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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Klimakonferenz in Dubai Mit Babyschritten in die Katastrophe
Die Klimakrise wird immer drängender, doch die bisher gefassten Pläne reichen längst nicht aus, um das Ruder herumzureißen. Nun kommt die Welt zu einer Klimakonferenz in Dubai zusammen: Gelingt dort der Durchbruch?
Eigentlich will die Welt die Klimakrise in den Griff bekommen. In Dubai treffen sich ab diesem Donnerstag Tausende Delegierte von rund 200 Staaten, um einen gemeinsamen Weg aus der Krise zu finden. Bereits im Vorfeld der Konferenz schlugen internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen (UN) Alarm: Es sei nun höchste Zeit, die Klimakrise ernsthaft anzugehen.
Die UN legten dafür einen Bericht vor, um die Dringlichkeit zu unterstreichen. Demzufolge ist die Welt derzeit weit davon entfernt, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. "Der Bericht zeigt, dass die Regierungen zusammengenommen Babyschritte gehen, um die Klimakrise abzuwenden", erklärte UN-Klima-Chef Simon Stiell. Die Weltklimakonferenz müsse ein "Wendepunkt" sein.
Doch die Konferenz steht unter schwierigen Vorzeichen: Die Klimakrise setzt sich ungebremst fort – trotz früherer Beschlüsse. Und an dem Vorsitzenden der Konferenz, Sultan Ahmad al-Dschaber, gibt es erhebliche Zweifel, ob ihm tatsächlich etwas an dem Klima liegt – oder eher an seinen Ölgeschäften. Ein Überblick:
Wie ist die Klimakrise schon zu spüren?
Das Jahr 2023 war ein Rekordjahr: In mehreren Monaten wurde die höchste globale Durchschnittstemperatur seit Beginn der Aufzeichnungen gemessen. Besonders herausstach der 17. November, als die Temperatur dem EU-Klimawandeldienst Copernicus zufolge erstmals mehr als zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau lag.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Erde sich bereits um zwei Grad erwärmt hätte: Um die Erderwärmung zu messen, werden deutlich längere Zeiträume beobachtet. Derzeit liegt die Erderwärmung bei rund 1,1 Grad. Bereits bei diesem Temperaturanstieg sind die Folgen deutlich spürbar. Die augenscheinlichsten Veränderungen:
- Seit den 1950er-Jahren haben extreme Hitzeereignisse deutlich zugenommen, Kälteextreme hingegen abgenommen. Die Entwicklung wird auch in Europa deutlich: Die Zahl der Sommer mit starken Hitzewellen steigt.
- Auch die Ozeane leiden darunter. Meereshitzewellen haben sich laut Weltklimarat seit den 80er-Jahren verdoppelt, und auch die Durchschnittstemperatur steigt – mit dramatischen Auswirkungen für Pflanzen und Tiere wie Korallen. Mehr dazu lesen Sie hier. Außerdem steigt der Meeresspiegel immer schneller an.
- Das Eis schmilzt: Weltweit schmelzen Gletscher in einem Ausmaß, das beispiellos für die vergangenen 2.000 Jahre ist. Auch der arktische Eisschild geht stetig zurück: Der Eisschild ist hier teilweise so klein wie seit mindestens tausend Jahren nicht mehr. Der Nordpol ist eine der Regionen, die sich weltweit am schnellsten erwärmt haben. Sie gilt deswegen auch als Frühwarnsystem.
- Extreme Regenfälle werden häufiger – und damit zusammenhängend auch Überschwemmungen. Auch das hängt mit der Erderwärmung zusammen: Warme Luft kann mehr Flüssigkeit aufnehmen als kalte; wenn es regnet, kommt dann eine größere Menge Wasser zusammen. Das betrifft zunächst besonders die Tropen, Luftströmungen aber können diese wasserreichen Luftmassen in den Norden befördern.
- Gleichzeitig werden auch Dürren häufiger und intensiver. Das steht zu den stärkeren Niederschlagsereignissen nicht im Widerspruch, im Gegenteil: Zum einen ist es von Region zu Region sehr unterschiedlich. Zudem werden Trockenperioden länger, Niederschlagsereignisse intensiver. Der Boden ist dann teilweise so trocken, dass er das Wasser kaum aufnehmen kann.
Wie steht es um das 1,5-Grad-Ziel?
Vor acht Jahren atmeten große Teile der Klimaschutzszene auf: 197 Staaten war es gelungen, sich in einem einmaligen Akt auf ein gemeinsames Ziel zu verständigen. Die Erderwärmung soll auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzt werden, anvisiert wurde eine maximale Erwärmung von 1,5 Grad. Das war das Ergebnis der Klimakonferenz in Paris 2015. Die Einigung galt als historisch – eben weil sich die Staaten auf ein gemeinsames Ziel verständigten. 1,5 Grad wurden zur Chiffre für eine gemeinsame Anstrengung.
Das Problem: Die nötigen Schritte in Richtung dieses Ziels folgten nicht oder wurden bestenfalls zögerlich umgesetzt. Und das 1,5-Grad-Ziel, da sind sich viele Forscher einig, ist heute nur noch mit einer radikalen Kehrtwende oder gar nicht mehr zu erreichen. Es liege "außerhalb des Bereichs des Möglichen", sagte etwa Klimaforscher Joeri Rogelj vom Imperial College London der "Süddeutschen Zeitung". Und der deutsche Klimaforscher Mojib Latif sagte dem ZDF: "Die 1,5 Grad sind überhaupt nicht zu erreichen."
Die globale Erwärmung hängt eng mit dem Ausstoß von Treibhausgasen zusammen, allen voran CO2. Das Molekül Kohlendioxid kommt ganz natürlich vor – durch die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle gelangt allerdings immer mehr davon in die Atmosphäre. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich der Anstieg weltweit beinahe vervierfacht. Das fördert den sogenannten Treibhauseffekt massiv: Die immer höhere Dichte an CO2 in der Atmosphäre erschwert, dass Wärme in den Weltraum entweichen kann. Stattdessen bleibt sie in der Atmosphäre und bewirkt, dass die Temperatur ansteigt.
Um abzuschätzen, wie sich die Temperaturen entwickeln, ist die Konzentration von CO2 also einer der wichtigsten Indikatoren. Forschende des "Global Carbon Project" haben dazu kürzlich das sogenannte Kohlenstoffbudget neu berechnet. Es legt fest, welche Menge an Treibhausgasen noch ausgestoßen werden kann, damit die 1,5-Grad-Schwelle mit einer 50-prozentigen Chance nicht überschritten wird.
Das verbleibende Kohlenstoffbudget hat sich in den vergangenen drei Jahren halbiert – auf jetzt noch 250 Milliarden Tonnen. Zur Veranschaulichung: Im Jahr 2021 lag der Ausstoß bei mehr als 37 Milliarden Tonnen. Das Budget für das 1,5 Grad-Ziel wäre demnach, sollte jedes Jahr so viel wie 2022 ausgestoßen werden, in etwas mehr als sechs Jahren aufgebraucht. Ein Zwei-Grad-Ziel ist den Berechnungen zufolge realistischer: Hierfür stehen noch 1.220 Milliarden Tonnen zur Verfügung – es wäre also in rund 33 Jahren aufgebraucht. Auch für dieses Ziel bräuchte es demnach umfangreiche Maßnahmen, um die Emissionen zu reduzieren. Das UN-Gremium IPCC, auch Weltklimarat genannt, kommt zu ähnlichen Ergebnissen.
Kann die Konferenz nun den richtigen Weg weisen?
Die Vereinten Nationen (UN) mahnen dazu, dringend bei den Klimaschutzplänen nachzusteuern. Die UN hatten vor dem Gipfel alle Pläne der Staaten ausgewertet und kommen dabei zu dem Ergebnis, dass – selbst wenn alle ihre Pläne umsetzen – die Treibhausgasemissionen im Jahr 2030 nur zwei Prozent unter dem Niveau von 2019 lägen.
Hinzu kommt, dass viele Staaten ihre Pläne gar nicht oder nur schleppend umsetzen. Auch Deutschlands Bilanz ist dürftig. Zwar sehen Umweltexperten durchaus Fortschritte seit dem Regierungsantritt der Ampelkoalition. Deutschland ist jedoch nicht auf dem Weg zum Erreichen seiner Klimaziele für 2030, was die Bundesregierung auch einräumt. Nicht nur in Deutschland, auch weltweit wird der Verbrauch fossiler Energieträger noch immer stark gefördert, wie die folgende Grafik zeigt.
Um nun noch eine Chance zu haben, die im Pariser Klimaschutzabkommen festgehaltenen Ziele auch nur annähernd im Rahmen des Greifbaren zu halten, muss sich die Welt schnellstmöglich von der Nutzung aller fossilen Energieträger wie Öl, Gas und Kohle verabschieden. Darüber sind sich nicht nur viele Experten einig – auch Staaten brachten das Thema vor dem Gipfel auf die Agenda. So machte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) deutlich, "dass wir rausmüssen aus den fossilen Energien".
Der Konferenzvorsitzende Sultan Ahmed al-Dschaber aber sieht das anders. Al-Dschaber ist nicht nur Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, sondern auch Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc. Er machte bereits deutlich, worauf seine Hoffnungen bei der Bekämpfung der Klimakrise ruhen: Er will in großem Stil auf Technologien wie CO2-Speicherung und -Abscheidung setzen, die allerdings extrem teuer und bislang technisch unausgereift sind.
Recherchen der britischen BBC haben außerdem gezeigt, dass al-Dschaber und die Vereinten Arabischen Emirate den Vorsitz der Klimakonferenz nutzen, um Öl- und Gasabkommen abzuschließen. Mehr zu der umstrittenen Personalie al-Dschaber lesen Sie hier.
Experten halten eine Einigung zum Ausstieg aus den fossilen Energien auch deswegen für schwierig. "Insofern sehe ich die nächste Klimakonferenz unter ganz, ganz schlechten Vorzeichen und habe wenig Erwartungen, dass wirklich was kommt", sagte etwa Klimaexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) der Deutschen Presse-Agentur. "Das liegt in erster Linie an der Präsidentschaft und an diesem Präsidenten, der alles verhindern wird, was eigentlich notwendig ist."
- de-ipcc.de: Klimawandel 2022 Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit
- ipcc.ch: "AR6 Synthesis Report: Climate Change 2023" (Englisch)
- globalcarbonproject: "Carbon Budget 2022"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- zdf.de: ""1,5 Grad sind überhaupt nicht zu erreichen"
- sueddeutsche.de: "1,5 Grad Erwärmung sind praktisch besiegelt"