige. Am Vormittag wird sie von den ehrenamtlichen Rettungssanitätern Anne Cossmann (25) und Henrick Langner (23) im Rettungswagen abgeholt.


Etwas aufgeregt wartet sie bereits mit gepackten Sachen in ihrer großen Wohnung. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche: Früher sei sie sehr penibel gewesen, habe immer viel geputzt, erzählt Wieners. 38 Jahre lang hat sie als Putzfrau im Krankenhaus gearbeitet. "Ich habe gern gearbeitet, war auch gern bei den Patienten", erinnert sie sich.

Heute ist sie selbst Patientin. Schon das Zusammenpacken ihrer Sachen für den Tagesausflug war so anstrengend für sie, dass sie erschöpft im Sessel sitzt und meint: "Normalerweise hätte ich jetzt schon längst wieder gelegen. Ich bin auch so antriebslos."

Die Diagnose Lungenkrebs kam erst spät

Dass sie sterbenskrank ist, weiß Ursula Wieners erst seit Oktober 2018. Seit 2012 leidet die 72-Jährige an der unheilbaren Lungenkrankheit COPD. Bei Routineuntersuchungen entdeckten Ärzte ungewöhnliche Schatten auf ihrer Lunge. "Zuerst hieß es, das könnte auch Sekret sein", erinnert sich Wieners. Dann der Schock: Ein bösartiger Tumor. "Und dann saß ich da, mutterseelenallein mit meinem Tumor", sagt die zierliche Frau, die mittlerweile von der Krankheit gezeichnet ist. "Damit muss man erst einmal klarkommen."

Anfangs ging es ihr trotzdem noch nicht so schlecht. "Ich bin auch noch allein einkaufen gegangen – zwar mit meinem Rollator, aber es ging immer noch", erzählt sie. Jetzt hat sie nur noch etwa 20 Prozent Lungenvolumen. Warum sie so krank geworden ist – das weiß Ursula Wieners leider zu gut: "Ich habe kräftig geraucht, das bereue ich sehr. Aber ich kann es nicht rückgängig machen." Sie hätte niemals an so etwas gedacht, nicht einmal gewusst, was COPD sei. "Aber ich gebe mir die Schuld und jammere auch nicht." Andere Betroffene, die nicht geraucht haben, täten ihr hingegen sehr leid.

Kinder hat die Seniorin nicht, ihr Ehemann ist bereits verstorben. Vor wenigen Wochen starb schließlich auch noch die jüngere Schwester von Ursula Wieners in Gelsenkirchen. Zur Beerdigung schaffte sie es nicht. "Wir haben uns vor zwei, drei Jahren das letzte Mal gesehen – dann ging es nicht mehr."

Häufig hat Ursula Wieners deshalb traurige Momente. "Ich lebe sowieso allein – manchmal habe ich auch gedacht 'Warum wachst du überhaupt noch auf?'", sagt sie. Für sie sei alles so sinnlos geworden.

"Herzenswunsch"-Projekt der Malteser

Den "Herzenswunsch"-Krankenwagen in der Diözese Hildesheim gibt es bereits seit 2016. Seitdem haben die Ehrenamtlichen rund 200 Wunschanfragen bekommen – allein im ersten Halbjahr 2019 haben sie 30 Fahrten über mehr als 8.000 Kilometer durchgeführt.

Zu den beliebtesten Wünschen zählen: noch einmal das Zuhause sehen, bei einer Familienfeier dabei sein, ein Konzert besuchen oder eine Theateraufführung sehen. Der älteste Herzenswunsch-Gast war 89 Jahre alt, der jüngste 45 Jahre.

Die Wunscherfüllung ist kostenlos, daher freuen sich die Malteser über Spenden. Anfragen in der Diözese Hildesheim können an den Projektleiter Dr. Christoph Mock gerichtet werden, er ist unter der Telefonnummer 0511 959 86 32 oder der E-Mail christoph.mock@malteser.org zu erreichen. Wunschanfragen nimmt zusätzlich auch Antje Doß unter der Telefonnummer 0160 47 58 292 entgegen. Allgemeine Informationen zu Herzenswunsch-Krankenwagen in ganz Deutschland gibt es auf der Homepage der Malteser.

Ein letzter Besuch bei Freunden in Elmshorn

Umso wichtiger ist es der 72-Jährigen, noch einmal ihre Freunde zu besuchen. "Ich liege ja sonst den ganzen Tag nur noch im Bett und gucke Fernsehen", erzählt sie. Früher sei sie immer sehr interessiert gewesen. Trotz ihres Alters habe sie sich in Facebook, WhatsApp, Skype, ihren Laptop und das Internet eingearbeitet. "Aber jetzt habe ich auch dazu keine große Lust mehr."

Im Internet hat sie auch Jens (53) und Grit Schlüter (52) vor Jahren kennengelernt. Aus Facebook-Chats wurden Telefonate und Skype-Gespräche und schließlich auch Treffen. "Ich unterhalte mich gern mit intelligenten Menschen, da kann man immer noch etwas lernen", erklärt die Seniorin. Und obwohl sie sich nur selten gesehen haben, haben Ursula Wieners und die Schlüters eine enge Verbindung zueinander.

Reden, Schweinebraten essen und sich verabschieden

Als Anne Cossmann und Henrick Langner sie nach rund vier Stunden Fahrt aus dem Krankenwagen holen, begrüßt Jens Schlüter Ursula Wieners mit einem Witz über ihr Aussehen, es wird direkt herzlich gelacht. Dass es wahrscheinlich das letzte Mal ist, dass sich die Freunde treffen, lässt sich zunächst keiner anmerken.

Extra für "dat Usch", wie die Norddeutschen sie liebevoll nennen, hat Grit Schlüter Schweinebraten mit Rotkohl und Klößen besorgt. Gemeinsam wird gegessen, geredet und gescherzt. Als Andenken gibt es einen kleinen Teddy von Jens Schlüter, der die Kuscheltiere selbst sammelt.

"Wir wissen beide, was uns dieser Besuch bedeutet", sagt er und schaut Ursula Wieners an. Sie wollten schließlich nicht wahrhaben, dass es wahrscheinlich das letzte Treffen sein könnte. Beide haben schon geweint an diesem Tag. Als er sagt, sie könne ihn jederzeit anrufen und er würde sich ins Auto setzen und kommen, bricht sie in Tränen aus. "Sonst habe ich immer so eine Mauer um mich herum aufgebaut", sagt sie, "das ist jetzt doch ein bisschen anders."

Der endgültige Abschied fällt schwer

Als es nach rund zwei Stunden zurück in den Wagen geht, haben alle Tränen in den Augen und verabschieden sich noch ein letztes Mal herzlich. Auch wenn sie noch darüber scherzen, Ursula Wieners könne doch bei dem Ehepaar einziehen: Es schwingt das Wissen mit, dass sie sich zum letzten Mal sehen.

Leseraufruf: Sie haben einen geliebten Menschen verloren oder jemanden bei der Bewältigung seiner Trauer unterstützt? Welche Wege und Methoden haben Ihnen geholfen, mit Ihrer Trauer umzugehen? Wodurch konnten Sie einem Trauernden beim Abschiednehmen beistehen? Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit uns. Schreiben Sie uns im Kommentarbereich unter diesem Artikel oder schicken Sie eine Mail an leseraufruf@t-online.de.

Und doch ist Ursula Wieners glücklich, als der Wagen der Malteser schließlich wieder in Richtung Hannover aufbricht. "Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass es klappt", sagt sie. Sie habe sich gefreut – aber doch sei alles sehr anstrengend gewesen. Deshalb wird die Rückfahrt auch ruhiger, fast durchgehend benötigt Ursula Wieners ihre Sauerstoffmaske, gesprochen wird kaum noch. "Das war meine letzte Reise, ich habe mich gefreut", sagt sie. "Aber es soll so sein, ich habe überhaupt keine Angst vor dem Tod."

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen vor Ort
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