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Corona-Pandemie | Oberste Amtsärztin: "Wir werden weitere Wellen erleben"


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Oberste Amtsärztin
"Die Lage ist sehr angespannt und schwierig"

InterviewVon Sandra Simonsen

Aktualisiert am 14.12.2021Lesedauer: 3 Min.
Corona-Schnelltest vor einem Café in Stuttgart: Womöglich liegen die tatsächlichen Infektionszahlen deutlich höher als in der offiziellen Statistik angegeben.Vergrößern des Bildes
Corona-Schnelltest vor einem Café in Stuttgart: Womöglich liegen die tatsächlichen Infektionszahlen deutlich höher als in der offiziellen Statistik angegeben. (Quelle: Marijan Murat/dpa)

Die Corona-Zahlen erreichen Rekordhöhen – die Dunkelziffer könnte noch deutlich höher liegen. Denn die Gesundheitsämter sind überfordert, erklärt Deutschlands oberste Amtsärztin Ute Teichert im t-online-Interview. Was bedeutet das?

Zehntausende Neuinfektionen jeden Tag, drei- oder sogar vierstellige Inzidenzen, überfüllte Krankenhäuser: Die vierte Corona-Welle hat Deutschland fest im Griff. Und mittendrin stecken die Gesundheitsämter. Denn dort müssen Fälle registriert, gezählt – und eigentlich auch nachverfolgt werden.

Doch: In den ersten Bundesländern haben die Gesundheitsämter bereits die Kontrolle verloren, weitere könnten folgen. Was das für die offiziellen Zahlen bedeutet und was nun dringend passieren muss, hat Ute Teichert, die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, im Interview mit t-online erklärt.

t-online: Wie ist die aktuelle Lage in den Gesundheitsämtern?

Dr. Ute Teichert: Die Lage ist sehr angespannt und sehr schwierig. Wir sehen das an den Inzidenzen: Die Gesundheitsämter sind massiv überfordert. Wir haben nicht genug Personal, um das alles zu stemmen.

(Quelle: Bettina Engel-Albustin)


Dr. med. Ute Teichert ist die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die Fachärztin vertritt somit die Interessen von rund 3.000 Ärztinnen und Ärzten in über 400 Gesundheitsämtern. Der Öffentliche Gesundheitsdienst hat eine wichtige Funktion im Infektions- und Katastrophenschutz. Ute Teichert leitet außerdem seit 2014 die Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf.

Haben die Gesundheitsämter die Kontrolle verloren? Können die Fälle überhaupt noch nachverfolgt werden?

Das ist je nach Bundesland ganz unterschiedlich. Beispielsweise in Sachsen hat das Land den Gesundheitsämtern aufgegeben, die Kontaktpersonennachfolgung auszusetzen, um alle Infektionsfälle erfassen zu können. In anderen Ländern variiert das, einige machen das noch, andere wie beispielsweise auch Baden-Württemberg nicht mehr. Ich kann das aber auch nicht genau beziffern.

Was müsste passieren, damit die Ämter wieder Kontrolle über die Fallzahlen erlangen?

Erst einmal müssten die Kontakte wieder reduziert werden. Die Anzahl der Kontakte ist das Schwierige, weil es momentan so viele sind. Wir haben nur wenige Kontaktbeschränkungen und wenn, dann nur regional. Das heißt, wenn jemand ein positives Testergebnis hat, hatte derjenige oft sehr viele Kontakte – und die können nicht mehr nachverfolgt werden.

Und natürlich brauchen die Gesundheitsämter mehr Personal. Das sage ich schon seit Jahren – und durch die Pandemie wurde die Lage nur verschärft. Wir haben uns zuletzt an der 50er-Inzidenz orientiert und gesagt: Dann brauchen wir vier Kontaktpersonen-Ermittler. Jetzt sind wir bei Inzidenzen von 500 und 1.000 – aber die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist nie angepasst worden. Dass das nicht mehr passt, ist logisch.

Wie in nahezu allen Bereichen sind natürlich auch die Gesundheitsämter nicht ausschließlich für Corona-Fälle gedacht: Was passiert aktuell mit anderen Aufgaben?

Die bleiben alle liegen. Eigentlich machen alle nur noch Corona – das war im vergangenen Jahr schon so und ist jetzt auch wieder so.

Welcher Nicht-Corona-Bereich ist dabei besonders wichtig?

Besonders schwierig für die Pandemie sind natürlich die aufsuchenden Hilfen. Denn genau damit sprechen wir eigentlich Gruppen an, die hilfebedürftig sind – und genau die wollen wir auch in der Pandemie eigentlich erreichen und beispielsweise vom Impfen überzeugen. Diese Kontakte brechen weg. Und natürlich ist auch der Kinder- und Jugendbereich wichtig, genauso wie der Bereich der Krankenhaushygiene. Krankenhäuser und Gesundheitsämter arbeiten am Anschlag.

Aufsuchende Hilfe
Viele Gesundheitsämter bieten eine sogenannte aufsuchende Hilfe, bei der Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Suchtkranke sowie deren Angehörige Hilfe bekommen können.

Und dabei ist der Gesundheitsschutz eigentlich besonders wichtig …

Ja, ich möchte wirklich noch einmal den Appell loswerden, wie wichtig öffentliche Gesundheit und der Gesundheitsschutz der Bevölkerung sind. Die Pandemie ist nicht am Ende. Wir werden wahrscheinlich noch weitere Corona-Wellen erleben. Und wir müssen uns da vernünftig aufstellen. Dazu gehört für mich auch, die Krankenhäuser und natürlich auch die Gesundheitsämter ordentlich auszustatten. Man kann ja nicht jedes Mal sagen: "Hilfe, jetzt schicken wir die Bundeswehr dahin!"

Neben den Inzidenzen gibt es ja noch andere Werte, deren Erfassung immer wieder in der Diskussion steht: Wie sehr können wir uns auf die Hospitalisierungsinzidenz verlassen?

Die Hospitalisierunginzidenz ist schwierig: Dafür gibt es kein einheitliches Erfassungssystem.

Wie sollte es Ihrer Meinung nach idealerweise laufen?

Wir brauchen eine vernünftige Digitalisierung. Wir brauchen die technische Ausstattung in Krankenhäusern, bei Ärzten und auch in Gesundheitsämtern. Und wir haben auch immer noch das Problem, dass der Austausch oft nicht klappt.

Was wäre aus Ihrer Sicht ein gangbares Konzept, um die Situation zu verbessern?

Man müsste längerfristig qualifiziertes Personal einstellen und ausbilden. Es ist aber sehr schwierig, entsprechende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Die Gesundheitsämter müssen konkurrenzfähig aufgestellt werden, auch bei der Bezahlung der Fachkräfte.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Teichert!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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