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Wie Stress und Tinnitus zusammenhängen


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Arzt klärt auf
Tinnitus durch Stress – So beugen Sie vor


Aktualisiert am 13.10.2021Lesedauer: 4 Min.
Eine Frau mit gequältem Gesichtsausdruck bedeckt die Ohren mit einem Kissen. Die störenden Ohrgeräusche bei Tinnitus können sehr belastend sein. Häufig entstehen sie durch Dauerstress.Vergrößern des Bildes
Eine Frau mit gequältem Gesichtsausdruck bedeckt die Ohren mit einem Kissen. Die störenden Ohrgeräusche bei Tinnitus können sehr belastend sein. Häufig entstehen sie durch Dauerstress. (Quelle: ViktorCap/getty-images-bilder)
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Wer unter Dauerstress steht, ist anfälliger für einen Tinnitus. Warum Pfeifen, Piepen und Brummen im Ohr bei psychischem Druck oft stärker werden und wie Sie die Störgeräusche verhindern.

Die Psyche hat einen erheblichen Einfluss darauf, ob sich ein Tinnitus entwickelt. Besonders Menschen, die unter Dauerstress stehen, sind gefährdet. Gleichzeitig kann das störende Geräusch im Ohr dazu beitragen, das sich psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen verstärken. Wie Tinnitus und Stress zusammenhängen und warum das Pfeifen, Piepen und Brummen im Ohr oft an Intensität zunimmt, erklärt Dr. Frank Matthias Rudolph, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Tinnitus-Liga e. V. (DTL).

Dr. med. Frank Matthias Rudolph ist Ärztlicher Direktor der Mittelrhein-Klinik Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz, Chefarzt der Abteilung für Psychosomatik und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Tinnitus-Liga e. V. (DTL).

t-online.de: Herr Dr. Rudolph, wie viele Menschen in Deutschland haben Tinnitus?

Dr. Frank Matthias Rudolph: Mediziner unterscheiden zwischen akutem und chronischem Tinnitus. Während die akuten Ohrgeräusche im Laufe von drei Monaten wieder nachlassen, hält die chronische Form länger an. In Deutschland sind Schätzungen zufolge zwischen 3,5 und 4 Millionen Menschen von chronischem Tinnitus betroffen – Männer etwas häufiger als Frauen. Etwa die Hälfte der von chronischem Tinnitus Betroffenen leidet stark unter den Ohrgeräuschen.

Stimmt es, dass Stress eine bedeutende Ursache für Tinnitus ist?

Ja, Stress und Tinnitus hängen eng zusammen. Stress ist eine der häufigsten Ursachen von Tinnitus und kann die Ohrgeräusche deutlich verstärken. So kann aus einem zu Beginn leisen Pfeifen unter Stress das subjektive Empfinden entstehen, einen Düsenjet im Ohr zu haben.

Sehr oft tritt Tinnitus zudem mit psychischen Erkrankungen auf, etwa Depressionen, Burnout und Angsterkrankungen. Andersherum kann ein belastender Tinnitus psychische Erkrankungen begünstigen. Organische Erkrankungen als Auslöser sind nur in seltenen Fällen nachweisbar. Allerdings liegt bei etwa 80 Prozent der Tinnitus-Betroffenen eine bislang unerkannte Schwerhörigkeit vor. Wird diese mit einem Hörgerät behandelt, lassen auch die Ohrgeräusche nach.

Warum fördert Stress die Entwicklung eines Tinnitus?

Wir können unsere Ohren nicht schließen. Unentwegt dringen Geräusche in unser Ohr und unser Gehirn filtert diese für uns nach Priorität. Unter Stress werden wir nicht nur sensibler Geräuschen gegenüber. Die bei Stress ausgeschütteten Stresshormone können zudem die Hörfasern reizen, welche Signale an das Gehirn weiterleiten.

Auch kann anhaltender Stress die Reizverarbeitung im Gehirn selbst verändern. Früher waren die dahinterstehenden neurobiologischen Prozesse wichtig, um heranschleichende Gefahren frühzeitig zu hören und entsprechend reagieren zu können. Heute kann dieses komplexe Zusammenspiel zwischen Hören, Reizweiterleitung und Reizverarbeitung durch Stress stark gestört werden und stressbedingten Tinnitus auslösen.

Vielen macht Tinnitus Angst – zu Recht?

Tinnitus ist an sich nichts Gefährliches. Nur sehr selten sind die Geräusche im Ohr ein Hinweis für schwerwiegendere Erkrankungen. Auch die oft befürchteten Durchblutungsstörungen des Ohres sind nicht der Auslöser des Tinnitus. Es sind tatsächlich meist Einflüsse, welche die Psyche stark belasten, welche Tinnitus verursachen.

Das bedeutet zum einen: Angst vor Tinnitus muss niemand haben. Zum anderen bedeutet es aber auch: Wer mit Angst reagiert und sich auf die Ohrgeräusche fixiert, verstärkt sie in der Regel – auch aufgrund der vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen. Je mehr Sie mit Emotionen wie Angst, Wut, Frust und Ungeduld auf die Ohrgeräusche reagieren, desto mehr manifestieren sie sich und desto intensiver und lauter nehmen Sie diese wahr.

Akuter Tinnitus ist ein Warnzeichen, das sich in den meisten Fällen mit gezielter Stressreduktion und Akzeptanz den Geräuschen gegenüber in den Griff bekommen lässt. Wer weiter im Überlastbetrieb unterwegs ist und das Körpersignal ignoriert, riskiert, dass der Tinnitus chronisch wird.

Wie sollte man sich bei akutem Tinnitus am besten verhalten?

Die gute Nachricht ist: In aller Regel verschwindet ein akuter Tinnitus wieder von allein, nur in etwa 20 Prozent wird daraus ein chronischer. Dennoch oder gerade deshalb ist es wichtig, dass Betroffene im ersten Schritt versuchen, Stress und Belastungen stark zu reduzieren.

Bleiben die Geräusche länger als 48 Stunden bestehen oder treten sie gemeinsam mit einem Hörverlust auf, sollten Sie einen HNO-Arzt aufsuchen und mögliche organische Ursachen sowie eine Schwerhörigkeit abklären lassen. Eine ambulante Psychotherapie ist in jedem Fall ratsam, wenn der Verdacht besteht, dass der Tinnitus in Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen wie einer Depressionen oder einer Angststörung steht.

Bei starkem Leidensdruck und wenn die vorangegangenen Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg zeigen, ist ein Aufenthalt in einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik, die auf Tinnitus spezialisiert ist, empfehlenswert. Hilfreich ist außerdem der Kontakt mit Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe, beispielsweise der Deutschen Tinnitus-Liga e. V. – das ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen. Deshalb findet sich diese Empfehlung in der neuesten wissenschaftlichen Leitlinie zum chronischen Tinnitus.

Welche Möglichkeiten gibt es, bei akut auftretendem Tinnitus den Stresslevel rasch etwas abzusenken?

Mit folgender Atemübung können Sie den Körper etwas zur Ruhe bringen: Schließen Sie die Augen. Atmen Sie dreimal hintereinander über die Nase tief ein und über die leicht aufeinanderliegenden Lippen wieder aus. Atmen Sie etwa dreimal so lange aus, wie Sie einatmen. Konzentrieren Sie sich dabei ganz auf Ihre Atmung.

Auch Ruhe, Pausen und Rückzug helfen, den akuten Stress zu lindern. Bewegung ist ebenfalls hilfreich, da über Sport beziehungsweise körperliche Aktivität Stresshormone abgebaut werden. Generell empfiehlt es sich, stressreduzierende Maßnahmen zu erlernen, etwa Meditation, Achtsamkeitsübungen oder Muskelentspannungsübungen.

Herr Dr. Rudolph, vielen Dank für das Gespräch.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview
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