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Waldbrände in Deutschland: "Wie halten wir die Leute davon ab, zu zündeln?"


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Experte zu Brandrisiko
Waldbrände: So entsteht "Feuerwetter"

  • Theresa Crysmann
InterviewVon Theresa Crysmann

Aktualisiert am 19.06.2023Lesedauer: 5 Min.
Ein Waldbrand in Kalifornien: Weltweit steigt die Zahl der Brände. In Deutschland ist 2023 bereits mehr Fläche verbrannt als sonst in einem ganzen Jahr.Vergrößern des Bildes
Ein Waldbrand in Portugal: Weltweit steigt die Zahl der Brände. In Deutschland ist 2023 bereits mehr Fläche verbrannt als sonst in einem ganzen Jahr. (Quelle: IMAGO/Michael Nigro)

Solange das Unterholz glüht, dominieren Waldbrände die Schlagzeilen. Ein Waldexperte erklärt, was auf den letzten Funken folgt und wieso Holz nicht das Kostbarste ist, was der Wald zu bieten hat.

Die Zahl der Waldbrände in Deutschland ist erneut überdurchschnittlich hoch. Allein in den ersten Juniwochen standen bereits Wälder und Forste in Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und an der Grenze zwischen Bayern und Thüringen in Flammen. Tendenz steigend.

Der Auslöser dafür sind nicht nur die zunehmende Dürre und steigenden Temperaturen in der Klimakrise. Wieso auch Politik und Waldbesitzer Verantwortung tragen, erklärt Waldexperte Pierre Ibisch im Interview.

t-online: Schon jetzt haben Waldbrände 2023 mehr Fläche in Deutschland verschlungen als sonst in einem ganzen Jahr. Wie kommt das?

Was wir jetzt sehen, ist das Ergebnis der vergangenen Jahre: Es ist das sechste Dürrejahr in Folge, die Böden sind knochentrocken und viele Bäume sehr geschwächt. Gleichzeitig steigen die Temperaturen – schon der Frühsommer war viel zu heiß, die Luftfeuchtigkeit ist niedrig. So entsteht "Feuerwetter". Kommt Wind dazu, ist die Brandgefahr besonders hoch. Insgesamt wird die Waldbrandsaison immer länger und intensiver.

Sie und andere Experten sprechen auch vom Beginn des "Zeitalters des Feuers". Sind wir auf das vorbereitet, was kommt?

Nein, wir sind nicht dafür gewappnet. Das sieht man schon an den veralteten Löschregeln: Aktuell muss sich immer erst die Feuerwehr der jeweiligen Kommune um kleinere Waldbrände kümmern, obwohl die sich extrem schnell ausweiten können. Erst dann kann Hilfe vom zuständigen Kreis angefordert werden. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Außerdem mangelt es in Bundesländern wie Brandenburg, die besonders schwer betroffen sind, an Spezialkräften. Es kann nicht sein, dass die freiwillige Feuerwehr erst mal allein anrücken muss, um einen Wald zu löschen. Es braucht aufmerksamere Politiker und mehr Geld vom Bund, damit sich das ändert.

(Quelle: Stephanie Neumann/HNEE)

Pierre Ibisch

Pierre Ibisch ist Professor für Naturschutz am Fachbereich Wald und Umwelt der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Gemeinsam mit Deutschlands bekanntestem Förster Peter Wohlleben hat Ibisch eines der Standardwerke zum Wald geschrieben: "Waldwissen: Vom Wald her die Welt verstehen".

Immerhin ein Drittel der Bundesrepublik ist bewaldet. Was müsste geschehen, um das Brandrisiko selbst zu minimieren?

In den vergangenen Jahren standen vor allem Kiefernmonokulturen in Flammen. Inzwischen brennen auch die absterbenden oder toten Fichtenbestände immer leichter. Generell sind Nadelforsten viel stärker von Bränden bedroht als Laub- und Mischwälder. Ein Grund dafür ist die höhere Brandlast in Form von leicht brennbarem Material.

Das müssen Sie bitte erklären.

Als Brandlast bezeichnet man alles, was in einem Wald besonders entzündlich ist. Dazu gehören tote Äste, Zweige, Zapfen und vertrocknete Nadeln. Die harzhaltigen Nadelbäume sind besonders brennbar. Sie beeinflussen auch den Boden und die krautigen Pflanzen so ungünstig, dass weniger Wasser im System gehalten wird.

Inwiefern wäre es hilfreich, das Totholz aus den Wäldern herauszuholen, um Bränden vorzubeugen?

Darüber wird immer wieder gestritten. Vor allem tote Zweige und Reisig bedeuten ein großes Risiko. Abgestorbene Baumstämme, die sich auf dem Waldboden zersetzen, werden wiederum regelrecht Wasserspeicher, die einen Brand verlangsamen und aufhalten können. Ohne Totholz fehlt Biomasse, die die Fruchtbarkeit und die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens erhält. Man kann Brände außerdem ausbremsen, indem Laubbäume und Sträucher im Unterwuchs aufwachsen. Die brennen nicht so leicht, können Hitze und Dürre tendenziell besser aushalten und sorgen dafür, dass der Boden selbst auch wieder mehr Wasser halten kann.

Kurz gesagt: Weg von den Fichten- und Kiefernwüsten. Sehen Sie, dass Förster und Waldbesitzer das umsetzen?

Einige tun das, aber es werden großflächig die alten Fehler wiederholt. Überall werden auch sehr große geschädigte Forstflächen wieder mit Nadelbaum-Monokulturen bepflanzt. In Brandenburg sehe ich das nach der Waldbrandsaison jedes Jahr aufs Neue. Inzwischen macht es mich dann doch langsam unruhig, dass da so gar keine Bereitschaft ist, aus Fehlern zu lernen.

Wie erklären Sie sich das?

Viele Verantwortliche sind mit der Situation offenbar überfordert und forsten so auf, wie sie es schon immer gemacht haben. Eine scheinbare einfache Lösung, aber die falsche. Dazu kommt möglicherweise der gefühlte ökonomische Druck, Holz auf den Markt bringen zu müssen, egal wie. Obwohl man einen Setzling von heute nicht morgen als Baum schlagen kann, sondern erst in vielen Jahrzehnten. Von daher fürchte ich, dass es oftmals ein Mix aus Sturheit und Ignoranz ist.

Das gilt auch für die Bevölkerung: Es gibt in Deutschland quasi keine natürlichen Auslöser für Feuer im Wald.

Exakt, Blitzeinschläge sind so selten, dass man diese Brandursache im Wald vernachlässigen kann. Bei diesen Feuern sind immer Menschen im Spiel. Und da ist die große Preisfrage: Wie halten wir die Leute davon ab, fahrlässig oder absichtlich zu zündeln? Im Zweifel braucht es sogar gezielte Zugangsverbote für brandgefährdete Wälder und strengere Kontrollen.

Zuletzt haben im Norden große Brände gewütet. Sobald die Glut erlischt, verschwindet die öffentliche Aufmerksamkeit. Was passiert in einem abgebrannten Wald?

Ein Wald ist nach einem Brand nicht verschwunden, die meiste Biomasse ist noch da. Sobald die Bäume komplett absterben, fallen sie zwar um und verrotten, werden dadurch aber zum Nährboden für neue Pflanzen. Bis es so weit ist, bieten sie Schatten, kühlen den Boden, bremsen die Austrocknung und schützen die jungen Bäume, die hoffentlich von selbst nachkommen. In Nordostdeutschland sind das vor allem Zitterpappeln, Birken und Weiden. Wir sehen allerdings auch, wie Hitze und Dürre die Walderneuerung bereits erschweren. Wird nach einem Brand alles kahlgeschlagen und der Boden im schlimmsten Fall umgepflügt, wird es allerdings noch schwieriger.

Am besten überlässt man verbrannte Flächen also sich selbst?

Einen Wald sollte man nach einem Brand unbedingt in Ruhe lassen. Auf solchen Brandflächen wachsen in der Regel viel mehr Bäume eigenständig nach, als ein Förster je pflanzen könnte. Und das auch noch kostenlos!

Und falls nichts mehr nachkommt?

Wenn keine jungen Bäume von allein nachwachsen, hat auch das aktive Anpflanzen oftmals keinen Erfolg mehr. Das passiert, weil der Boden zu degradiert ist oder das Klima einfach zu trocken und heiß. Grundsätzlich gilt: Mit der Natur zu arbeiten statt gegen sie, ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch für den Geldbeutel der Forstwirte.

Viele Waldbesitzer sehen im Holz ihre einzige Einkommensquelle – nirgends in der EU wird so viel geschlagen wie in Deutschland. Und das, obwohl intakte Wälder gratis helfen, die Klimakrise zu bremsen. Wie lässt sich das lösen?

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Wir müssen Waldbesitzer dringend dafür entlohnen, dass sie etwas anderes produzieren als Holz. Wälder kühlen die Umgebung, funktionieren als Wasserspeicher und ziehen in großen Mengen das klimaschädliche CO2 aus der Atmosphäre. Statt Holzwirten brauchen wir in der Waldwirtschaft zukünftig wohl eher Wasserwirte, Kühlungswirte und Klimawirte.

Wie kann das konkret aussehen?

Über Satellitenbilder lässt sich schon jetzt sehr genau auswerten, welche Flächen besonders effektiv das Klima und damit uns Menschen schützen. Das hängt vor allem davon ab, wie sie bewirtschaftet werden. Mit diesem Wissen und diesen Daten kann daraus ein ernsthaftes Geschäftsmodell werden. Da geht es nicht um Almosen oder Subventionen, sondern ein komplettes Umdenken in der Branche und in der Gesellschaft: Holz ist in dieser Heißzeit schon längst nicht mehr das Kostbarste, was der Wald uns liefert.

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