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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wichtiges Urteil Notwegerecht: Gericht verpflichtet Nachbarin zur Räumung
Wenn der Zugang zum Grundstück fehlt, entsteht oft Streit. Das sogenannte Notwegerecht regelt, wer unter welchen Bedingungen über ein Nachbargrundstück gehen darf. Doch was genau bedeutet dieses Recht und was sollten Betroffene beachten?
Wenn ein Grundstück keinen direkten Zugang zur Straße hat, dürfen Betroffene unter bestimmten Voraussetzungen über das Grundstück eines Nachbarn gehen. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Lübeck zeigt, wie weit dieses Recht reicht – und welche Pflichten beide Seiten haben.
Der Fall
Ein Nachbarschaftsstreit ums Notwegerecht landete vor dem Landgericht Lübeck. Ein Mann, dessen Gartengrundstück keine direkte Verbindung zur öffentlichen Straße hat, klagte gegen seine Nachbarin. Der Grund: Über Jahre nutzte er einen sogenannten Wirtschaftsweg auf ihrem Grundstück, um seinen Garten zu erreichen. Doch die Frau blockierte diesen Weg mit Pflanzsteinen. Sie argumentierte, dass die ständige Nutzung ihres Grundstücks eine unzumutbare Störung für sie sei. Außerdem hielt sie andere Nachbargrundstücke für geeigneter, den Zugang zum Garten des Klägers zu gewährleisten.
So urteilte das Gericht
Das Landgericht Lübeck stimmte dem Kläger zu. Er habe nach § 917 Abs. 1 BGB ein Notwegerecht. Denn sein Grundstück gilt als sogenanntes "Inselgrundstück". Das bedeutet, dass es ohne das Betreten der Nachbargrundstücke nicht erreichbar ist. Deshalb muss die Nachbarin den Weg freiräumen und die Pflanzsteine entfernen.
Das Gericht betonte, dass das Notwegerecht mehr umfasst als den bloßen Zugang zu Fuß. Der Mann muss den Weg auch mit Geräten wie einer Schubkarre oder einem Rasenmäher nutzen können, um seinen Garten zu bewirtschaften. Hindernisse wie die Pflanzsteine seien nicht nur unzulässig, sie verstoßen nach Ansicht der Richter sogar gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB).
Warum genau dieses Grundstück?
Ein weiterer wichtiger Punkt bei diesem Rechtsstreit war die Frage, warum der Notweg ausgerechnet über das Grundstück der Beklagten führen muss. Dafür untersuchte das Gericht, bei welchem Zugang die Belastung am geringsten ist. Geringste Belastung bedeutet in diesem Fall u.a. Effektivität der Zuwegung (Länge), die geringste Belastung für die Nachbarn und die historisch gewachsene Nutzung des Wirtschaftswegs. Das Ergebnis: Im konkreten Fall war der Wirtschaftsweg auf dem Grundstück der Beklagten die beste Lösung, da er bereits seit Jahren als Zugang diente.
Entschädigung möglich
Übrigens: Unter Umständen können Grundstückseigentümer, die ein Notwegerecht gewähren müssen, eine sogenannte Geldrente verlangen (siehe § 917 Abs. 2 BGB). Sie soll für eine angemessene Entschädigung für die Beanspruchung sorgen.
- gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de "Anspruch auf Beseitigung der auf einer Zuwegung zum Grundstück verbrachten Pflanzsteine"
- datev-magazin.de "Notwegerecht eines Nachbarn: Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner"
- haufe.de "Gartenbesitzer ohne Straßenzugang dürfen über Nachbargrundstück gehen"