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Coronavirus: So viele Leben haben die Reisebeschränkungen gerettet


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Studie zu Maßnahmen
So viele Leben haben die Reisebeschränkungen gerettet


Aktualisiert am 19.10.2020Lesedauer: 3 Min.
Schutz vor Corona am Flughafen Charles de Gaulle nahe Paris: Gesundheitspersonal erwartet Passagiere, die nach Landung auf Covid-19 getestet werden.Vergrößern des Bildes
Schutz vor Corona am Flughafen Charles de Gaulle nahe Paris: Gesundheitspersonal erwartet Passagiere, die nach Landung auf Covid-19 getestet werden. (Quelle: Christian Hartmann/File Photo/reuters)

Dass Reisen ein erhöhtes Risiko bedeutet, ist seit Beginn der Corona-Pandemie klar. Doch eine Studie zeigt nun erstmals, wie groß der Einfluss des Reisens auf die Ausbreitung des Virus ist – und welche Reisebeschränkungen besonders effektiv sind.

Die Debatte um Corona-Beschränkungen für Urlaubsreisende nimmt in Deutschland gerade wieder an Fahrt auf. Sind Einreise- und Beherbergungsverbote für Menschen aus Gebieten mit sehr hohen Infektionszahlen gerechtfertigt oder doch übertrieben? Während darüber teils erbittert gestritten wird, bescheinigt eine Studie den Reisebeschränkungen nun einen ganz eindeutigen Effekt auf die Entwicklung der Corona-Pandemie – und auf die Todeszahlen im Zusammenhang mit Corona.

Die Untersuchung nahm für 181 Länder genau unter die Lupe, welchen Einfluss internationale Reisebeschränkungen wie Einreiseverbote und verpflichtende Quarantänen für Reiserückkehrer auf die Covid-19-Sterblichkeitsraten hatten.

Das Ergebnis ist laut Studienautor Ruud Koopmans, Professor für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität Berlin, eindeutig. Länder, die bereits im Februar oder Anfang März Einreisebeschränkungen verhängten, verzeichneten bis zur Jahresmitte deutlich weniger Corona-Tote. Konkret zeigt sich im Vergleich: In Ländern, die bis Anfang März Reisebeschränkungen eingeführt hatten, lag die Sterblichkeit an oder mit Corona um etwa 62 Prozent niedriger als in jenen Ländern, die dies erst ab Mitte März oder gar nicht taten.

Weniger Corona-Tote in Ländern mit weniger Reiseverkehr

Frühzeitige Reisebeschränkungen haben demnach wesentlich dazu beigetragen, die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV2 zu verlangsamen und die durch Covid-19 verursachten Todesfälle niedrig zu halten.

Die Studie zeigt auch auf, dass stark vom internationalen Reise- und Tourismusverkehr betroffene Länder – etwa Frankreich, Italien und die USA – wesentlich mehr Todesfälle in Folge von Covid-19 zu verzeichnen haben. Deutlich geringer fallen die Sterblichkeitsraten hingegen in jenen Ländern aus, die mit weniger Reiseverkehr konfrontiert sind. Dazu gehören in der Regel auch Inselstaaten.

Frühere Annahme von WHO und deutschen Behörden war "fataler Irrtum"

"Reisebeschränkungen sollte ein viel größeres Gewicht beigemessen werden. Das gilt für die Eindämmung bevorstehender Wellen der aktuellen Pandemie, aber auch für ähnliche Pandemien in Zukunft", so das Resümee von Koopmans, der auch Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) ist.

Dass sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als auch die EU und zuständigen Behörden in Deutschland bis Mitte März annahmen, dass sich das Virus durch Grenzschließungen nicht aufhalten lasse, sieht Koopmans äußerst kritisch. "Diese Annahme war ein fataler Irrtum." Denn die Analyse zeigt auch: Je früher ein Land reagierte, desto wirksamer waren die Maßnahmen. Die Beschränkungen beim Reisen mussten also zu einem Zeitpunkt erfolgt sein, als die lokale Verbreitung des Virus noch überschaubar war.

Aktuelle Corona-Lage in Deutschland

Laut dem RKI ist aktuell in mehreren Bundesländern ein weiterer Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung zu beobachten. Bundesweit gibt es in verschiedenen Landkreisen Ausbrüche, die mit unterschiedlichen Situationen in Zusammenhang stehen, etwa größeren Feiern im Familien- und Freundeskreis, in Betrieben und im Umfeld von religiösen Veranstaltungen. Der Anteil der Covid-19 Fälle in der älteren Bevölkerung nimmt dabei leicht zu.

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Zu den Ländern, die frühzeitig Reisebeschränkungen einführten und dadurch die Todesfälle erheblich begrenzen konnten, gehören zum Beispiel Australien, Israel und Tschechien. Spät reagierten hingegen unter anderem Großbritannien, Frankreich und Brasilien. Zwar beschloss auch Deutschland Reisebeschränkungen eher spät, allerdings nicht so spät wie diese Länder.

"Die bisherige epidemiologische Forschung [...] war oft skeptisch hinsichtlich der Vorteile von Reisebeschränkungen", schreibt Soziologie-Professor Koopmans. Diese Schlussfolgerung sei zwar teilweise auch verständlich. Dennoch werde dabei unterschätzt, so Koopmans, "wie wichtig es ist, in der Anfangsphase einer Pandemie Zeit zu gewinnen und die Zahl der Fälle auf einem ausreichend niedrigen Niveau zu halten, damit die Ermittlung von Kontaktpersonen und die Isolierung durchführbare Strategien sind".

Diese Reisebeschränkungen haben den größten Effekt

Die Studie liefert auch Hinweise darauf, welche Reisebeschränkungen besonders wirkungsvoll sind: Obligatorische Quarantänen für Einreisende haben demnach einen größeren Effekt als Einreiseverbote – vermutlich, weil Einreiseverbote häufig Ausnahmen für zurückkehrende Bürger und Personen mit ständigem Wohnsitz enthalten. Quarantänemaßnahmen gelten hingegen in der Regel für alle Einreisenden, unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Aufenthaltsstatus.

In der Studie erweisen sich außerdem gezielte Reisebeschränkungen effizienter als Beschränkungen, die für alle ausländischen Länder galten.


Ob auch die Öffnung der innereuropäischen Grenzen zu Beginn des Sommers ein fatale Dynamik begünstigt hat, bleibt aber offen. Angesichts der EU-weit sinkenden Infektionszahlen hatte Deutschland Mitte Juni die Reisewarnung für die meisten europäischen Länder aufgehoben, gestützt von vielen Experten.

Auch der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sagte damals im "Deutschlandfunk", angesichts des "überschaubaren Infektionsgeschehens" in den meisten europäischen Ländern halte er es für vertretbar, die Grenzen nun wieder zu öffnen. Man könne das Risiko allerdings "nie auf null drücken", so der Leiter des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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