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Buggy-Aktion: Dreht die Kinder um


Buggy-Aktion: Dreht die Kinder um!
Der tägliche Horrortrip im Kinderwagen

t-online, mmh

29.05.2013Lesedauer: 3 Min.
Dreht die Kinder um! Sitzen unsere Kinder seit Jahrzehnten falsch herum im Buggy?Vergrößern des Bildes
Dreht die Kinder um! Sitzen unsere Kinder seit Jahrzehnten falsch herum im Buggy? (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Das ist die Welt aus Baby-Sicht, zumindest wenn es im Buggy mit dem Rücken zur Bezugsperson geschoben wird. Es fehlt die "Rückversicherung", das Urvertrauen wird gestört. Die Buggy-Aktion aus Großbritannien ist jetzt auch in Deutschland angekommen. Ihr Ziel: Dreht die Kinder um! Ein eindrucksvolles Video aus Kleinkind-Blickwinkel zeigt den täglichen Horrortrip im Kinderwagen.

"Ich bin geblendet! Nicht anstoßen! Puuuuh - es stinkt!" Autoauspuff, Menschen-Popos, Hundeschnauzen, dreckige Autoreifen, Hauswände, blendende Sonne, direkt vor der Nase. das sind Eindrücke einer ganz normalen Ausfahrt im Buggy aus Kindersicht, aufgenommen mit einer subjektiven Kamera. Die Buggy-Welt auf Augenhöhe der Kinder - ein Horrortrip. Warum ist bisher noch niemand auf die Idee gekommen?

Rund zwei Stunden verbringen Kinder im Alter zwischen einem halben Jahr und zweieinhalb Jahren in ihren Buggys. Eltern geben viel Geld für diese Transportmittel aus: schick, sicher, stabil, stoßgedämpft, geländegängig sollen sie sein - das sind die Kriterien aus Elternsicht. Jetzt haben britische Wissenschaftler den Spieß umgedreht und sich mithilfe einer subjektiven Kamera in die Lage der "Insassen" versetzt.

Stress und mangelnde Interaktion

Ihr Fazit: Die meisten Kinder sitzen falsch herum im Buggy, mit dem Gesicht in Fahrtrichtung. Das hat massive Auswirkungen auf das emotionale Verarbeiten der Eindrücke. Die Folgen sind Stress und mangelnde Interaktion ausgerechnet in einer Entwicklungsphase, die genau dafür so sensibel ist, zwischen einem halben Jahr und zwei bis zweieinhalb Jahren.

Kinder sitzen falsch herum im Buggy

"Mit hochgerüsteten, modernen Buggys schieben immer mehr Eltern immer jüngere Babys 'in die Welt hinaus'. Sie wollen ihren Kindern etwas bieten, Erlebnis und Anregung, damit sie etwas lernen. Das aber ist bei den Kleinsten ein Missverständnis", so begründet die Initiative der Wolfgang-Bergmann-Stiftung "für Kinder" ihre Aktion "Ich seh' Dich - und das macht mir Mut!" Sie wollen die Buggys umdrehen, beziehungsweise die Kinder, die drin sitzen, damit sie mit dem Gesicht zur schiebenden Bezugsperson die Welt erkunden. Schließlich verbringen die Kleinen rund zwei Stunden täglich in den Kinderwagensitzen.

Der Film, eine Unterschriftenaktion und ein offener Brief an Buggy-Hersteller sollen die Verantwortlichen aufrütteln.

Beängstigende Eindrücke schwer zu verarbeiten

Die Pädagogen sind der Überzeugung, dass Babys auch noch im zweiten Lebensjahr die "Rückversicherung" bei einer Vertrauensperson brauchen, wenn sie unterwegs sind. Das erhalten sie durch Blickkontakt. Erst dieses sichere Vertrauen, befähigt sie, sich neugierig auf all die neuen Eindrücke aus ihrer Umgebung einzulassen.

Dem Baby, das mit dem Gesicht nach vorn durch die Landschaft oder durch das Gewühl der Stadt geschoben wird, fehlt diese Rückversicherung, es zieht sich in sich zurück, blockt die gelegentlich beängstigenden neuen Eindrücke ab und lernt, der Welt da draußen zu
misstrauen.

Eine einfache Lösung

Die Initiative schlägt eine einfache Lösung vor. Buggys mit variabel einstellbarem Sitz, nach vorn oder nach hinten mit Blickkontakt zur schiebenden Vertrauensperson, je nach individuellem Stand der kindlichen Entwicklung und der Bedürfnisse. Dennoch sind erste Versuche zu variablen Buggys von Kinderwagen- und Buggy-Herstellern rar gesät, so die Beobachtung der Initiatoren.

Was der Markt verlangt

"Der Markt, und das sind hier vor allem Mütter und Väter, verlangt zwar den technisch perfekten Buggy, aber möglichst mit dem Blick nach vorn."

  • Die Effekte der Vorwärts-Buggys auf die Entwicklung der Kinder und die Beziehung zu ihren Eltern sind erstaunlich deutlich. Das fanden die Forscher der schottischen Dundee-Universität rund um die Autorin der "Buggy-Studie", Professor Suzanne Zeedyk, heraus:
  • In den meisten handelsüblichen Buggys sitzen die Kinder mit Blick nach vorne und haben keinen Blickkontakt zu der Bezugsperson, die den Kinderwagen schiebt.
  • Bei Vorwärtsbuggys sprechen Eltern und Kind weniger miteinander, bei den Kindern reduziert sich das Sprechen um ein Drittel, bei den Eltern um die Hälfte.
  • Bei Rückwärtsbuggys, also mit Blickkontakt, schlafen die Kinder doppelt so häufig als in den Vorwärtsbuggys. Forscher deuten das als Hinweis für verschiedene Stress-Levels.

Isoliert und emotional verarmt

Das Video stellt die Frage "Wie ist das Leben in einem Baby-Buggy?" Zeedyk gibt die Antwort: "Das Leben ist stärker isoliert, als viele Erwachsene sich vorstellen können und emotional stärker verarmt als gut ist für die Entwicklung der Kinder."

Man sollte die Ergebnisse ernst nehmen, legen die Autoren den Kinderwagenherstellern, den Eltern, ja sogar der gesamten Gesellschaft ans Herz, schließlich hat das Buggy-Design langfristige Auswirkungen auf die emotionale, die mentale und die körperliche Gesundheit. Sie empfehlen, die Kinderwagenbaupläne zu überdenken, das wäre eine einfache, praktikable, erreichbare und finanzierbare Maßnahme um das Gesundheitswesen auf lange Sicht zu entlasten.

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