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Corona – Experte: "Wettlauf zwischen Impfen und dritter Welle klar verloren"


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Experte zur Pandemiebekämpfung
"Der Wettlauf zwischen Impfen und dritter Welle ist verloren"


07.04.2021Lesedauer: 3 Min.
Park in Saarbrücken: Im Saarland ist ein Corona-Modellprojekt gestartet.Vergrößern des Bildes
Park in Saarbrücken: Im Saarland ist ein Corona-Modellprojekt gestartet. (Quelle: BeckerBredel/imago-images-bilder)

Die Corona-Impfungen kommen schleppend voran. Rufe nach einem harten, kurzen Lockdown werden lauter. Zeitgleich lockert ein Bundesland die Regeln. Welcher ist der richtige Weg im Kampf gegen die Pandemie?

Braucht Deutschland einen "Brückenlockdown", um die dritte Corona-Welle zu brechen? Der Vorstoß des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und CDU-Chefs Armin Laschet hat eine Diskussion über die aktuellen Corona-Maßnahmen entfacht.

Was könnte ein harter und kurzer Lockdown aus epidemiologischer Sicht bewirken? Lässt sich so die dritte Corona-Welle abwenden? Und was zeigt uns das Modellprojekt im Saarland, wo gelockert anstatt verschärft wird? t-online hat zwei Epidemiologen befragt.

"Es müssten zwei Dinge passieren"

"Der Wettlauf zwischen Impfkampagne und dritter Welle wurde klar verloren", ist sich der Epidemiologe Markus Scholz von der Universität Leipzig sicher. Da sich nun wieder eine Überlastung auf der Intensivebene abzeichne, sei eine erneute Verschärfung der Maßnahmen unausweichlich, um die Welle zu brechen und Zeit zu gewinnen. "Das war aufgrund der Ausbreitung der britischen Variante absehbar. Die Lockerungen kamen zu früh", sagt Scholz t-online.

Auch der Epidemiologe Rafael Mikolajczyk von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hält einen verlängerten, harten Lockdown für unvermeidbar – sofern nicht zwei Dinge passieren: Erstens, "die Bevölkerung ändert ihre Kontakte von sich aus so konsequent wie im März letzten Jahres noch vor den offiziellen Einschränkungen" und zweitens, "durch eine Testoffensive können ausreichend viele Infektionsketten durchbrochen werden".

Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk ist Direktor des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Was bringt ein "Brückenlockdown"?

Ein kurzer Lockdown – oder auch "Brückenlockdown" – führe jedoch dazu, dass sich die Epidemie danach wieder schnell verbreiten könne, so Mikolajczyk. Und bis dahin könnten nicht 60 Prozent der Bevölkerung geimpft worden sein. Eine Verschärfung der Maßnahmen mit strengen Kontakteinschränkungen bliebe daher weiterhin nötig.

"Eine längerfristige Kontaktbeschränkung in Kombination mit einem sehr intensiven Testen erscheint mir aus dieser Perspektive eine bessere Lösung als ein kurzer maximaler Lockdown mit der Hoffnung, man hätte damit das Problem gelöst", sagt Mikolajczyk t-online.

Testen, impfen, Welle brechen

Jeder Bürger sollte nach Ansicht des Experten die Möglichkeit bekommen, sich zweimal pro Woche auf das Coronavirus testen zu lassen: "Nicht als Ticket in die Freiheit, sondern um unerkannte Infektionen aufzudecken".

(Quelle: Universität Leipzig)


Prof. Dr. Markus Scholz leitet am Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE) der Universität Leipzig eine Arbeitsgruppe zur Genetischen Statistik und Systembiologie. Seine Arbeitsgruppe untersucht aktuell auch die Corona-Pandemie.

Corona-Schnelltests sind auch Prof. Scholz zufolge sinnvoll, um die dritte Welle abzufangen. Diese müssten nun aber auch in Unternehmen mit unvermeidbaren Kontakten konsequent eingesetzt werden, um Ansteckungen am Arbeitsplatz zu verhindern.

Scholz plädiert außerdem für eine Aufweichung des starren Impfschemas: "Es wäre wichtig, erst mal allen eine Impfung anzubieten und so einen gewissen Schutz für alle zu erreichen statt Millionen Dosen für die Zweitimpfung zu reservieren". Das verlangsame das Impftempo enorm. Es sei außerdem nicht zu verstehen, "dass Impfzentren und Hausärzte keinen oder wenig Impfstoff haben, obwohl große Mengen vorrätig sind".

Öffnungsmodell im Saarland: "Ich erwarte, dass die Zahlen steigen werden"

Im Saarland ist trotz steigender Inzidenzwerte ein Corona-Modellprojekt mit Tests und Lockerungen gestartet. Seit dem 6. April sind für alle Saarländer die Außengastronomie, Fitnessstudios, Theater und Kinos wieder geöffnet – Zugangsvoraussetzung ist ein negativer Corona-Test. Das Saarland ist damit das einzige Bundesland, das bislang einen so flächendeckenden Öffnungsschritt wagt – mitten in der dritten Pandemie-Welle.

Der Epidemiologe Markus Scholz hält diese Strategie "bei niedriger Inzidenzlage für sinnvoll". Bei hohen Inzidenzen sei das eher kontraproduktiv, da durch die Öffnungen und Tests eine falsche Sicherheit vermittelt werde. "Das Tübinger Modell funktionierte zum Beispiel gut, solange die Zahlen niedrig waren. Inzwischen ist das nicht mehr der Fall", sagt Scholz. Nur mit Testen bekomme man die britische Variante offenbar nicht in den Griff. Diese Erfahrung hätten auch andere Länder gemacht.

Dem stimmt auch Rafael Mikolajczyk zu: "Aufgrund von Modellierungsarbeiten nehmen wir an, dass intensive Testung in Kombination mit einer starken Kontaktreduktion die Verbreitung der B.1.1.7-Variante stoppen kann." Doch wenn Schnelltests nicht als Hilfsmaßnahme zusätzlich zu starker Kontakteinschränkung genutzt würden, sondern um diese zu lockern, reiche der kombinierte Effekt nicht aus, so der Experte.

Er sieht das Saarländer Modellprojekt deshalb kritisch: "Ich erwarte, dass die Zahlen im Saarland steigen werden." In der aktuellen Situation habe absolute Priorität, dass man sich auf die Eindämmung der Epidemie in der gesamten Bevölkerung konzentriere. Dazu gehöre neben einer hohen Testverfügbarkeit zu Hause auch eine weit gefasste Testpflicht in Schulen und Betrieben.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Robert Koch-Institut
  • Expertenanfragen Prof. Dr. Markus Scholz, Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche
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