Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vor der Corona-Impfung Welche Medikamente Sie absetzen sollten und welche auf keinen Fall
Viele Menschen sind bereits gegen Corona geimpft. Andere sind noch skeptisch, zum Beispiel auch, weil sie gegen Grunderkrankungen Medikamente einnehmen und nicht wissen, ob sich diese mit dem Piks vertragen. Eine Übersicht der Empfehlungen der Mediziner.
Jeder dritte Deutsche nimmt jeden Tag ein bis zwei Medikamente ein, 23 Prozent sogar drei oder mehr. Da fragen sich viele: Vertragen sich diese Arzneimittel mit der Impfung gegen das Coronavirus? Welche Wechselwirkungen bereits bekannt sind und was Mediziner raten.
Keine prophylaktische Einnahme von Schmerzmitteln
Vorab: Prophylaktisch vor der Impfung eine (auch fiebersenkend wirkende) Schmerztablette einzunehmen, wird nicht empfohlen. Das Robert Koch-Institut (RKI) teilt zwar mit: "Die Datenlage zu den Covid-19-Impfstoffen ist aktuell nicht ausreichend, um eine sichere Aussage hinsichtlich eines Einflusses der genannten Medikamente auf die Wirksamkeit (Immunogenität) der Impfstoffe treffen zu können."
Im Folgenden heißt es jedoch: "Experten gehen aufgrund der Erkenntnisse aus Studien mit anderen Impfstoffen davon aus, dass eine prophylaktische Gabe von fiebersenkenden oder schmerzlindernden Medikamenten nicht empfehlenswert ist."
Eine Studie aus Kanada kam zu dem Schluss, dass durch die prophylaktische Einnahme der Impfeffekt ‒ also die Bildung von Antikörpern ‒ beeinträchtigt werden kann.
Kommt es infolge der Impfung zu Nebenwirkungen, können diese Medikamente jedoch angewandt werden. In einem Aufklärungsmerkblatt (Stand 21. Mai 2021) teilt das RKI mit: "Bei Schmerzen oder Fieber nach der Impfung können schmerzlindernde/fiebersenkende Medikamente eingenommen werden. Ihre Hausärztin/Ihr Hausarzt kann Sie hierzu beraten."
Zu empfehlen ist hier nach Expertenmeinung jedoch ein zeitlicher Abstand von sechs Stunden zur Impfung. Eine sofortige Einnahme nach dem Piks schwäche die Immunantwort.
Medikamente gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die Frage, inwieweit Herzpatienten vor der Impfung gegen Covid-19 Medikamente absetzen oder reduzieren sollten, wurde zum Start der Impfkampagne unter Fachleuten diskutiert. "Besonders bei den gerinnungshemmenden Medikamenten ('Blutverdünner') gab es am Anfang Unklarheiten", erklärt Dr. Thomas Meinertz im Gespräch mit t-online. Er ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg und im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung.
"Einige Ärzte rieten zu Beginn der Impfkampagne ihren Patienten, die diese Mittel einnehmen, die Dosis dieser Medikamente zu reduzieren oder sie zeitweilig auszusetzen. Sie hatten die Befürchtung, dass die intramuskuläre Injektion zu Blutungen in dem Muskel führen kann. Es hat sich aber gezeigt, dass es in der Regel nicht zu Komplikationen kommt, da bei der Impfung dünne Nadeln benutzt werden. Die gerinnungshemmende Therapie muss für die Covid-19-Impfung nicht verändert werden. In keinem Fall sollte sie eigenmächtig abgesetzt werden. Sonst erhöht sich das Risiko für thromboembolische Komplikationen."
Und er erklärt weiter: "Patienten, die auf Marcumar eingestellt sind, sollten vor einer Covid-19-Impfung in Absprache mit dem Arzt ihren INR-Wert kontrollieren lassen. Die Einnahme von Aspirin oder Clopidogrel stellt kein Hindernis für eine Impfung dar."
Immunsuppressiva (zum Beispiel bei Rheuma oder Multipler Sklerose)
Immunsuppressiva unterdrücken bestimmte körpereigene Abwehrreaktionen. Meinertz sagt: "Bei diesen Medikamenten deuten erste Daten darauf hin, dass die Impfantwort ‒ also die Immunantwort auf die Covid-19-Impfung ‒ deutlich schwächer ausfallen kann. Man arbeitet an einer Lösung des Problems für immunsupprimierte Patienten."
Speziell für Rheumakranke gibt das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein folgende Empfehlung: "Wenn Sie Immunsuppressiva wie Methotrexat, Azathioprin, MMF, Jak-Inhibitoren oder andere orale Medikamente einnehmen, kann es sein, dass die Impfantwort nicht so gut ausfällt und sie weniger gut geschützt sind als jemand, der nicht mit diesen Medikamenten behandelt wird.
Sie können die Impfantwort erhöhen, wenn Sie die tägliche orale Gabe des Immunsuppressivums zwei bis fünf Tage vor der Impfung absetzen und auch noch sieben bis zehn Tage warten mit dem Wiederbeginn der Therapie, bis die Impfantwort eingesetzt hat. Eine 14-tägige Pause hat die Impfantwort verbessert.
Beim MTX hat sich eine 14-tägige Pause als sicher und gut erwiesen, die Impfantwort zu erhöhen. Nehmen Sie in der Woche vor der Impfung kein MTX ein und pausieren Sie auch für eine Woche nach der Impfung. Damit haben Sie alles getan, um eine möglichst gute Impfantwort zu erhalten."
Für Menschen, die an Multipler Sklerose leiden, hat die Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) eine Liste aller MS-Therapien zusammengestellt und teilt die bisherigen Erfahrungen im Bezug auf die Corona-Impfung. So sollte eine Impfung zum Beispiel bei einer Hochdosis-Cortison-Therapie erst zwei, besser noch vier Wochen nach Beendigung der Therapie erfolgen. Die vollständige Liste finden Sie hier.
Wichtig: Halten Sie in jedem Fall Rücksprache mit Ihrem Arzt.
Chemotherapie bei Krebs
Hier teilt der Krebsinformationsdienst beim Deutschen Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft mit: "Unter medikamentösen Krebstherapien wie Chemotherapie, zielgerichteter Therapie oder Immuntherapie mit Immuncheckpoint-Hemmern ist eine Corona-Impfung prinzipiell möglich. Bisher liegen noch keine aussagekräftige Daten aus hochwertigen Studien zum optimalen Zeitpunkt der Covid-19-Schutzimpfung während einer Chemotherapie vor."
Die Experten der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) erklären: "Während einer laufenden Chemotherapie mit mehreren Zyklen sollten Ärzte und Patienten versuchen, einen zeitlichen Abstand zur Krebstherapie zu erreichen. Das soll das Risiko überlappender Nebenwirkungen vermindern. Es ist nicht empfohlen, eine Chemotherapie wegen der Covid-19-Schutzimpfung automatisch auszusetzen oder zu verschieben."
Antiallergika
Meinertz betont: "Hauptproblem bleiben allergische Reaktionen auf die Impfung. Polyallergiker ‒ also Menschen, die mehrere Allergien haben ‒ sollten vor der Impfung Rücksprache mit ihrem Arzt halten."
Auf der Seite des Deutschen Allergie- und Asthmabundes (DAAB) gibt es darüber hinaus einen Flyer zu "Patienteninformation zum Thema 'Allergie und Covid-19-Impfung'".
Außerdem teilt der Verband mit: "Patienten mit einem allergischen Schnupfen bzw. einem allergischen Asthma benötigen weiterhin ihre medikamentöse Therapie zur Linderung der Beschwerden. Für antiallergische Medikamente wie Antihistaminika oder nasale Steroide wie Cortison-Nasensprays liegen keine Daten vor, die gegen ihren Einsatz vor oder nach einer Covid-Impfung sprechen.
Asthma-Patienten sollen weiterhin ihre Cortison-Medikamente zur Inhalation regelmäßig einnehmen, damit das Asthma gut kontrolliert ist.
Nach bisherigen Erkenntnissen können auch Covid-19-Patienten Antihistaminika und Cortison zur Inhalation weiter einnehmen."
Für Allergiker, die sich derzeit in Hyposensibilisierung (einer Allergie-Impfung) befinden, gelten folgende Empfehlungen: "Zwischen der Verabreichung einer subkutanen Hyposensibilisierung (Spritze) und der Covid-19-Impfung sollte wie bei allen anderen Impfungen ein Mindestabstand von einer Woche eingehalten werden.
Um mögliche Reaktionen infolge der Covid-19-Impfung von Reaktionen durch die sublinguale Hyposensibilisierung mit Tabletten oder Tropfen zu unterscheiden, sollte diese nach allergologischem Erfahrungswissen mindestens ein bis zwei Tage nach der Covid-19-Impfung pausiert werden.
Patienten, die sogenannte Biologika erhalten, beispielsweise Patienten mit schwerem Asthma, können geimpft werden. Derzeit wird empfohlen, zwischen Behandlung und Impfung etwa eine Woche Abstand einzuhalten. Daran sollte auch beim zweiten Impftermin gedacht werden."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Interview mit Dr. Thomas Meinertz vom 26. Mai 2021
- Stellungnahme des RKI zur prophylaktischen Einnahme von Schmerzmitteln vor der Impfung
- Kanadische Studie über Auswirkung einer prophylaktischen Einnahme von Schmerzmitteln
- Aufklärungsmerkblatt des RKI
- Empfehlung des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
- Stellungnahme des Krebsinformationsdienstes
- Impfungen und Multiple Sklerose: Empfehlungen der DMSG
- Patienteninformation des DAAB
- Eigene Recherche