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Borkenkäfer fressen sich auch 2020 durch unsere Wälder


Winzige Plage
Borkenkäfer fressen sich auch 2020 durch unsere Wälder

Von dpa
26.08.2020Lesedauer: 4 Min.
Schädlinge: In den Wäldern Nordrhein-Westfalens machen sich die Borkenkäfer nicht mehr nur über die Fichten her, sondern auch über andere Baumarten wie Kiefern und Douglasien.Vergrößern des Bildes
Schädlinge: In den Wäldern Nordrhein-Westfalens machen sich die Borkenkäfer nicht mehr nur über die Fichten her, sondern auch über andere Baumarten wie Kiefern und Douglasien. (Quelle: Roland Weihrauch//dpa)
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Gerade in der Corona-Krise ist der Wald für viele ein Erholungsort. Doch ein kleiner Käfer lässt davon mancherorts nicht mehr viel übrig. Und das schon im dritten Jahr in Folge. Experten sind in Sorge.

Sie sind nur millimetergroß, doch ihr Milliardenheer macht den Wäldern in Deutschland auch in diesem Jahr erneut schwer zu schaffen: Borkenkäfer, oder genauer gesagt Buchdrucker, verwandeln innerhalb kürzester Zeit ganze Waldlandschaften. Wo einst tiefgrüne Fichten standen, bleiben vielerorts nur noch braun-gräuliche Holzgerippe. Forstleute sind vielerorts nahezu pausenlos im Einsatz, um betroffene Bäume aus den Wäldern zu holen.

Denn die Gefahr sei, dem Borkenkäfer immer hinterher zu laufen, sagt der Leiter des Thünen-Instituts für Waldökosysteme in Eberswalde, Andreas Bolte. "Der Borkenkäfer sitzt unter der Rinde und durchtrennt Stück für Stück die Kohlenhydratzuleitung der Wurzeln bis zur Baumkrone", erklärt der Waldökologe. Die Bäume sterben also nicht primär durch den Trockenstress, sondern daran, dass langsam die Wurzeln absterben und sie kein Wasser mehr transportieren können.

Absterbende Bäume nur schwer zu erkennen

Der sichtbare Schaden tritt daher erst verzögert ein. Ein Baum könne schon komplett dem Tode geweiht sein, man sehe es ihm aber nicht an, da der Baum in der Krone noch grüne Nadeln habe, weiß Bolte. "In diesem Moment, wo das festgestellt wird, ist der Käfer aber längst schon wieder aus dem Baum draußen und befällt neue."

Neben Stürme bereitete vor allem die Trockenheit dem Borkenkäfer in den vergangenen Jahren leichtes Spiel: "Mit jedem Niederschlagsdefizit, das von Jahr zu Jahr zunimmt, werden die Wasser-Reserven in den Bäumen aufgebraucht", erklärt der Stadtforstdirektor von Fürstenwalde an der Spree, Thomas Weber. In seinem Forst sind viele Fichten bereits verschwunden. "Wenn Wasser fehlt, dann haben Nadelbäume auch keine Abwehrreaktion mehr bei einem Borkenkäferbefall." Denn normalerweise können die Bäume die Eindringlinge mit ihrem Harz übergießen und so unschädlich machen.

Hat der Borkenkäfer auch positive Seiten?

Aus ökologischer Sicht hat der Buchdrucker durchaus auch eine Berechtigung, denn eigentlich sorgt er dafür, dass sich Fichtenwälder regenerieren. Indem die Käfer kranke Bäume befallen, machen sie Platz für neue, gesunde. Zuletzt explodierten aber die Käfer-Populationen.

Das liege auch an der Vegetationsperiode, die in den vergangenen Jahren früher begonnen habe und wärmer gewesen sei, sagt Forst-Experte Bolte. Dadurch können sich mehr Larven entwickeln als sonst. "Jetzt sehen wir gerade die dritte Generation, die sich bereit macht. Damit haben wir einen deutlichen Überschuss in vielen Regionen an Borkenkäfern", erklärt er. Da die Käfer zuletzt auch massenhaft überwinterten, sei zudem die Anfangsgeneration im Frühjahr 2020 bereits groß gewesen. "In diesem Jahr ernten wir damit die bitteren Früchte aus 2018 und 2019 mit."

Unsere grünen Oasen leiden

Den deutschen Wäldern geht es ohnehin nicht all zu gut, wie zuletzt auch neue Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums belegten. Demnach haben Stürme, Dürre und Schädlinge den Wäldern noch heftiger zugesetzt, als bisher bekannt. Rund 285.000 Hektar müssen aufgeforstet werden – das ist mehr als die Fläche des Saarlandes. Bislang war die Bundesregierung im Zeitraum von Januar 2018 bis Ende Juni 2020 von 245.000 Hektar ausgegangen. Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als elf Millionen Hektar Wald.

Vom Borkenkäferbefall ist laut Thünen-Institut nahezu der gesamte Mittelgebirgsraum betroffen. Zu den typischen Fichtenregionen zählen etwa das Sauerland, der Pfälzer Wald, das Erzgebirge, der Thüringer Wald und der Frankenwald. Und so laufen auch aus genau diesen Regionen derzeit reihenweise Schadensmeldungen ein. Sachsen etwa meldete kürzlich die "schwerwiegendste Schadsituation seit Beginn der nachhaltigen Waldbewirtschaftung vor 200 Jahren".

Im Kreis Soest machte sich der Buchdrucker zuletzt sogar auch über Kiefern und Douglasien her, wie Forstleute beobachteten – wohl weil Fichten fehlten. Das sei allerdings kein neues Phänomen, teilt das für Kulturpflanzen zuständige Julius Kühn-Institut auf Anfrage mit. Und Thünen-Experte Bolte betont, dass dies eher Einzelfälle seien. Allein im Voralpenraum sieht es dieses Jahr wegen etwas mehr Niederschlägen dagegen noch etwas besser aus als andernorts.

Schädlingsbefall wird wahrscheinlich nicht abklingen

Doch aus Witterungssicht ist so schnell kaum Linderung in Sicht. Den Thünen-Experten zufolge bräuchte es mindestens zwei "ganz kühle und feuchte Jahre". "Das wäre nötig, zum einen, um die Widerstandskraft der Bäume zu stärken, zum anderen aber auch, damit die Population der Borkenkäfer insgesamt zurückgeht", sagt Bolte. Es sei eher wahrscheinlich, dass der Befall noch Jahre auf hohem Niveau bleibe.

Die Forstwirtschaft reagiert, indem neue Baumarten gepflanzt werden, die mit Trockenheit besser zurecht kommen. Das aber dauert lange. "Waldumbau schnell und zügig" sei oft das Schlagwort der Wahl, um den Wald auf den Klimawandel vorzubereiten, sagt Thomas Weber, der auch Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Brandenburg ist. Doch der Umbau werde durch eine ganze Reihe von Faktoren erschwert, wie etwa durch die oft kleinteilige Parzellen-Struktur im Privatwald.

Gerade viele kleine Privatbesitzer seien gar nicht in der Lage, den Umbau aus eigenen Kräften zügig voranzutreiben. Das liege auch am eingebrochenen Holzmarkt. "Der damit einhergehende Preisverfall deckt oft nicht mehr die Kosten der Holzernte", erklärt Weber. In vielen Forstbetrieben und bei Waldbesitzern fehle daher die Liquidität. Für die von Bund und Länder im vergangenen Jahr auf einem "Waldgipfel" bereitgestellten 800 Millionen Euro sowie für die 700 Millionen Euro aus dem Corona-Konjunkturpaket der Bundesregierung könnten daher oft die nötigen Eigenanteile nicht aufgebracht werden.

Pläne schmieden, um den Wald zu retten

Die Zahlen allein auf dem Papier reichten daher nicht, sagt Weber. "Wir müssen einen Masterplan für den Waldumbau auflegen, ähnlich wie wir Pläne in der Corona-Krise haben." Es bräuchte ein abgestimmtes Vorgehen zwischen der Bundesregierung und den Ländern, um Maßnahmen zu vereinbaren, wie dem Wald geholfen werden kann.

Die Wälder mittel- und langfristig klimafester zu machen, wünscht sich auch Bolte. "Wir müssen uns zusammen als Gesellschaft überlegen, wie sollen unsere Wälder unter den Bedingungen des Klimawandels aussehen." Dazu brauche es auch viel Forschung und Versuche.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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