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Zehn Tipps für Eltern von Schlüsselkindern


Nach der Schule allein zu Haus
Zehn Tipps für Eltern von Schlüsselkindern

Trotz Ausbau der Ganztagsschulen und Zunahme der Hortplätze sind noch immer viele Schulkinder nachmittags sich selbst überlassen. Damit dies zuverlässig klappt, bedarf es allerdings klarer Regeln und Absprachen. Eine Expertin sagt, wie alt die Kinder mindestens sein sollten und wie Mütter und Väter ihren Nachwuchs am besten auf das "Schlüsselkind-Dasein" vorbereiten.

Aktualisiert am 08.10.2015|Lesedauer: 6 Min.
t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli
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Der Begriff "Schlüsselkind" stammt eigentlich aus den 50er beziehungsweise 60er Jahren und war ursprünglich eher negativ besetzt. Denn das Idealbild einer traditionellen Familie dieser Zeit, wo nur der Vater arbeiten geht und die Mutter sich hauptsächlich um den Nachwuchs und den Haushalt kümmert, sah nicht vor, dass Kinder nachmittags nach der Schule allein blieben.

Schlüsselkinder brauchen klare Regeln und Unterstützung durch die Eltern.Vergrößern des Bildes
Schlüsselkinder brauchen klare Regeln und Unterstützung durch die Eltern. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Automatisch wurde den "Rabeneltern" unterstellt, ihre Sprösslinge zu vernachlässigen, was nach damaliger Auffassung auch zu Problemen in der Schule führen musste. Diese Behauptung ist mittlerweile allerdings durch die PISA-Studie entkräftet worden: In den Erhebungen wurde nämlich nachgewiesen, dass es keine auffälligen Leistungsunterschiede zwischen Schlüsselkindern und betreuten Kindern gibt.

"Bei unserem Großen hat das immer prima funktioniert"

Viele Eltern gehen mit der Situation sehr gelassen um, scheinen weder verunsichert noch ängstlich sein, wenn ihr Kind allein zu Hause zurechtkommen muss. Das dokumentieren zahlreiche Aussagen in entsprechenden Internetforen, wo sich Mütter und Väter über ihre Erfahrungen austauschen. So schreibt Marlies: "Meine achtjährige Tochter geht zwar noch in den Hort, aber sie bleibt öfter auch gerne allein zu Hause, hat jetzt schon einen Schlüssel, wenn ich doch mal länger arbeiten muss. Da der Hort so teuer ist, überlege ich jetzt sogar, ob ich in der dritten Klasse den Platz kündige und meine Kleine nach der Schule allein zu Hause bleibt."

Bernd bemerkt: "Bei unserem Großen hat das immer prima funktioniert. Als er acht war, haben wir damit angefangen, weil er darauf bestanden hat. So viel Freiheit fand er cool. Zur Sicherheit haben wir aber immer unserem Nachbar Bescheid gesagt. Er wurde aber nie in Anspruch genommen. Heute mit zehn ist das Alleinsein für unseren Sohn ganz selbstverständlich. Er vermisst nichts."

"Moderne Schlüsselkinder" sind selbstständiger als früher

Auch die Hamburger Diplompsychologin Sybille Weber bestätigt gegenüber t-online.de, dass viele Kinder heute eigentlich gut mit dem Alleinsein zurechtkommen und die Älteren sogar die damit verbundene Freiheit oft genießen: "Moderne Schlüsselkinder sind weniger auf sich selbst gestellt als früher. Sie sind viel besser eingebunden und vernetzt, weil sie auch viel mehr Medien zur Verfügung haben. So können sie über Handy oder PC kommunizieren und ihr Alleinsein kompensieren."

Hinzu komme, so die Expertin, dass Kinder heute anders von Erwachsenen wahrgenommen würden als in vorangegangenen Generationen: "Kinder leben heutzutage in einem Umfeld, in dem sie einen ganz anderen Raum einnehmen dürfen wie früher. Sie haben mehr Recht auf Selbstbestimmung und Freiheit. Viele Erwachsene sehen Kinder mit sechs, sieben oder acht als selbstständiges Gegenüber und behandeln sie wie einen gleichberechtigten Partner auf Augenhöhe."

Experten warnen vor Überforderung

Doch die Psychologin warnt, dass diese Perspektive auch zu einer Überforderung führen könne: "Auch wenn Kinder heute in vielen Bereichen selbstständiger zu agieren scheinen als Kinder in den 50er und 60er Jahren, sollte man dennoch ihre emotionale Reife nicht überschätzen! Sie sind scheinbar in eine technisierte Welt eingebunden, die ihnen jedoch nur vermeintlich Sicherheit und die Möglichkeit zur Kommunikation gibt. Dies ist aber ein Trugschluss: Denn nicht wenigen Kindern, die allein sind, fehlt dann echte Wärme und realer emotionaler Austausch - ohne ein virtuelles Medium."

Schlüsselkinder sollten nicht zu jung sein

Das Mindestalter von Schlüsselkindern, so empfehlen viele Fachleute, sollte nicht niedriger als acht Jahre sein. Von da an seien Kinder meist in der Lage, sich Essen selbst zuzubereiten, Telefonate zu führen, die Uhr sicher zu lesen, sich ihre Zeit einzuteilen und zuverlässig bestimmte Absprachen zu befolgen.

Sybille Weber setzt dagegen die Altersgrenze etwas höher an: "Ich persönlich tendiere dazu, dass während der Grundschulzeit eigentlich immer jemand zu Hause sein sollte, wenn das Kind von der Schule kommt. Erst danach sind die Schüler meines Erachtens reif und vernünftig genug, um allein zu bleiben und sich auch in kritischen Situationen selbst helfen zu können. Das hängt allerdings auch sehr von der Persönlichkeit jedes einzelnen Kindes ab." Deshalb rät die Psychologin allen betroffenen Eltern: "Machen Sie sich nichts vor. Schauen Sie genau hin, ob Ihr Kind wirklich schon selbstständig genug ist, um über mehrere Stunden ohne Betreuung und ohne direkte Ansprache auszukommen!"

Doch Vertrauen in die Eigenständigkeit des Nachwuchses reicht nicht aus. Eltern sollten zusätzlich bestimmte Sicherheitsmaßnahmen ergreifen und Vorbereitungen treffen, damit sich das Kind zu Hause sicher und wohl fühlt. Dazu gehören klare Regeln und Absprachen.

Diese Tipps sollten Eltern beachten:

1. Bevor das "Projekt Schlüsselkind" startet, ist es sinnvoll einige Testläufe durchzuführen. Eltern sollten dann ihr Kind alltägliche Handlungen einüben lassen, die normalerweise die Erwachsenen übernehmen, wie zum Beispiel Haustür aufschließen oder ein Essen vorbereiten. Hier empfiehlt sich aus Sicherheitsgründen allerdings eher die Mikrowelle zum Aufwärmen von vorgekochten Mahlzeiten zu benutzen.

2. Als Vorbereitung auf die neue Situation haben sich auch Rollenspiele bewährt. Zum Beispiel: Wie reagieren, wenn ein Fremder an der Tür klingelt? Hier lautet die wichtigste Regel: Nicht öffnen! Außerdem können Eltern ihren Kindern einfache Sätze wie etwa "Es passt gerade nicht, melden Sie sich später wieder." vorgeben, die es hinter verschlossener Tür sagen kann, ohne zu verraten, dass es allein ist.

3. Für die Struktur des "Solonachmittags", der nie länger als zwei bis drei Stunden dauern sollte, müssen unbedingt Regeln aufgestellt werden, wie zum Beispiel: "Erst wenn die Schularbeiten erledigt sind, darfst du an den Computer oder fernsehen." Hierbei ist es allerdings unerlässlich mit dem Kind feste Zeiten zu vereinbaren und keinen "Open End-Medienkonsum" zu erlauben.

4. Das Kind sollte immer ein Handy bei sich tragen. Darin müssen alle wichtigen Nummern der Eltern und die anderer vertrauter Ansprechpartner samt Notruf gespeichert sein, damit eine zuverlässige Verbindung auch in einer "aufgeregten" Situation gewährleistet ist. Außerdem sollte das Kind immer telefonisch erreichbar sein. Das gilt umgekehrt auch für die Eltern.

5. Es muss immer einen Plan B für Notfälle geben, wenn etwa der Haustürschlüssel klemmt oder das Kind sich unwohl fühlt. In solchen Situationen sollte gewährleistet sein, dass es einen weiteren Ansprechpartner in der Nähe gibt, wie etwa einen vertrauenswürdigen Nachbar, der helfen kann und unter Umständen auch das Kind bei sich aufnimmt.

6. Bei bestimmten Personen sollten Zweitschlüssel hinterlegt werden, damit jemand im Notfall auch in die Wohnung gelangen kann. Dazu ist es aber nötig, dem Kind einzuschärfen, dass es seinen eigenen Schlüssel nicht innen an der Tür stecken lässt, da es sonst vielleicht nicht möglich ist, von außen aufzuschließen.

7. Die Eltern sollten immer wissen, wo ihr Kind ist. Deshalb muss vorher stets kommuniziert werden, ob und wann das Kind zum Beispiel einen Freund besuchen oder ob es allein auf den Spielplatz gehen darf. Hier müssen die Eltern beurteilen, wie viel Eigenständigkeit sie ihrem Nachwuchs zutrauen. Ist etwa der Besuch bei einem Freund erlaubt, sollte das vorher auch immer mit dessen Eltern abgesprochen werden.

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8. Zuverlässigkeit ist das A und O. Das gilt nicht nur für das Kind, sondern auch für die Eltern. Wenn sie versprochen haben, um 17 Uhr zu Hause zu sein, so sollte es auf keinen Fall später werden - es sei denn sie informieren ihr Kind rechtzeitig. Damit sich das Kind sicher fühlt, ist es deshalb unbedingt nötig, dass es perfekt die Uhr lesen kann.

9. In den dunklen Wintermonaten, wenn es bereits nachmittags dämmert, empfiehlt Sybille Weber Lampen mit Zeitschaltuhr zu installieren, damit die Wohnung hell ist, wenn das Kind von der Schule kommt. "Ein erleuchtetes Zuhause anstatt dunkle Räume zu betreten, hat für Kinder eine wichtige psychologische Bedeutung", so die Expertin.

10. Auch an Feierabend bei Rückkehr der Eltern sollte man sich angewöhnen, bewusst Zeit mit seinem Kind zu verbringen und sich nicht sofort den häuslichen Verpflichtungen zuzuwenden. "Hierbei ist es für Kinder und Eltern gleichermaßen wichtig", so Diplompsychologin Weber, "dass man sich sofort zusammensetzt und jeweils von seinem Tag erzählt oder einfach nur kuschelt und es sich gemütlich macht." Auch diese intensive Qualitätszeit, die gar nicht lange dauern braucht, vermittelt dem Kind Geborgenheit und Zuwendung, die es vielleicht nachmittags vermisst hat.

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