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Golfstrom stabiler als gedacht: Neue Studie überrascht Klimaforscher


Horrorszenario könnte ausbleiben
Mit großer Vorsicht zu genießen

Von t-online, pmi

02.03.2025 - 10:01 UhrLesedauer: 4 Min.
Flutkatastrophe im Ahrtal (Archivbild):Vergrößern des Bildes
Schwächt sich der Golfstrom ab oder kommt zum Erliegen, drohen Europa deutlich häufiger Wetterextreme wie der Starkregen, der 2021 das Ahrtal und andere Regionen in Deutschland heimsuchte. (Quelle: Christoph Hardt via www.imago-images.de/imago-images-bilder)
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Dass der Golfstrom zum Erliegen kommen könnte, gilt als eines der bedrohlichsten Szenarien der Klimakrise. Eine neue Studie kommt nun zum Ergebnis: Er ist stabiler als erwartet. Zur Entwarnung besteht aber kein Anlass.

Der Golfstrom ist eine der wichtigsten ozeanischen Strömungen der Erde und Teil der Atlantische Umwälz-Zirkulation (AMOC). Er transportiert warmes Oberflächenwasser aus den Tropen entlang der Ostküste Nordamerikas in Richtung Europa. Dieser Wärmetransport sorgt für das vergleichsweise milde Klima in weiten Teilen des Kontinents.

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Auf seiner Reise nach Norden kühlt das Wasser jedoch ab und erhöht seinen Salzgehalt durch Verdunstung. Dies macht das Wasser dichter, wodurch es in den Polarregionen wie der Labradorsee und der Grönlandsee in tiefere Wasserschichten absinkt. Dieser Prozess – das Sinken des kalten, salzreichen Tiefenwassers – ermöglicht es, dass die Strömung wieder in Richtung Äquator zurückfließt und den globalen Kreislauf fortsetzt.

Eine neue Studie unter der Leitung des nationalen meteorologischen Dienstes des Vereinigten Königreichs und der University of Exeter kommt nun zu dem Ergebnis, dass die Atlantische Umwälz-Zirkulation, zu der auch der Golfstrom gehört, widerstandsfähiger gegenüber der globalen Erwärmung sein könnte als bislang angenommen. Selbst unter extremen Klimaszenarien wie einer Vervierfachung des CO2-Gehalts oder starkem Schmelzwassereintrag aus Grönland zeigten die Simulationen keinen vollständigen Kollaps des Strömungssystems. Stattdessen wurde die Zirkulation durch Ausgleichsbewegungen in anderen Ozeanen aufrechterhalten.

Das Prinzip der Massenerhaltung macht Hoffnung

Die Studie, die im Fachjournal "Nature" veröffentlicht wurde, simulierte die Entwicklung der Zirkulation und damit des Golfstroms auf der Basis von 34 Klimamodellen bis zum Ende des Jahrhunderts. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Prinzip der sogenannten Massenerhaltung zu. Es besagt, dass Wasser, das an einer Stelle aufsteigt, an einer anderen Stelle absinken muss. Dies geschieht, weil die Menge an Wasser in den Ozeanen konstant bleibt und sich Strömungen so ausgleichen.

Dieser Mechanismus sorgt laut der Studie dafür, dass der Aufstieg von Tiefenwasser im Südpolarmeer eine Art Gegenbewegung erzeugt, die verhindert, dass das gesamte Strömungssystem zum Erliegen kommt. Dieser natürliche Ausgleichsmechanismus ist ein wesentlicher Faktor, warum die AMOC selbst unter extremen klimatischen Bedingungen weiterhin existieren könnte. In allen Szenarien schwächte sich die Strömung zwar deutlich ab, aber ein vollständiger Zusammenbruch blieb aus. Der windgetriebene Aufstieg von Tiefenwasser im Südlichen Ozean sorgte dafür, dass das globale Strömungssystem weiter funktionierte.

Darum ist der Golfstrom so wichtig für das Klima

Die AMOC ist eine der zentralen Strömungen im weltweiten Ozeansystem. Sie transportiert warmes Wasser aus den Tropen in den Nordatlantik und spielt eine entscheidende Rolle für das Klima in Europa. Schon eine starke Abschwächung könnte gravierende Folgen haben. Ein völliges Erliegen des Golfstroms hätte jedoch noch weitaus drastischere Konsequenzen. Es könnte weite Teile Europas in eine Kälteperiode stürzen, während Küstenregionen in Nordamerika mit extremem Meeresspiegelanstieg konfrontiert würden. Zusätzlich würde die Sahara weiter nach Norden vordringen, während der Amazonas-Regenwald durch ausbleibende Niederschläge zu einer trockenen Savanne werden könnte. Ein Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) stuft eine Abschwächung des Golfstroms im 21. Jahrhundert als sehr wahrscheinlich ein, erwartet jedoch keinen abrupten Zusammenbruch.

"Mit großer Vorsicht zu genießen"

Klimaforschende bewerten den neuen Modellierungsansatz positiv. Die Berücksichtigung globaler Ausgleichsbewegungen mache die Studie besonders wertvoll, sagt Gerrit Lohmann, Leiter der Arbeitsgruppe Dynamik des Paläoklimas am Alfred-Wegener-Institut: "Der Aspekt, dass Upwelling (Aufstieg von Tiefenwasser) und Overturning (Umwälzbewegung) gekoppelt sind, wurde bislang nicht so gut ausgearbeitet." Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hebt hervor: "Insbesondere zeigt die Studie, dass Versuche, einen Kippzeitpunkt unter stark vereinfachenden Annahmen vorherzusagen, mit großer Vorsicht zu genießen sind."

Dennoch bleiben Unsicherheiten. "Manchmal wird jedoch schon eine Minderung um 80 Prozent als Kollaps bezeichnet. Ob es einen Kollaps gibt oder nicht, hängt am Ende von der Definition von Kollaps ab", erklärt Jens Terhaar, leitender Wissenschaftler in der Abteilung Klima und Umweltphysik an der Universität Bern. Einige Forschende kritisieren zudem, dass die Modelle nicht auf einen längeren Zeitraum hin ausgewertet wurden. Lohmann gibt zu bedenken: "Es ist etwas erstaunlich, dass alle immer nur diese Simulationen bis 2100 ansehen und nicht weiter in die Zukunft rechnen. Der Atlantik wird salzhaltiger und er stabilisiert sich wieder, allerdings auf einem anderen Niveau."

"Global verheerende Folgen"

Die Zirkulation, die durch Temperatur- und Salzgehaltsunterschiede angetrieben wird, ist ein empfindliches System. Änderungen in der Temperatur oder im Salzgehalt des Wassers können die Dichteverhältnisse stark beeinflussen und damit den Antrieb der Strömung verändern. Besonders der zunehmende Schmelzwassereintrag aus Grönland könnte langfristig problematisch sein. "Wenn zu viel Süßwasser ins System gelangt, verringert sich die Dichte des Oberflächenwassers, was das Absinken des Wassers im Nordatlantik erschwert", erklärt Terhaar. Dies könnte eine noch stärkere Abschwächung der AMOC zur Folge haben, als in den aktuellen Modellen simuliert wurde.

Das könnte erhebliche Auswirkungen auf das globale Klima haben, warnt Boers. Es sei wichtig zu betonen, was auch eine Abschwächung des Golfstroms und des ihn umgebenden Zirkulationssystems bedeuten könne. Er spricht von "global verheerenden Folgen": einer Abkühlung in Europa, der Veränderung tropischer Niederschlagsmuster und ganz besonders einer Verschiebung der Monsunsysteme in Südamerika, Afrika und Asien. Für letztere spielt die AMOC eine Schlüsselrolle.

Verwendete Quellen
Transparenzhinweis

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