Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kolumne "Lust, Laster und Liebe" Warum Beziehungen nicht ewig halten (sollten)
Verliebt, verlobt, verheiratet und das am besten für immer. So sieht für viele die ideale Beziehung aus. Aber ist eine lebenslange Beziehung mit nur einem Partner sinnvoll? Oder will unsere Biologie das eigentlich gar nicht?
Sind wir Affen oder Papageien?
Regenbogenpapageien tun es, Höckerschwäne tun es und Kaiserpinguine tun es auch: Sie sind mit ein und demselben Partner bis an ihr Lebensende zusammen. Stirbt der Partner, so verbringen sie den Rest ihres Lebens allein. Warum nicht auch wir Menschen?
Weil wir in Wahrheit mehr mit Affen gemeinsam haben, als vielen lieb ist und als wir uns eingestehen wollen. Nicht viele Affenarten sind nur einem Partner treu: Kommt ein stärkeres Männchen mit anscheinend besseren Genen daher, ist der alte Lebensgefährte abgeschrieben. Umgekehrt genauso: Ist ein fruchtbareres, jüngeres Weibchen in der Nähe, so ist sie plötzlich die bessere Partie. Und wenn es dieser Tierart mal nicht um die Fortpflanzung geht, dann nutzen sie das Liebesspiel zum Frustabbau oder zur Beruhigung, um aggressives Verhalten abzuwenden.
Sie wollen nicht mit Affen verglichen werden? Verstehe ich. Aber Frauen und Männer nennen bei Umfragen ziemlich ähnliche Gründe, um miteinander zu schlafen. Und da es so viele Gründe für das Liebesspiel gibt und in der Natur nur wenige Tiere wirklich monogam sind, sage ich: Beziehungen haben eine Halbwertszeit. Und diese ist leider oft nicht länger als sieben Jahre.
Warum soll nach ein paar Jahren Schluss sein?
Hier meine – zugegebenermaßen – gewagte Begründung: Das "verflixte siebte Jahr" ist biologisch gewollt. Ab dem fünften oder sechsten Lebensjahr ist ein Mensch einigermaßen selbstständig, kann sich also selbst am Leben halten. Er kann reden, selbstständig essen und trinken. Die elterliche Fürsorge ist für sein Überleben theoretisch nicht mehr notwendig.
Neben der wachsenden Selbstständigkeit der Kleinen, die die Eltern nach und nach für das Kind überflüssig machen, tickt zudem bei Männern die biologische Uhr. Schließlich wollen sie sich möglichst viel fortpflanzen – daher ist ihre Spermienanzahl im Vergleich zur Anzahl der weiblichen Eier um ein Vielfaches größer. Das bestätigt auch die Molekulargenetikerin Liat Yakir. Für sie ist der Sinn einer Paarbindung das Heranziehen von Nachwuchs. Braucht dieser die elterliche Hilfe nicht mehr, schaltet sich das evolutionäre Verhalten wieder ein und wir versuchen, weitere Nachkommen zu zeugen. Und das am besten mit verschiedenen Partnern, um die genetische Vielfalt zu erhalten.
Whiskey statt Bum-Bum-Eis
Sie finden die Erklärung mit der Biologie an den Haaren herbeigezogen? Es gibt noch eine zweite Erklärung: Der Geschmack ändert sich. Als Kind hätten Sie nach einem leckeren Essen nie ein süßes und klebriges Bum-Bum-Eis als Nachtisch ausgeschlagen – und jetzt kann Ihnen der Wein nicht zu trocken oder das Bier nicht zu herb oder süffig sein.
Aufgrund Ihrer Erfahrungen hat auch Ihr Geschmack dazugelernt. Er ist gereift und weiß nun einfach, was besser für Sie ist – oder zumindest, was Sie nicht mehr wollen. Anstatt Limo, bevorzugen Sie nun Gin oder Whiskey – das ist bei Ihren Vorlieben für Ihr soziales Umfeld und somit auch bei Ihrer Partnerwahl nicht anders.
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Sie sind schockiert? Empört? Wütend? Zu Recht! Die Biologiekeule nimmt einem jegliche Romantik. Doch das Schöne ist: So lange Biologie, Hormone oder andere Vorfälle nicht dazwischen funken, kann eine Beziehung sehr lange halten. Und mit etwas Romantik und Arbeit vielleicht sogar ewig. Wer weiß.
Jennifer Buchholz, Redakteurin bei t-online.de, schreibt in ihrer Kolumne "Lust, Laster, Liebe" über Liebe, Partnerschaft und Sex.
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