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Das Unwort des Jahres 2018 lautet "Anti-Abschiebe-Industrie"


"Sagbarkeitsregeln bedenklich verändert"
Wie Alexander Dobrindt das "Unwort des Jahres" erschuf

Von t-online, dpa, cch

Aktualisiert am 15.01.2019Lesedauer: 3 Min.
„Anti-Abschiede-Industrie“: CSU-Politiker Dobrindt sorgt für das Unwort des Jahres 2018. (Quelle: Glomex)

Beim Thema Abschiebungen setzt die CSU auf klare Kante. Mitunter schießen Politiker auch übers Ziel hinaus. Sprachforscher werfen dies Alexander Dobrindt wegen einer Aussage vor.

Das Unwort des Jahres lautet "Anti-Abschiebe-Industrie". Eine Jury aus Sprachwissenschaftlern und Journalisten kürte es am Dienstag. Die Formulierung wurde von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in einem Interview im Mai 2018 gebraucht. Er hatte Klagen gegen die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber als Sabotage des Rechtsstaats bezeichnet und von einer "Anti-Abschiebe-Industrie" gesprochen.

Wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, arbeite nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden, hatte der CSU-Politiker der "Bild am Sonntag" gesagt. "Es ist nicht akzeptabel, dass durch eine aggressive Anti-Abschiebe-Industrie bewusst die Bemühungen des Rechtsstaates sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert wird."

Dobrindt äußerte sich vor dem Hintergrund eines Polizei-Großeinsatzes in einem Flüchtlingsheim in Ellwangen. Dort hatte die Polizei bei einer Razzia einen Asylbewerber aus Togo, dessen Abschiebung zunächst am Widerstand von bis zu 200 Mitbewohnern gescheitert war, mit einem Großaufgebot abgeholt. Mit seiner Äußerung erntete der Politiker viel Kritik: Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warf ihm vor, den Rechtsstaat auszuhöhlen. DAV-Präsident Ulrich Schellenberg sagte: "Das Einlegen von Rechtsmitteln und das Erheben von Klagen steht jedem im Rahmen der geltenden Gesetze zu. Gerade das macht den Rechtsstaat aus. Mit seinen Aussagen schwächt Herr Dobrindt den Rechtsstaat und stärkt ihn nicht." Scharfe Kritik kam auch von SPD und Grünen.

15 Wörter in der engeren Auswahl

Linguistik-Professorin Nina Janich, Sprecherin der Jury, sagte, eine solche Äußerung von einem wichtigen Politiker einer Regierungspartei zeige, "wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben hat und sich damit auch die Sagbarkeitsregeln in unserer Demokratie auf bedenkliche Weise verändern."

Eine sprachkritische Jury will mit der Kür jedes Jahr auf "undifferenzierten, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch" aufmerksam machen. Das Unwort wird seit 1991 gewählt. Dieses Mal waren 508 verschiedene Begriffe als Vorschläge für das Unwort des Jahres eingegangen. Nur etwa 60 davon entsprachen aber überhaupt den Kriterien der sprachkritischen Aktion, wie Janich sagte. Knapp 15 Wörter habe die Jury in die engere Wahl einbezogen.

Unwort des Jahres: Viele Vorschläge rund um die Flüchtlingspolitik

Unter den Vorschlägen waren auch die Wörter "Abschiebeverhinderungsindustrie", "Flüchtlingsindustrie", "Sicherheitsgefährdende Schutzsuchende" und "Asyltourismus".

Im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Hambacher Forst stand "Ökoterrorist". Auch "Klima-Nazi" wurde vorgeschlagen, ein Begriff, den die stellvertretende AfD-Bundestagsfraktionschefin Beatrix von Storch verwendet haben soll. Darüber hinaus wurden "DSGVO", "Deutungshoheit", "Gesinnungsterror", "Hypermoralist" und "Menschenrechtsfundamentalist" genannt.

Aus der Gender-Debatte stammt die Formulierung "Feminismus-Flausen". "Klageindustrie" ist laut der Jury im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz eingereicht worden. Auch "linksgrünversifft" war unter den Vorschlägen.

Unwörter der vergangenen Jahre

Das sind die Unwörter der Jahre 2000 bis 2017:

  • 2017: Alternative Fakten
  • 2016: Volksverräter
  • 2015: Gutmensch
  • 2014: Lügenpresse
  • 2013: Sozialtourismus
  • 2012: Opfer-Abo
  • 2011: Döner-Morde
  • 2010: Alternativlos

Im Vergleich zu den Vorjahren beteiligten sich diesmal etwas weniger Menschen an der sprachkritischen Aktion. Insgesamt knapp 900 Vorschläge, darunter zum Teil dieselben Begriffe, waren bis zum Einsendeschluss am 31. Dezember 2018 eingegangen, wie Janich sagte. Seit Mitte der 1990er Jahre waren sonst stets mehr als 1.000 Einsendungen gezählt worden, in einigen Jahren sogar mehr als 2.000. Das neue Unwort des Jahres, "Anti-Abschiebe-Industrie", war zehn Mal eingesendet worden.

Verwendete Quellen
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