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Klimawandel bekämpfen: Kapitalismus umprogrammieren


Sofort wirksam
Nur so geht der Kampf gegen die Klimakrise

Aktualisiert am 23.08.2023Lesedauer: 4 Min.
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Die Klimakrise lässt sich nicht mit guten Worten bekämpfen. Aber mit QR-Codes. (Quelle: IMAGO/Andreas Beil)

Eine zentrale These vieler Klimaaktivisten ist, der Kapitalismus sei schuld an der Klimakrise. Wenn das stimmt, dann sollten wir das nutzen. Ein Gastbeitrag von Stephan Noller.

Man kann lange diskutieren, ob der Kapitalismus besser abgeschafft gehört, um der Klimakrise zu begegnen. Wenn wir den Klimawandel wirksam eindämmen wollen, haben wir nur noch wenige Jahre für die richtigen Maßnahmen – vielleicht fünf, maximal zehn.

In dieser Zeit müssen wir versuchen, mit dem Kapitalismus zu arbeiten, nicht gegen ihn. Ihn quasi umprogrammieren. Das Faszinierende ist: Genau diese Umprogrammierung des Kapitalismus von innen heraus findet gerade weltweit statt. Ziemlich unbemerkt in der Öffentlichkeit, aber umso wirksamer und flächendeckender. Es geht um QR-Codes, und um EU-Gesetze.

Ab Januar muss jedes größere Unternehmen in der EU berichten, welchen Einfluss seine Tätigkeit auf die Umwelt und den Klimawandel hat. Und zwar mit hart gemessenen und später auditierten Zahlen und bis in die Lieferkette der eigenen Produktion und der Distribution der Produkte hinein. Was erst mal nur nach mehr Bürokratie klingt, ist in Wirklichkeit der Trick, den Kapitalismus und seine Regeln für den Klimaschutz zu aktivieren.

Stephan Noller ist Psychologe und Digital-Unternehmer. Aktuell arbeitet er mit seinem Unternehmen Ubirch an einer Datenplattform für Nachhaltigkeitsdaten.

Wenn also ein Autohersteller Autos mit viel CO2-Ausstoß produziert und dafür auch noch in der Produktion extrem viel Energie eingesetzt werden muss oder sensible Flächen zugebaut werden, dann muss er das in seinen Geschäftsbericht schreiben. Und sieht nicht gut aus. Jetzt können Sie sagen, das ist irgendein Bericht mit viel Geschwurbel auf einer Unterrubrik der Firmenwebsite, und die Geschäfte laufen weiter, wie so oft.

Das Heiligtum jeder Firma

Das dachte die EU sich auch – und verlangt deshalb die Publikation der Klimazahlen in einheitlicher und geprüfter Form in der Mitte des Geschäftsberichtes, dem Heiligtum einer jeden Firma. Da wird also in Zukunft auf einer Seite stehen, wie viel Geld die Firma mit welchen Produkten erwirtschaftet hat, und direkt daneben wird stehen, welchen Klima-Footprint all das zur Folge hat.

Damit endet es noch nicht, denn die Firmen werden ebenso gezwungen, sich Reduktionsziele zu verordnen, diese ebenfalls im Geschäftsbericht zu veröffentlichen und dann im nächsten Jahr zu berichten, ob das Ziel eingehalten wurde.

So ein Geschäftsbericht ist nicht nur ein ziemlich öffentlicher Ort, den Kunden, Investoren aber auch NGOs und JournalistInnen lesen – die Vorstände und Aufsichtsräte der Unternehmen haften für die Angaben in diesem Bericht auch üblicherweise persönlich.

Und falls Sie jetzt denken, ja, ja, die EU mal wieder – wir übertreiben es mit diesen Themen doch immer, und dann wandern die Firmen wieder ab. Stimmt nicht. Die Biden-Regierung hat gerade ein ähnliches Regelwerk für die staatlichen Ausgaben auf den Weg gebracht, und die amerikanische Börsenaufsicht SEC plant verpflichtende Nachhaltigkeits-Standards für die ganze US-Wirtschaft.

Kein Geld ohne gutes Klima-Rating

Auch andere wirtschaftskräftige Nationen wie Kanada, Australien, Japan und Neuseeland haben ähnliche Gesetze verabschiedet oder sind kurz davor. Die meisten Investoren und Finanzinstrumente haben ohnehin schon umgestellt, weil die Regeln für sie schon früher galten.

In Zukunft wird es also schwierig werden, Geld zu bekommen, wenn das Klima-Rating nicht gut aussieht.

Firmen werden bei Aufkäufen anhand der Zahlen in ihren Geschäftsberichten bewertet – da wird in Zukunft ganz selbstverständlich auch der nicht-finanzielle Berichtsteil mit einfließen und die Bewertung maßgeblich beeinflussen. Und natürlich ist es bei größeren Ausschreibungen schon heute oft erforderlich, nicht nur ein Angebot mit kaufmännischen Angaben einzusenden, sondern auch die zu erwartende Klimabelastung mit anzugeben. Das fließt dann in die Entscheidungsmatrix mit ein.

Wer nichts tut, bekommt also nicht nur kein Geld mehr, sondern kann auch die Ausschreibungen nicht mehr gewinnen und ist aus dem Business raus. Ich kenne Unternehmen, die bereits über Änderungen in ihrem Fuhrpark und den Umgang mit Geschäftsreisen nachdenken, weil sie bei der Erstellung des ersten Berichts erschrocken sind, wie groß der Klimaschaden dadurch ist.

Amazon fordert Klimadaten von Händlern

Um es ihren Kunden einfacher zu machen, arbeiten einige Firmen bereits an Lösungen, um grundsätzlich auf all ihren Rechnungen neben den Euro-Beträgen immer auch sogenannte CO2-Äquivalente anzugeben, also den Klima-Preis, den die Leistung hat, die jemand bei ihnen kauft. Damit der dann überprüfbar ist, packen sie den beispielsweise in einen QR-Code, den ihre Kunden und Kundinnen dann ganz einfach in ihre eigenen Rechnungen und Berichte übernehmen können.

Amazon hat vor einigen Tagen angekündigt, von allen Händlern und Zulieferern auf seiner Plattform in Zukunft detaillierte Klimadaten einzufordern und hat bereits ein erstes Klima-Siegel entwickelt, das langsam auf der Plattform immer sichtbarer wird.

Man muss kein Starökonom sein, um zu ahnen, dass wir hier von einem empfindlichen Eingriff in die Basismechanismen des Kapitalismus sprechen. Wenn wir neben den Euro-Angaben plötzlich eine zweite Metrik einführen, die Kaufentscheidungen triggern und Bewertungen beeinflussen kann, ist das nichts anderes, als den Kapitalismus von innen heraus umzusteuern. Ganz pragmatisch und lautlos passiert das, aber die Auswirkungen werden enorm sein.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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