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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hausbau Baukontrolle vom Kaffeeröster: Tchibo in der Kritik
Tchibo bietet privaten Bauherren aktuell eine laufende Baukontrolle an. Vier Leistungspakete stehen zur Auswahl. Doch viele Branchen-Kenner mahnen zur Vorsicht: Das Angebot des Kaffeerösters sei "weder ausreichend noch sinnvoll". Auch der Tchibo-Partner ist nicht über jeden Zweifel erhaben.
"Mit der Kooperation wollen wir die Qualitätskontrolle beim Bauen in das Bewusstsein zu rücken", erklärt Udo Schuhmacher-Ritz, Vorstandsvorsitzender des Vereins für Qualitätskontrolle am Bau (VQC), der die verkauften Baukontrollen durchführt. Bauen werde immer komplexer und vielen Verbrauchern sei die Wichtigkeit laufender Qualitätskontrollen kaum bekannt, so der VQC-Chef gegenüber zuhause.de.
"Das Angebot ist unplausibel und schlecht nachvollziehbar"
Grundsätzlich sei eine Bauqualitätssicherung natürlich wünschenswert, findet Wolf-Dieter Dötterer vom GIH-Bundesverband, in dem rund 2500 Energieberater organisiert sind. "Ich denke aber nicht, dass dies Aufgabe eines Kaffeeverkäufers ist."
Dötterer kritisiert das Tchibo-Angebot als intransparent und unzureichend. Gegenüber dem Fachportal "enbausa.de" bezeichnete er es sogar als "Bauernfängerei" und bestätigt diese Einschätzung im Gespräch zuhause.de: Es werde nicht ausreichend klar, welche Leistungen der Kunde bekommt, moniert Dötterer. "Das Angebot ist unplausibel und schlecht nachvollziehbar."
So sieht das Tchibo-Angebot aus
Bauherren können bei Tchibo aus zwei unterschiedlichen Leistungspaketen wählen. Sie erwerben heute Gutscheine, die sie innerhalb von 24 Monaten beim VQC einlösen können. Die Angebote gelten ausschließlich für Neubauten in Massivbauweise.
Das günstigste Basispaket kostet 999 Euro und umfasst zwei Baustellenbesuche durch einen Sachverständigen. Die erste Begehung erfolgt bei geschlossenem Rohbau, die zweite kurz vor Fertigstellung des Hauses. Im erweiterten Leistungspaket kommen eine weitere Begehung bei offenem Rohbau und ein Mängelverfolgungsbericht hinzu. Das Paket kostet 1555 Euro.
Beide Leistungspakete lassen sich um eine Begehung des Kellers aufstocken. Dann werden 1333 Euro im Basispaket beziehungsweise 1999 Euro im erweiterten Leistungspaket fällig. Ein Blower-Door-Test ist bei allen Paketen im Preis enthalten.
Leistungspakete "weder ausreichend noch sinnvoll"
"Mit den angebotenen Leistungen ist eine ausreichende Qualitätskontrolle nicht machbar", sagt GIH-Vorstand Dötterer. Sie müsse schon viel früher ansetzen – etwa bei der Prüfung von Verträgen, Hinweisen für die Bauherrschaft, welche Unterlagen zum Beispiel für die KfW nötig sind, sowie der Prüfung von Leistungsbeschreibungen und Bauzeitenplänen. Auch die Anwesenheit des Sachverständigen bei der Bauabnahme und Einweisungen für die Haustechnik hält er für unabdingbar.
Kritik kommt auch vom Verband privater Bauherren (VPB). Die im Basispaket vorgesehenen zwei Baustellenbesuche seien "weder ausreichend, noch ist die letzte Begehung kurz vor Fertigstellung eine sinnvolle Auswahl, wenn man vorher Entscheidendes weggelassen hat", bemängelt VPB-Hauptgeschäftsführerin Corinna Merzyn.
Kurz vor der Fertigstellung seien viele Ursachen für teure Schäden schon lange verdeckt. "Die sind nur in den Phasen dazwischen sichtbar." Auch der VPB bietet eine Bauherrenberatung für private Bauvorhaben an. Er empfiehlt sieben- bis acht Baustellentermine, je nachdem ob das Haus unterkellert wird oder nicht.
"Natürlich kann man je nach Bauvorhaben und Bauherrenwünschen und -budget einzelne Termine wegfallen lassen, das ist dann individuell zu besprechen." Ein Hauptkritikpunkt Merzyns sind deshalb die fixen Leistungspakete. "Da zahlt der Bauherr gegebenenfalls für Leistungen, die er nicht braucht und die, die dringend nötig wären, sind nur gegen Mehrkosten zu haben."
"Viele Begehungen nicht notwendig"
Udo Schumacher-Ritz, ist anderer Ansicht: "Wir wollen dem Bauherren ein Angebot unterbreiten, das verbindlich ist und nicht zum Fass ohne Boden wird." Für viele Bauherren reiche es völlig aus, wenn jemand mit über die Baustelle schaut und bei Missverständnissen aufklären kann. "Dafür sind nicht viele Begehungen notwendig", so der VQC-Chef.
Bei Bedarf könnten aber weitere Leistungen – beispielsweise zusätzliche Baustellenbesuche hinzugebucht werden. Dann wird allerdings ein Aufpreis fällig. "Eine Zusatzbegehung kostet 297,50 Euro inklusive einer Stunde auf der Baustelle, jede weitere Stunde auf der Baustelle oder im Büro kostet 89,25 Euro", sagt Schuhmacher-Ritz.
Fallen bei einer Begehung Mängel auf, würden diese im Protokoll aufgezeigt und mit Fotos belegt. Die Vor-Ort-Kontrolle der fachgerechten Mängelbeseitigung durch den Sachverständigen gibt es als weiteren Baustellenbesuch nur gegen Aufpreis – ebenso die Anwesenheit des Sachverständigen bei der Bauabnahme.
Prüfung der Bau- und Leistungsbeschreibung hinzubuchbar
Wie Dötterer betont auch VPB-Expertin Merzyn, wie wichtig eine fachmännische Begleitung schon vor der Bauphase ist – also die Prüfung des Bauvertrags sowie der Bau- und Leistungsbeschreibung. "Natürlich kann man auch erst später einsteigen. Zu spät ist es nie. Allerdings kann man am Anfang am meisten bewirken."
Auch die Prüfung der Bau- und Leistungsbeschreibung ist beim VQC für 446,25 Euro hinzubuchbar. "Wir führen aber keine Prüfung nach juristischen Fragen durch", betont Schumacher-Ritz. Das ist marktüblich. Auch VPB oder Bauherren-Schutzbund etwa führen juristische Prüfungen nicht selbst durch, sondern beauftragen damit sogenannte Vertrauensanwälte.
Tchibo-Angebot mit langer Aufpreis-Liste
Trotzdem muss man attestieren, dass die von Tchibo vertriebenen Leistungspakete keine vollumfängliche Qualitätskontrolle des Hausbaus gewährleisten. Sie lassen sich zwar flexibel aufstocken und erweitern, aber das treibt dann eben auch die Kosten. "Für mich stellen die Angebote Lockangebote dar", schimpft GIH-Vorstand Dötterer.
Verbraucher sind in jedem Fall gut beraten, Preise und Leistungen mehrerer Anbieter genau zu vergleichen, bevor sie sich für einen Partner entscheiden, der sie bei ihrem Bauprojekt unterstützt. Neben dem VQC und dem VPB bieten auch die Verbraucherzentralen und der Bauherren-Schutzbund eine Baubegleitung an – ebenso Tüv und Dekra.
"Da wird der Bock zum Gärtner gemacht"
Der VQC ist in der Branche generell nicht unumstritten. Mitglieder des Vereins sind nämlich ausschließlich Bauträger – also genau die Firmen, deren Bauausführung im Sinne des Bauherren auf Qualität geprüft werden soll. "Da wird der Bock zum Gärtner gemacht", findet Merzyn.
"Die Sachverständigen sind unabhängig und neutral", kontert Schuhmacher-Ritz. Beide Seiten – Bauherr wie Bauträger – hätten schließlich das gleiche Interesse daran, dass das Bauvorhaben schnell und reibungslos über die Bühne geht. "Deshalb haben beide Seiten großes Interesse an Qualitätskontrollen", ist der VQC-Chef überzeugt. Die Gefahr von Interessenkonflikten sieht er nicht.