Mode & Beauty Baselworld 2017: Der Kampf ums Handgelenk hat gerade erst begonnen
Auf der Baselworld 2017 zeigen noch bis zum 30. März viele der Top-Uhrenhersteller der Welt ihre neuesten Kreationen. Die diesjährige Ausgabe der führenden Messe der Branche steht allerdings im Zeichen der Krise der Schweizer Uhrenindustrie. Und die Smartwatches gewinnen immer mehr an Boden.
Durch die Konjunkturprobleme fiel die Zahl der Aussteller binnen eines Jahres von 1500 auf 1300, wie Baselworld-Chefin Sylvie Ritter vor Beginn der Ausstellung erklärte. Einige Unternehmen seien in dem schwierigen Markt nicht zurückgekehrt, sagte Ritter.
Top-Marken wandern zur SIHH ab
Bereits seit Herbst war bekannt, dass die Luxus-Sparte der Timex-Gruppe mit Uhren-Marken wie Versace oder Salvatore Ferragamo der diesjährigen Baselworld fernbleiben wird. Die Veranstalter hatten nach einer Erneuerung der Messe-Anlage die Preise für die Aussteller erhöht. Danach wechselten einige Marken wie Ulysse Nardin zur Konkurrenzmesse SIHH nach Genf, die früher nur ein Event für Marken der Richemont-Gruppe war. In diesem Jahr fehlt in Basel auch eine etablierte Marke wie Bremont.
Doch Top-Manufakturen wie Rolex, Omega oder Patek Philippe sind wie gewohnt bei der Messe dabei, um nur einige der prominentesten Player am Markt für Luxusuhren zu nennen.
Weniger Nachfrage in China
Vielen Herstellern klassischer Uhren machen unter anderem eine zurückgegangene Nachfrage im wichtigen Markt China und die neue Konkurrenz durch Computer-Uhren zu schaffen. Dabei wurden die Smartwatches zu Beginn der Entwicklung noch als das nächste große Ding nach dem Smartphone gefeiert, um kurzer Zeit später als Flop abgestempelt zu werden, nachdem sich die Verkäufe der ersten Modelle in Grenzen hielten. Die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo dazwischen. Die klassische Uhr ließ sich nicht so leicht durch einen Computer vom Handgelenk verdrängen, wie mancher es prophezeit hat. Doch genauso sind Smartwatches weit davon entfernt, zur Sackgasse der Computer-Evolution zu werden.
Großes Potenzial für Assistenten
Das liegt allein schon daran, dass die beiden großen Tech-Player Apple und Google in dem Bereich ein Gerät am Handgelenk als gute Schnittstelle für ihre Assistenten ausgemacht haben. Das betrifft die Geräte auf Basis der Plattform Android Wear und die Smartwatch von Apple. Siri ist seit der ersten Apple Watch im Frühjahr 2015 über die Uhr ansprechbar, Google baute den Assistant jüngst in Android Wear 2.0 ein. "Wir sehen großes Potenzial, wie der Assistant hier wirklich nützlich sein kann - wenn er im richtigen Moment auf dem Handgelenk "anklopft" und sagt: Hier ist die Information", sagt Android-Wear-Manager David Singleton. Und es sei ein natürlicher Platz für ein Mikrofon, um sich mit dem Assistenten zu unterhalten.
Apple ist der Marktführer bei Smartwatches
Bislang ist die Apple Watch seit dem Start im Frühjahr 2015 der klare Marktführer. Doch Google schaut nach vorn und will Android Wear - ähnlich wie die Smartphone-Version des Systems - als bevorzugte Plattform für die große Masse der anderen Hersteller etablieren. Doch die Smartwatch-Pioniere aus der Tech-Industrie tun sich in dem Marktsegment schwer. So stieg der einstige Google-Partner Motorola zum Beispiel schon wieder aus.
Die Uhrenhersteller hingegen sind empfänglich für die Google-Avancen. Mit TAG Heuer, Montblanc oder Movado setzen auch große Namen der Branche auf Android Wear, zumindest wenn sie das Terrain mit einzelnen Modellen erkunden.
Modemarken machen Druck
Anbieter von Modemarken stürzen sich noch viel mutiger in den neuen Markt. So werden alle Männer-Modelle der Marke "Michael Kors" künftig einen Chip oder einen Touchscreen haben. Der Modeuhren-Gigant Fossil, der neben Michael Kors klassische und vernetzte Uhren 18 weiterer Namen wie Skagen, Armani, Marc Jacobs oder Kate Spade produziert, setzt auch auf Android Wear.
Swatch-Group will ohne Google auskommen
Die Swatch-Group, einer Bastion der Schweizer Branche mit klagvollen Namen wie Tissot, Omega, Longines oder Breguet, will aber ohne Google auskommen. Swatch-Chef Nick Hayek kündigte eine eigene Plattform für vernetzte Uhren an. Während viele Analysten den Vorstoß angesichts der technologischen Übermacht von Apple und Google skeptisch sehen, meint ein Technikexperte aus der Branche, der Ansatz könne zumindest bei einzelnen Funktionen und Aufgaben greifen. Für sie sei Android Wear zum Teil ohnehin zu wuchtig.
TAG Heuer zeigt zweiter Version der Connected
In den Hallen der weltgrößten Uhrenmesse, auf den "Ständen", die eigentlich eher Mini-Versionen von Nobel-Boutiquen ähneln, stehen vernetzte Uhren immer noch selten im Mittelpunkt. TAG Heuer ist eine der Ausnahmen, und die zweite Version seines Modells Connected dominiert die Präsentation. Firmenchef Jean-Claude Biver versucht, smarte und klassische Uhren im Leben seiner Kunden unterzubringen: Die Modular 45 gibt es ab 1400 Euro - für noch einmal so viel bekommt man auch eine mechanische Version, die man am Armband wechseln kann.
"Technologie veraltet schnell"
Biver ist eine der markanten Figuren der Branche ein Poet der Uhrmacher-Kunst, der bei Auftritten mit seinen lauten Lachern auch kalkuliert durchgeknallt wirken kann. "Der Schweizer Uhrenindustrie können Smartwatches gefährlich werden. Der Kunst des Uhrmachers nicht", sagt er. "Menschen wollen Emotionen am Handgelenk." Ob sich nicht aber beides miteinander verbinden lasse? "Nein!", schießt es aus Biver heraus. Denn Technologie veralte schnell. "Kunst ist ewig und die Ewigkeit kann nicht mit etwas fusionieren, was obsolet wird. Sie können auch keinen Bordeaux mischen mit Wasser - sie müssen dann zwei Gläser haben."
Wenige Minuten vorher hatte Biver eine von Ferrari entworfene Uhr mit Schweizer Laufwerk der Firma Hublot präsentiert, die er als Spartenchef des Luxus-Riesen LVMH beaufsichtigt. Von dem Modell wird es nur 70 Exemplare geben - eine Uhr für jedes Jahr, das es Ferrari gibt.
Auch bei Luxus-Smartwatches sieht Google Chancen
Google-Manager Singleton sieht allerdings auch bei kleinen Stückzahlen einen Ansatzpunkt für die Android-Plattform. "Von jeder Luxusuhr werden dramatisch weniger Exemplare verkauft als von günstigen Modellen. Und bei diesen Stückzahlen würde sich der Aufwand für einen App-Entwickler nicht lohnen", argumentiert er. Und da komme der Vorteil einer einheitlichen Plattform ins Spiel. "Wir werden auch bei vernetzten Uhren große Preisunterschiede sehen", zeigt sich Singleton sicher. "Denn etwas, was man am Körper trägt, wird man immer dafür nutzen, um seine Persönlichkeit und Stil auszudrücken."
Was aber, wenn die Technologie die Gewohnheiten der Menschen so verändert, dass sie gar keinen Wert mehr auf Uhrmacherkunst legen? Die Frage trifft bei Biver einen Nerv: "Dann ist der Mensch ein Roboter", ruft er. "Dann ist ein Mensch kein Mensch mehr, wenn er keine Emotionen mehr hat, wenn er keine Seele mehr will."
Kann sich die Handwerkskunst behaupten?
TAG-Heuer-Patriarch Jack Heuer weiß allerdings auch gut, dass sich Handwerkskunst nicht immer gegen Technologie durchsetzt. "Wir waren einst die Nummer eins in der Welt bei mechanischen Stoppuhren", erinnerte sich 84-Jährige, der zur Präsentation einer Neuauflage des klassischen Modells "Autavia" (Preis: 4600 Franken) nach Basel kam. Aber das sei eines der ersten Produkte gewesen, die der Wandel von analog zu digital traf. "Heute gibt es keine mechanischen Stoppuhren aus der Schweiz mehr, früher haben wir 300 000 pro Jahr gebaut."