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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Körperliche Folgen und Spätfolgen Warum eine Magersucht so riskant ist
Untergewicht und ein ständiger Mangel an Nährstoffen bringen auf Dauer alle Organe in Gefahr. Darum drohen bei einer Magersucht vielfältige Folgen.
Menschen mit Magersucht hungern, bis sie extremes Untergewicht erreichen. Dazu versagen sie ihrem Körper über Monate oder sogar Jahre hinweg, was er braucht, und riskieren damit verheerende Folgen: Aufgrund der spärlichen bis kaum noch vorhandenen Fettreserven und des fortwährenden Mangels an Energie, Vitaminen und Mineralstoffen nehmen auf Dauer alle Organe Schaden. Im schlimmsten Fall versagen sie irgendwann, was tödlich enden kann.
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Wie genau sich Magersucht auf den Körper auswirkt, ist jedoch von Person zu Person verschieden. Welche Konsequenzen möglich sind, hängt unter anderem davon ab, wie lange die Erkrankung schon besteht und wie ausgeprägt das Untergewicht ist. Ebenso spielt eine Rolle, welche Maßnahmen die oder der Erkrankte zum Abnehmen ergreift: Wer sich regelmäßig absichtlich erbricht, hat mit anderen Konsequenzen zu rechnen, als wer Abführmittel einnimmt, "nur" auf Nahrung verzichtet oder exzessiv Sport treibt.
Hier soll es nur um die häufigsten Auswirkungen und Spätfolgen gehen, die bei einer Magersucht zu erwarten sind.
Folgen für Haut und Haar
Das Hautbild kann sich bei einer Magersucht stark verschlechtern, weil es der Haut an wichtigen Nährstoffen fehlt. Wunden heilen langsamer als früher und die Haut kann trocken werden. Betroffene, die sich zum Zwecke des Abnehmens immer wieder übergeben, haben mitunter eingerissene Mundwinkel und Schwielen an der Hand, mit der sie das Erbrechen herbeiführen.
Auf das Kopfhaar wirkt sich die Magersucht oftmals ebenfalls ungünstig aus: Bei manchen Erkrankten kommt es zu Haarausfall. Am Körper hingegen wachsen manchmal vermehrt Haare, die durch ihr flaumartiges, feines Aussehen leicht von der normalen Behaarung zu unterscheiden sind.
Es handelt sich dabei um die sogenannte Lanugobehaarung, die normalerweise bei Föten im Mutterleib vorhanden ist. Beim Baby ist der Flaum kurz nach der Geburt noch im Bereich der Schulter zu sehen. Beginnen die feinen Härchen im Erwachsenenalter erneut zu wachsen, liegt dem meist eine Magersucht oder eine andere Erkrankung zugrunde, die mit einem starken Gewichtsverlust einhergeht.
Folgen für das Herz
Wenn der Körper nicht ausreichend Energie zugeführt bekommt, beginnt er, mit seinen Kräften zu haushalten. Das macht sich unter anderem am Herzschlag bemerkbar: Dieser verlangsamt sich. Menschen mit Magersucht haben für gewöhnlich einen niedrigen Ruhepuls von unter 60 Schlägen pro Minute. Da sich ihr Herzschlag selbst bei Anstrengung nur unzureichend beschleunigt, sind sie weniger leistungsfähig als gesunde Personen. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu Athletinnen und Athleten. Deren Ruhepuls ist zwar ebenfalls niedrig, bei Belastung jedoch steigt ihre Herzfrequenz stark genug an, um die sportliche Leistung zu ermöglichen.
Mitunter treten neben dem verlangsamten Puls noch andere Herzrhythmusstörungen auf. Die Betroffenen erleben diese mitunter als beunruhigend, und in der Tat ist der veränderte Herzschlag ein Anzeichen dafür, dass der Körper unter dem Energiemangel leidet. In der Regel erholt sich das Herz aber wieder, sobald die oder der Erkrankte wieder mehr isst.
Folgen für Zähne und Mundhöhle
Einige Betroffene führen den Gewichtsverlust nicht allein durch Hungern herbei, sondern übergeben sich absichtlich, wenn sie doch etwas gegessen haben. Das wiederholte Erbrechen hinterlässt auf Dauer Spuren im Mund: Die Magensäure schädigt die Zähne, wodurch diese anfälliger für Karies werden. Außerdem können Entzündungen an Zahnfleisch und Mundschleimhaut auftreten.
Folgen für die Verdauung
Viele Menschen mit Magersucht leiden nach Mahlzeiten unter einem unangenehmen Völlegefühl, Übelkeit, einem Blähbauch und Verstopfung. Das liegt vor allem daran, dass sich ihre Verdauung verlangsamt. Zum einen, weil sie so wenig und unregelmäßig essen, sodass entsprechend wenig Stuhl entsteht. Ist das Stuhlvolumen zu gering, wird der Darm nicht ausreichend zum Arbeiten angeregt. Zum anderen geht die Essstörung mit Veränderungen im Hormon- und Mineralstoffhaushalt einher, welche die Verdauung beeinträchtigen können.
Bei einem Teil der Erkrankten tragen auch Abführmittel zu diesen Beschwerden bei. Diese Medikamente sind zwar dazu gedacht, die Verdauung zu beschleunigen. Bei längerfristiger Anwendung behindern sie die normale Darmtätigkeit jedoch.
Betroffene, die sich regelmäßig erbrechen, haben anstelle oder zusätzlich zu den genannten Magen-Darm-Symptomen oft noch weitere Verdauungsprobleme wie zum Beispiel Refluxbeschwerden. Dies entwickeln sich, weil ihre Speiseröhre immer wieder mit Magensäure in Berührung kommt. Häufig ruft die ständige Reizung zudem Entzündungen der Speiseröhre hervor.
Folgen für Fruchtbarkeit und Zyklus
Zyklusstörungen sind eine häufige Begleiterscheinung der Magersucht. Ein besonders hohes Risiko dafür besteht bei Betroffenen, die viel Sport treiben. Das Gehirn reagiert auf den ausgeprägten und ständig bestehenden Energiemangel, indem es die Produktion gewisser Hormone einstellt, welche für die Fruchtbarkeit wichtig sind. Darum bleibt bei vielen Erkrankten die Regelblutung aus, und sie können nicht schwanger werden. Wenn die Essstörung bereits im Kindesalter beginnt, setzt die Monatsblutung häufig gar nicht erst ein.
In den meisten Fällen stellt sich der normale Zyklus (wieder) ein, wenn die Erkrankten rechtzeitig medizinische und psychotherapeutische Unterstützung erhalten und wieder ein gesundes Gewicht erlangen. Das Ausbleiben der Monatsblutung und die Unfruchtbarkeit sind also nicht von Dauer. Die zugrundeliegenden hormonellen Störungen können allerdings die Gesundheit der Knochen beeinträchtigen – und zwar nachhaltig.
Spätfolgen betreffen vor allem die Knochen
Die Knochen sind auf bestimmte Hormone angewiesen, welche zu ihrem Aufbau und somit zu ihrer Stabilität beitragen. Bei einer Magersucht mangelt es dem Körper über längere Zeit an diesen Hormonen, weshalb die Knochen an Dichte und somit an Festigkeit verlieren. Die Knochen werden dann instabil und es kommt leichter zu Knochenbrüchen. Osteoporose nennen Fachleute diese Erkrankung.
Sie gilt als gefürchtete Langzeit- beziehungsfolge Spätfolge der Magersucht. Ihre Symptome zeigen sich erst nach Jahren oder Jahrzehnten: Die Erkrankten erleiden selbst bei kleineren Unfällen leichter Knochenbrüche. Auch entwickeln sie möglicherweise einen Rundrücken, was auf Wirbelbrüche hinweist. Das Risiko für Osteoporose steigt jedoch schon im frühen Verlauf der Magersucht: Studien zeigen, dass die Knochen bereits innerhalb der ersten zwölf Monate, nachdem eine Person die Diagnose erhalten hat, an Dichte verlieren.
Nicht nur die körperlichen Konsequenzen sind gefährlich
Eine Magersucht setzt nicht nur dem Körper zu. Die Erkrankung ist auch mit erheblichen seelischen Belastungen verbunden, welche sich wiederum in vielfältiger Weise auf das Leben der Betroffenen auswirken können. Die psychische Erkrankung überschattet ihre innere Welt, also ihre Gefühle und Gedanken. Zudem verursacht oder verschlimmert die Störung nicht selten Probleme in der Schule oder im Berufsleben sowie in wichtigen Beziehungen zu Freunden und zur Familie.
Je länger die Magersucht besteht und je größer der damit verbundene Leidensdruck ist, umso höher ist das Risiko für lebensbedrohliche Folgen bis hin zum Suizidversuch. All das verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass die Betroffenen frühzeitig Hilfe erhalten.
Der erste Schritt kann zum Beispiel ein Anruf bei einer Beratungsstelle sein, wie sie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) anbietet. Die anonyme Telefonberatung ist unter der Telefonnummer 0221 892031 erreichbar.
Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Online-Informationen von Deximed: deximed.de (Abrufdatum: 4.11.2022)
- Online-Informationen von AMBOSS: www.amboss.com (Abrufdatum: 4.11.2022)
- Online-Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): www.bzga-essstoerungen.de (Abrufdatum: 4.11.2022)
- Mitchell, J. E., et al.: "Anorexia nervosa". New England Journal of Medicine, Vol. 382, Iss. 14, pp. 1343-1351 (April 2020)
- Chidiac, C. W.: "An update on the medical consequences of anorexia nervosa". Current Opinion in Pediatrics, Vol. 31, Iss. 4, pp. 448-453 (August 2019)
- Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM): "S3-Leitlinie Diagnostik und Behandlung der Essstörungen". AWMF-Leitlinien-Register Nr. 051/026 (Stand: 31.5.2018)