THW-Experte zu den verheerenden Fluten "Das haben wir in Deutschland nicht begriffen"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trotz Warnungen des Wetterdienstes in Spanien sind zahlreiche Menschen durch Fluten ums Leben gekommen. Was muss in solchen Fällen passieren? Ein Experte klärt auf.
Die Zahl der Toten nach den schweren Überschwemmungen in Spanien ist mittlerweile auf 205 gestiegen. Die Aufräumarbeiten laufen. In weiteren Regionen des Landes regnet es bereits erneut. Mehr dazu lesen Sie hier.
Wie bei anderen verheerenden Naturkatastrophen stellt sich die Frage: Wurden im Vorfeld des Unwetters die richtigen Maßnahmen getroffen? Hätten die Dutzende Tote verhindert werden können?
Wetterdienst warnte vor starkem Unwetter
Zumindest eines ist für den früheren THW-Präsidenten Albrecht Broemme klar: Der spanische Wetterdienst hat seine Hausaufgaben gemacht. Der Wetterdienst habe gewarnt. Die Wetterlage sei gut vorhergesagt gewesen. "Keiner kann sagen: 'Wir haben damit nicht gerechnet'", erklärt Broemme.
Bis zu 490 Liter Niederschlag pro Quadratmeter kamen schließlich herunter, so der spanische Wetterdienst. Im Vergleich zu Unwettern in Deutschland eine große Menge Regen: "Das Ahrtal, mit 120 Litern pro Quadratmeter Niederschlag, war ein müdes Vorgeplänkel", sagt Broemme.
Broemme: Bevölkerung muss Dringlichkeit klargemacht werden
Bei Mengen wie im Ahrtal seien im Rahmen des Hochwasserschutzes Regenauffangbecken wichtig. Gegen Niederschlag wie jetzt Spanien sei es schwieriger, sich zu wappnen: "Sie können nicht vor jedem Unwetter die notwendigen Maßnahmen hinbekommen", sagt Broemme. Fast 500 Liter pro Quadratmeter Regen – das sei das Ende der Fahnenstange.
Entscheidend sei jedoch auch, wie schnell die Bevölkerung gewarnt wird – und auf welchen Kanälen. Die Dringlichkeit bei Starkregen müsse den Menschen klargemacht werden: "Da droht großer Mist", so Broemme. Dann sollte sich nicht in Kellern oder Garagen aufgehalten werden. In überfluteten Kellern besteht etwa die Gefahr von Stromschlägen. "Die Zahl der Toten in Spanien ist eine Mahnung", sagt der Experte. Deswegen müssten die Warnungen ernst genommen werden.
Bisher sei das bei vielen Menschen auch hierzulande nicht angekommen: "In Deutschland haben wir nicht überall begriffen, wie ernst die Lage ist, wenn es zu Unwettern kommt", so Broemme weiter. Die Aufklärung sei Aufgabe der Kommunen. "Sie müssen jeden Haushalt erreichen." Generell müsse der Staat aktiv auf die Menschen zugehen und nicht auf sie warten.
Experte widerspricht Kachelmann
Broemme übt aber nicht nur an den Behörden Kritik – auch Meteorologen müssten ihren Beitrag leisten: "Die Meteorologen müssen klarer sprechen", meint Broemme. "Was ist denn eine 'Vb-Wetterlage'? Der Laie weiß das nicht." Eine solche Wetterlage beschreibt ein Mittelmeertief, das sich ins Zentrum von Europa bewegt. Das führte zuletzt im September zu schweren Regenfällen, etwa in Tschechien, Österreich und Polen.
Den Vorschlag des Meteorologen Jörg Kachelmann im Deutschlandfunk, eine nachgeordnete Behörde zu schaffen, die Maßnahmen vor schweren Unwettern trifft, unterstützt Broemme nicht: "Evakuierungen können nur von sehr lokaler Stelle aus ausgelöst werden." Selbst die Bezirks- und Landesebenen seien zu weit weg. Trotzdem habe es in der Vergangenheit eine Behörde gegeben, die laut Broemme für Aufklärung zuständig war: der Bundesverband für den Selbstschutz. Diese habe die Leute bis 1997 für den Verteidigungsfall, einen großen Krieg und Ähnliches geschult, erklärt der Experte. Diese Aufklärung brauche es jetzt wieder.
- Telefonat mit Albrecht Broemme
- deutschlandfunk.de: "Wetterexperte Kachelmann fordert mehr Vorsorge bei Starkregen"