Kleinkind Selten, aber wichtig: Drei Tagesväter erzählen von ihrer Arbeit
Wenn man sein Kind bei einem Tagesvater untergebracht hat, dann erntet man dafür oft Unverständnis, zumindest im ersten Moment. Zu festgefahren ist es noch, das alte Rollenbild in den Köpfen der Menschen. Und abgesehen davon, dass bei diesem Thema häufig Vorurteile greifen, ist die Gattung der Tagesväter ja auch eher selten und wirkt schon von daher ungewöhnlich. Im Vergleich zu den 42.714 derzeit aktiven Tagesmüttern gibt es laut dem Statistischen Bundesamt nur 1.082 Tagesväter in Deutschland. Das Elternportal von t-online.de hat sich mit drei von ihnen unterhalten.
Manfred Schleicher, Bernd Bremer und Rainer Lade sind vom Typ her sehr unterschiedlich. Eines aber haben sie alle gemeinsam: die Liebe zu ihrem Beruf. Alle drei sind Tagesväter. Bernd Bremer und Manfred Schleicher betreuen "ihre" Kinder alleine, teilweise bis zu zehn Stunden am Tag - beide bei sich zuhause und beide gemeinsam mit den eigenen Kindern.
Männer müssen mehr bieten
Der 42-jährige Manfred Schleicher wurde durch seine private Situation zum Allroundtalent rund ums Kind. Der Franke ist heute nicht nur Tagesvater, sondern auch ein viel gebuchter Märchenerzähler sowie Organisator von Workshops und Kindergeburtstagen. Seit der Trennung von seiner Frau zieht er die beiden Töchter alleine auf und das war letztendlich auch der ausschlaggebende Punkt für seine berufliche Umorientierung. "Ich bin gelernter Schlosser. Doch als alleinerziehender Vater kann man nicht so flexibel im Handwerk tätig sein, wie es erforderlich wäre. Und als ich das erste Mal von der Möglichkeit hörte, als Tagesvater zu arbeiten, schien es genau das zu sein, was zu mir passt."
Doch der Quotenmann, wie er sich selbst bezeichnet, merkte schnell, dass es für ihn als Mann auf dem Markt nicht einfach werden würde. "Letztendlich beschloss ich, etwas zu bieten, was die Konkurrenz nicht zu bieten hat." Manfred Schleicher ist absolut flexibel und ermöglicht so auch denjenigen Eltern, die Schicht arbeiten, die Betreuung durch eine ausgebildete Kindertagespflegeperson, wie es korrekt heißen muss.
Die große Ausnahme
"Immer hört man nur von Tagesmüttern und manchmal habe ich ein echtes Problem mit der Wahrnehmung meiner Tätigkeit nach außen", ärgert sich Bernd Bremer. "Schließlich gehe ich meine Arbeit absolut professionell an! Doch bis heute ist es noch nicht wirklich zur öffentlichen Meinung durchgedrungen, dass wir einen richtigen und wichtigen Beruf ausüben, für den wir eher schlecht als recht bezahlt werden. Und ich glaube, wenn mehr Männer diesen Beruf ausüben würden, dann hätte sich das längst geändert."
Nach der Geburt seiner Drillinge war für den 43-jährigen ehemaligen Koch und seine Frau schnell klar, dass er bei den Kindern bleiben wird. Da die Haushaltskasse aber dringend aufgebessert werden musste, suchte er nach einer Möglichkeit, beides zu vereinbaren und entschied sich, wie viele seiner weiblichen Kollegen auch, für eine Ausbildung zur Kindertagespflegeperson. Seit 2006 ist er als Tagesvater tätig. Auch er fand den Anfang außergewöhnlich schwer: "Ich war im gesamten Rheinkreis Neuss eine große Ausnahme und hatte ziemlich mit Vorurteilen zu kämpfen." Doch das Jugendamt vertraute ihm und gab ein wenig Starthilfe. Seitdem läuft es prima. "Ich habe einen sehr guten Ruf und der hat sich herumgesprochen. Heute bin ich auf Jahre hin ausgebucht."
Tagesväter haben mit Skepsis und Vorurteilen zu kämpfen
Manfred Schleicher ist erst seit etwa einem Jahr als Tagesvater tätig und auch, wenn er noch Kapazitäten frei hat, die Nachfrage ist auch bei ihm inzwischen deutlich gestiegen. Was ihn aber vor allem ärgert, sind die Vorurteile ihm als Mann gegenüber: "Diese Dauerbeobachtung ist kontraproduktiv. Man muss als Mann den Job besser machen als jede Frau, um die gleiche Anerkennung zu bekommen." Hinzu kommt das Misstrauen der Bevölkerung und der immer wieder im Raum schwebende Gedanke des Missbrauchs. Doch beide Tagesväter versuchen das gelassen zu nehmen. "Offen wird da ja auch nicht drüber geredet, aber es sind Vorbehalte gegen uns Männer da. Und es wird getuschelt. Die Frage, warum macht er als Mann das, steht immer wieder unausgesprochen im Raum. Da kann der Betreuungsbedarf noch so hoch sein, die Familien überlegen zweimal, ob sie ihren Nachwuchs einem Mann anvertrauen."
Alleinerziehende Frauen ziehen oft Tagesväter vor
Eine große Ausnahme stellen viele alleinerziehende Frauen dar, die angesichts all der weiblichen Betreuungspersonen bis zum Ende der Grundschulzeit, froh darüber sind, wenn sie einen Tagesvater ergattern können, der dem Kind auch die männliche Rolle vorlebt. "Überwiegend werden Jungs von Frauen erzogen. Aber anschließend, wenn sie erwachsen sind, sollen sie sich wie Männer verhalten." Rainer Lade hatte als Kind einen besonderen Bezug zu seinem Großvater und sein Ziel ist es heute, eine ähnliche Position auch seinen derzeit fünf Tagespflegekindern zu bieten. Der 58-Jährige teilt sich wie viele andere Tagesväter den Job mit seiner Frau, wobei er aber den Hauptpart übernimmt. "Aufgrund unseres Alters sind meine Frau und ich ja eher wie Großeltern zu den Kindern und stellen somit auch keine Konkurrenz für die Eltern dar."
"Bei mir wird niemand verhätschelt"
Männer gehen anders mit Kindern um als Frauen. Das ist eine unbestreitbare Tatsache und das ist auch gut so. "Ich bin genauso liebevoll, aber vielleicht auch ein bisschen konsequenter, um ehrlich zu sein, sogar sehr auf Regeln und Grenzen fixiert. Man muss den Kindern beibringen, was geht und was nicht", meint Bernd Bremer. "Aber wenn sie das alle verinnerlicht haben, dann klappt das! Dann ist es zum Beispiel auch kein Problem mehr, mit mehreren kleinen Kindern einkaufen zu gehen", ist Lade überzeugt. "Ich denke, ich biete den Kindern ein männliches Vorbild, so wie ich es von meinem Großvater gelernt habe und ergänze damit das Männerbild, das sie bereits von ihren Vätern kennen", überlegt Rainer Lade. "Ich kann mich emotional auf die Kinder einlassen, ohne Erwartung. Ich schenke Vertrauen und Sicherheit."
Auch Manfred Schleicher ist davon überzeugt, dass er mit den Kindern anders umgeht, als es eine Tagesmutter tun würde. "Bei mir wird niemand verhätschelt. Tut sich einer weh, wird nachgesehen, ob er verletzt ist und dann erst einmal die Reaktion abgewartet. Auch bin ich nicht so der Bastler und Ringelringelreihe-Tänzer. Wir singen aber trotzdem. Letztendlich denke ich, reagieren die Kinder schon allein deswegen anders auf einen Mann, weil er eine ganz andere, tiefere Stimme hat."
Hauptsache praktisch
Der Wald- und Wiesentagesvater, wie ihn manche nennen, legt Wert darauf, jeden Tag mit den Kindern an die Luft zu gehen. Genau wie Bernd Bremer ist auch er, sobald der Himmel grau wird, oft der einzige am Spielplatz. Manchmal allerdings kommt Manfred Schleicher gar nicht so weit. Zum Beispiel dann, wenn unterwegs dringend ein Damm gebaut werden muss. Dass dabei so manches Kind nicht mehr das Kleidungsstück trägt, das es am Morgen mitgebracht hat, kann schon mal passieren. "Manchmal bringen mir die Eltern ihr Kind mit einer ganz modischen Mütze und das Ding rutscht dauernd ins Gesicht. Da bin ich ganz ehrlich: Sobald die Eltern um die Ecke sind, wird was Praktischeres aufgesetzt. Ich habe mir da ganze Garnituren von Mützen, Handschuhen oder Gummistiefeln angeschafft, das schont meine Nerven."
Möglicherweise ist das auch ein gewaltiger Unterschied zwischen Männern und Frauen. Männer sind auf eine gewisse Art ein bisschen praktischer im Umgang mit Kindern. "Manchmal macht es sich ein Mann wahrscheinlich wirklich leichter", bestätigt auch Bernd Bremer. "Wenn ich zurückdenke, als meine Drei noch klein waren: Derjenige, der zuerst dran war, bekam den Pulli ganz oben im Schrank. Und wenn das der rosafarbene der Schwester war, war es auch egal. Hauptsache warm!"
Ob Tagesmutter oder Tagesvater: Die Ziele sind die gleichen
Den Tagesvätern gemeinsam ist die Grundeinstellung zu ihrem Beruf und die Ernsthaftigkeit, mit dem sie ihn angehen. Was sie wiederum mit den meisten Tagesmüttern gemein haben. "Das Besondere an unserer Arbeit ist, dass es um Menschen geht. Wir heben Fortschritte hervor und ermutigen die Kinder, sich auszuprobieren und selbstverständlich trösten wir sie bei Misserfolgen", so Rainer Lade. Alle drei haben ihre Entscheidung, sich beruflich in diese Richtung umzuorientieren, nie bereut. "Klar bin ich jeden Abend ziemlich fertig", lacht Bernd Bremer. "Aber ich weiß, was ich getan habe und sehe, welche Früchte meine Arbeit trägt. Und das macht mich stolz!“ Manfred Schleicher ergänzt: "Und letztendlich geht es ja darum, dass die Kinder einen schönen und abwechslungsreichen Tag gehabt haben und zufrieden wieder abgeholt werden."