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COP29: Harte Kritik an Gastgeberland Aserbaidschan


Kritik an Konferenz in Baku
"Solche Worte sind grausam"

Von t-online, lma

Aktualisiert am 23.10.2024Lesedauer: 5 Min.
Ilham Alijew: Der aserbaidschanische Machthaber hat deutsche Politiker bestochen.Vergrößern des Bildes
Ilham Alijew (Archivbild): Der aserbaidschanische Machthaber hat deutsche Politiker bestochen. (Quelle: Ilya Pitalev/imago-images-bilder)
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In Aserbaidschan startet bald die COP29. Eine aktuelle Recherche wirft Fragen an der Glaubhaftigkeit des Gastgebers auf.

Die Wahl Aserbaidschans als Gastgeber der UN-Klimakonferenz COP29 entfacht heftige Kritik. Grund dafür ist, dass Aserbaidschan stark von fossilen Brennstoffen abhängig ist und dort die Menschenrechtslage schlecht ist. Diese Kombination macht das Land zu einem ungeeigneten Ort für Verhandlungen über globale Klimaziele, wie es von Kritikern immer wieder heißt. In einem aktuellen Bericht widmet sich die Umweltorganisation Urgewald zusammen mit der tschechischen Nichtregierungsorganisation (NGO) CEE Bankwatch den Hintergründen der Kritikpunkte.

Aserbaidschan, oft als "Land des Feuers" bezeichnet, hat eine jahrzehntelange Geschichte der Öl- und Gasproduktion, die das Rückgrat seiner Wirtschaft bildet. Rund 90 Prozent der Exporteinnahmen und etwa 60 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus fossilen Brennstoffen. Diese Abhängigkeit stellt einen massiven Interessenkonflikt dar, wenn das Land eine zentrale Rolle bei globalen Klimaverhandlungen spielen soll, heißt es in dem Papier der NGO Urgewalt.

In Deutschland erregte Anfang des Jahres außerdem die Anklage von zwei Abgeordneten im Zuge der Aserbaidschan-Affäre Aufsehen. Die Männer stehen im Verdacht, von Aserbaidschan bestochen worden zu sein. Mehr dazu lesen Sie hier.

Die 29. UN-Weltklimakonferenz (COP29)

Die 29. UN-Weltklimakonferenz (COP29) wird vom 11. bis zum 22. November 2024 in Baku, Aserbaidschan, stattfinden. Bei diesem globalen Gipfel treffen sich Vertreter fast aller Länder, darunter hochrangige Regierungsmitglieder, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Vertreter der Privatwirtschaft, um über Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels zu verhandeln.

Wachsende Gasproduktion statt Klimaschutz

Statt Maßnahmen zur Reduzierung von Emissionen zu ergreifen, hat Aserbaidschan im Vorfeld der COP29 seine Produktion von Öl und Gas weiter ausgebaut. Eine Vereinbarung zwischen der Europäischen Kommission und Aserbaidschan, die 2022 getroffen wurde, ermöglicht es dem Land, seine Gaslieferungen an Europa bis 2027 zu verdoppeln. Hintergrund der damaligen Entscheidung waren der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie der damit verbundene Ausstieg der meisten EU-Länder aus der Gasversorgung durch russische Unternehmen.

Diese steigenden Gasexporte werden durch große Infrastrukturprojekte wie den Ausbau der Südlichen Gaskorridor-Pipeline (SGC) ermöglicht, die Gas von Aserbaidschan nach Europa transportiert. Der Bau dieser Pipeline wurde maßgeblich von der EU gefördert, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren. Die Auswirkungen auf das Klima sind jedoch besorgniserregend: Laut Global Witness könnte die Gasförderung Aserbaidschans über die nächsten zehn Jahre hinweg bis zu 781 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen – mehr als das Doppelte der jährlichen Emissionen des Vereinigten Königreichs. (318,65 Millionen Tonnen CO2 – Stand 2022)

Zielsetzung der COP29

COP29 wird sich unter anderem auf die Anpassung an die Folgen des Klimawandels und die Klimafinanzierung konzentrieren. Besonders wichtig ist die Verhandlung über das "New Collective Quantified Goal on Finance", das neue Finanzierungsziel zur Unterstützung von Entwicklungsländern. Ein weiteres zentrales Thema wird die Umsetzung von nationalen Klimaschutzplänen (NDCs) für 2035 sein, die entscheidend sind, um das Pariser Klimaziel von maximal 1,5 Grad Erwärmung zu erreichen.

Kritiker, darunter Umweltorganisationen wie Urgewald, werfen Aserbaidschan vor, seine Klimastrategien als "Greenwashing" zu nutzen. Als "Greenwashing" bezeichnet man den Versuch von Firmen und Institutionen, sich durch vermeintlich ökologische Projekte als besonders umweltbewusst und umweltfreundlich darzustellen.

So hat der staatliche Energiekonzern SOCAR zwar die Tochterfirma "SOCAR Green" gegründet, die in erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie investieren soll. Tatsächlich jedoch bleibt der Fokus des Unternehmens auf fossilen Brennstoffen. "SOCAR Green wird nicht dazu beitragen, den Energieverbrauch zu senken, sondern lediglich Gas für den Export freisetzen", heißt es in einem Bericht von Urgewald. Zudem bleibt SOCARs Investition in den Ausbau fossiler Energien enorm: Allein zwischen 2022 und 2024 investierte SOCAR fast 300 Millionen Dollar in die Suche nach neuen Öl- und Gasvorkommen.

Menschenrechte und autoritäre Strukturen

Aserbaidschans autoritäres Regime und seine Menschenrechtsverletzungen werfen ebenfalls erhebliche Zweifel an der Eignung des Landes als Gastgeber für eine der wichtigsten globalen Konferenzen auf. Das Land wird von Präsident Ilham Alijew regiert, der oft beschuldigt wird, politischen Gegnern und Kritikern mit harter Hand zu begegnen. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch berichten regelmäßig von der Verfolgung politischer Aktivisten, Journalisten und Menschenrechtler. "Etwa 300 politische Gefangene sind derzeit unter dem Alijew-Regime inhaftiert", heißt es in einem aktuellen Bericht von der irischen Menschenrechtsorganisation Frontline Defenders.

Manana Kochladze, Regionalkoordinatorin bei der Organisation CEE Bankwatch, kommentiert: "Die aserbaidschanische Regierung zeigt null Toleranz gegenüber Andersdenkenden und ist nicht an einem zivilen Dialog interessiert. Die Fälle von Gubad Ibadoghlu, einem Akademiker und Experten für fossile Brennstoffe, und Afgan Sadiqov, dem Chefredakteur des aserbaidschanischen Mediums Azel.TV, der derzeit in Georgien auf seine Auslieferung wartet, veranschaulichen dieses düstere Muster. Das Alijew-Regime schikaniert systematisch Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten. Diese Bedingungen wecken nicht gerade Zuversicht für die bevorstehenden Verhandlungen in Baku."

Gubad Ibadoghlu wird laut Amnesty International für seine Anti-Korruptionsarbeit und seine Kritik an der Regierung verfolgt. Er befindet sich seit April im Hausarrest, zuvor war er 274 Tage inhaftiert. Afgan Sadiqov wurde auf das Ersuchen Bakus in Georgien festgenommen, bereits zuvor wurde der Journalist mehrfach verhaftet. Menschenrechtsgruppen sprechen von politisch motivierten Vorwürfen. Infolge eines Hungersteiks befindet sich Sadiqov auf der Krankenstation des Gefängnisses.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Klima- und Umweltschützer in Aserbaidschan zunehmend Repressionen erfahren. Menschenrechtsorganisationen warnen davor, dass die freie Meinungsäußerung in Aserbaidschan massiv eingeschränkt wird. "Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist für die Klimabewegung entscheidend", sagt ein Sprecher der NGO Global Witness. „Ein Land, das Klimaschützer verfolgt, sollte nicht die Verantwortung für globale Klimaverhandlungen übernehmen“.

Kritik von internationalen Klimaschützern

Die Entscheidung, Aserbaidschan die Präsidentschaft der COP29 zu übertragen, wurde von zahlreichen Klimaschutzgruppen scharf kritisiert. Präsident Alijew sagte beim Klimadialog 2024 in Berlin: "Öl- und Gasvorkommen zu haben, ist nicht unsere Schuld. Es ist ein Geschenk von Gott."

Joseph Zane Sikulu, Direktor der Aktivistengruppe Pacific Climate Warriors, sagte dazu: "Für uns im Pazifik sind solche Worte nicht nur gedankenlos – sie sind grausam. Unsere Häuser sind in Gefahr, und die Rettung unserer Heimat bedeutet, dass es keine Ausweitung von fossilen Brennstoffen geben darf." Durch den Klimawandel sind viele Pazifikinseln durch den steigenden Meeresspiegel bedroht.

Diese Kritik reiht sich in die weltweite Besorgnis über den zunehmenden Einfluss von Staaten mit großem Engagement in fossilen Brennstoffen auf die globalen Klimaverhandlungen ein. Aserbaidschan ist nicht das erste petrochemische Land, das eine COP-Konferenz ausrichtet. Zuvor hatte die Wahl der Vereinigten Arabischen Emirate für die COP28 zu ähnlicher Kritik geführt. Beide Länder, so die Kritik, haben ein starkes Eigeninteresse daran, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu verzögern.

Fossile Brennstoffe und internationaler Druck

Neben den Klimaschutzzielen wird Aserbaidschans Rolle in der internationalen Geopolitik zunehmend hinterfragt. Untersuchungen zeigten, dass SOCAR, der staatliche Öl- und Gaskonzern, möglicherweise geholfen hat, Sanktionen gegen Russland zu umgehen, indem er russisches Öl über die Türkei in die EU exportierte.

Der Druck auf die internationale Gemeinschaft, sich stärker gegen solche Interessenkonflikte zu positionieren, wächst. Der Klimagipfel COP29 in Baku wird von vielen als Test für die Sinnhaftigkeit künftiger Klimaverhandlungen gesehen. "Die COP-Verhandlungen sollten von Ländern geführt werden, die echte Klimaführerschaft zeigen, nicht von denen, die von fossilen Brennstoffen abhängig sind", fordert Urgewald in einer Stellungnahme.

"Die Länder mit Klima-Ehrgeiz müssen umso stärker ihren Einfluss geltend machen, sonst wird es eine verlorene COP", kritisiert Regine Richter, eine der Autorinnen des SOCAR-Reports.

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Verwendete Quellen
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