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BGH fällt Urteil: Kinder aus Samenspende haben Recht auf Auskunft


Urteil des BGH
Samenspender-Kinder haben von klein auf ein Recht auf Vaterschafts-Auskunft

Von afp, dpa
Aktualisiert am 29.01.2015Lesedauer: 3 Min.
Konserviertes Sperma in einer KinderwunschklinikVergrößern des Bildes
Konserviertes Sperma in einer Kinderwunschklinik (Quelle: Symbolbild/dpa-bilder)
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An die 100.000 Kinder in Deutschland sind per Samenspende gezeugt. Viele treibt die Frage nach dem leiblichen Vater um. Muss ein Kind erst eine bestimmte Reife haben, um mehr über seine Herkunft zu erfahren? Diese Frage hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt abschließend geklärt: Kinder haben grundsätzlich ein Recht darauf, frühzeitig den Namen ihres biologischen Vaters zu erfahren. "Ein Mindestalter ist nicht erforderlich", heißt es in dem Urteil.

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1989 hat jeder das Recht auf Kenntnis seiner Herkunft. Strittig war aber, ob das auch schon für Kinder gilt. Jetzt argumentierte der BGH: Dieses vom Grundgesetz geschützte Informationsinteresse habe einen so hohen Rang, dass Altersgrenzen zum Informationsrecht der Kinder unzulässig seien.

Die höchsten deutschen Zivilrichter knüpften den Auskunftsanspruch allerdings an Bedingungen: Eltern könnten den Anspruch nur geltend machen, wenn dies der Information des Kindes diene. Auch müssten mögliche Auswirkungen auf das Privatleben des Samenspenders berücksichtigt werden. Dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung komme aber "regelmäßig ein höheres Gewicht zu" (Az.: XII ZR 201/13).

Auswirkung auf Unterhaltsansprüche

Die BGH-Richter betonten, für Kinder aus Samenspenden könne die Information über den biologischen Vater "für die Entfaltung der Persönlichkeit von elementarer Bedeutung sein". Für den Samenspender müsse die Auskunft zwar zumutbar sein. "Nicht maßgeblich sind hingegen seine wirtschaftlichen Interessen", so der BGH. Theoretisch könnten Spendern nach Preisgabe ihrer Identität sogar Unterhalts- oder Erbschaftsklagen drohen.

Zwei Schwestern wollen Auskunft über ihren biologischen Vater

Im vorliegenden Fall hatten zwei Schwestern aus der Nähe von Hannover Auskunft von einer Reproduktionsklinik verlangt. Das Landgericht Hannover lehnte dies ab, weil es die heute zwölf und 17 Jahre alten Mädchen für zu jung hielt. Dort entschieden die Richter, die Klägerinnen könnten ihr Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung erst mit Vollendung des 16. Lebensjahres geltend machen. Der BGH hob die Entscheidung nun auf und verwies den Fall mit dem deutlichen Fingerzeig dorthin zurück.

Das Gericht in Hannover muss nun klären, ob die Eltern die Auskunft wirklich für ihre Kinder wollen und es muss die Belange der Klägerinnen, der Klinik und des Samenspenders abwägen. Der BGH sah allerdings nichts, was dem Auskunftsanspruch der Mädchen entgegenstehen könnte - auch nicht der einst von den Eltern notariell erklärte Verzicht auf Herausgabe des Namen des anonymen Spenders.

In der mündlichen Verhandlung vor dem XII. BGH-Zivilsenat hatte der Anwalt der Klinik daran gezweifelt, ob es wirklich die Mädchen sind, die die Auskunft wollen, oder ob nicht vielmehr die Eltern die Frage nach dem biologischen Vater umtreibt. Die Mädchen seien schließlich nie selbst bei Gericht oder bei der Klinik erschienen. Und selbst wenn sie es wollten, so der Klinik-Anwalt weiter: "Ist alles, was kleine Kinder wollen, vernünftig?"

Der Anwalt der Klägerinnen hatte dieses Szenario allerdings zurückgewiesen. Für ihn war die Sache klar: "Die Rechte der Kinder wiegen schwerer als das Recht des Samenspenders."

Recht auf Kenntnis der Herkunft

Die Eltern der Mädchen hatten bei der Klinik notariell auf Auskunft über die Identität des Samenspenders verzichtet. Weil aber jeder Mensch in Deutschland das Recht auf Kenntnis seiner Herkunft hat, billigte das Oberlandesgericht Hamm (Nordrhein-Westfalen) 2013 erstmals in einem konkreten Fall, dass durch künstliche Befruchtung gezeugte Kinder den Namen ihres Vaters erfahren. Das kann für die Persönlichkeitsentwicklung wichtig sein, aber auch Unterhalts- oder Erbschaftsansprüche begründen.

Samenbanken und Reproduktionskliniken sicherten Spendern in Deutschland jahrzehntelang vertraglich Anonymität zu. Seit 2007 gibt es neue gesetzliche Regelungen, nach denen Samenspender über die Möglichkeit aufgeklärt werden, dass von ihnen gezeugte Kinder später Kontakt zu ihnen suchen. Zudem müssen Unterlagen 30 Jahre lang aufbewahrt werden, zuvor war dieser Zeitraum deutlich kürzer.

100.000 Spenderkinder in Deutschland

Der Verein Spenderkinder begrüßte die Grundsatzentscheidung. Seinen Angabe zufolge gibt es deutschlandweit bis zu 100.000 durch anonyme Samenspende gezeugte Kinder. Allerdings gingen selbst optimistische Schätzungen davon aus, dass derzeit nur etwa 30 Prozent der Eltern ihre Kinder über die Zeugung mit Hilfe eines Samenspenders aufklären.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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