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Spezialist klärt auf: Corona-Folgen fürs Herz – das ist bislang bekannt


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Experte zu Covid-Folgen
"Die Beschwerden können sich über Monate hinziehen"

InterviewVon Nicole Sagener

Aktualisiert am 04.10.2020Lesedauer: 5 Min.
Covid-Patientin mit Herzleiden in Behandlung: Durch eine Coronavirus-Infektion kann auch das Herz in Mitleidenschaft gezogen werden.Vergrößern des Bildes
Covid-Patientin mit Herzleiden in Behandlung: Durch eine Coronavirus-Infektion kann auch das Herz in Mitleidenschaft gezogen werden. (Quelle: Valery Sharifulin/TASS/imago-images-bilder)
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Das Coronavirus kann das Herz angreifen – und ist darum besonders für Herzkranke gefährlich. Doch auch wer zuvor fit war, kann noch Monate nach einer Covid-19-Erkrankung Beschwerden haben, erklärt der Kardiologe Thomas Voigtländer im Interview.

t-online: Professor Voigtländer, Sie haben in Ihrer täglichen Arbeit als Herzspezialist auch mit Covid-19-Patienten zu tun. Was sind Ihre Beobachtungen?

Prof. Thomas Voigtländer: Es kommen zunehmend Patienten zu uns, die Corona hatten und sich wegen schwer einzuschätzender Symptome fragen, ob dies noch mit der Corona-Infektion zusammenhängt.

Gerade gestern kamen zwei jüngere Menschen zu mir – ganz trainierte, fitte Leute –, die im März und April Covid-19 hatten und noch jetzt unter Beschwerden leiden. Einer der beiden zeigte im Kernspin tatsächlich eine Herzmuskelentzündung – was ziemlich überraschend war. Denn auf eine Entzündung des Herzmuskels gab es sonst keine Hinweise. Ob das allerdings nur bei Covid-19 passieren kann, wissen wir noch nicht. Es ist schließlich das erste Mal, dass eine Viruserkrankung so genau und detailliert untersucht wird.

Es ist also noch nicht sicher, ob bestimmte Beschwerden tatsächlich nur eine Folge von Covid-19 sein können?

Genau. Eine verzögerte Genesung kennen wir nicht nur von Corona, sondern auch von anderen Erkrankungen: Patienten, die vorher ganz fit waren, brauchen recht lange zur Genesung – möglicherweise, weil die Herzmuskeln durch Covid-19 in Mitleidenschaft gezogen wurden. Darum ist es interessant, jetzt beispielsweise auch Grippe-Patienten genauer im Kernspin zu untersuchen und zu schauen, ob sich diese Phänomene auch bei ihnen zeigen. Es gibt inzwischen Studienansätze, die das analysieren wollen.

Insofern sehe ich die möglichen Spätfolgen also noch nicht so dramatisch, weil das auch die üblichen Prozesse bis zur finalen Genesung sein könnten. Aber genau wissen wir das natürlich noch nicht.

Selbst eine mild verlaufende SARS-CoV-2-Infektion scheint das Herz laut verschiedenen Studien dauerhaft beeinträchtigen zu können, auch wenn die Infektion scheinbar überstanden ist. Was ist bisher über Langzeitschäden am Herzen nach Covid-19 bekannt?

Durch die Verbreitung des Coronavirus im Körper über den Kreislauf – nicht nur in der Lunge, sondern auch in anderen Organen – können auch die Herzmuskeln in Mitleidenschaft gezogen werden. Im frühen Krankheitsverlauf ist das Auftreten von schweren Herzmuskelentzündungen beschrieben.

Kürzlich wurde publiziert, dass sich auch Wochen und Monate später in Herzuntersuchungen mittels Kernspintomographie Hinweise für eine Herzmuskelentzündung fanden. Möglicherweise sind diese Befunde mit dafür verantwortlich, dass auch lange nach Beginn der Erkrankung noch Beschwerden bestehen.

(Quelle: Tratnik/CCB)

Prof. Thomas Voigtländer

Der Kardiologe Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung und Ärztlicher Direktor des Agaplesion-Bethanien-Krankenhauses und Cardioangiologischen Centrums Bethanien (CCB) in Frankfurt am Main.

Durch welche Symptome kann sich dieses Krankheitsgefühl äußern?

Die Beschwerden sind teilweise unspezifisch und keine klassischen Herzsymptome: nächtliche Schweißausbrüche, fehlende Belastbarkeit. Gerade bei Menschen, die vorher sehr belastbar waren, können sich diese Beschwerden über Monate hinziehen, bis sie endgültig genesen sind.

Können auch bei milden Covid-Verläufen Herzinfarkte auftreten? Wenn ja, warum?

Erst einmal ist es wichtig zu sagen: Herzinfarkt ist nicht gleich Herzinfarkt. Man hat schon früh in der Corona-Pandemie festgestellt, dass der Troponinwert – ein Laborwert, der beim Absterben einer Herzmuskelzelle ansteigt – bei Patienten mit schwerem Covid-Verlauf erhöht war. Daran ließ sich ablesen, dass es ein Problem am Herzen gibt. Der Troponinwert steigt auch bei einer Myokarditis, also einer Herzmuskelentzündung an. Aufgrund der vorliegenden Datenlage ist dies der häufigste Grund für den Anstieg des Troponinwertes bei Covid-19-Patienten.

Auch bei einem Herzinfarkt kommt es zu einem Anstieg des Troponins. Nun ist die Überlegung, ob das SARS-CoV-2-Virus entzündliche Veränderungen auch in den Herzkranzgefäßen auslöst und damit einen echten Herzinfarkt auslösen könnte.

Leider sind diese Mechanismen komplex und die Datenlage dazu noch schwach. Die Deutsche Herzstiftung hat rund 20 Projekte zum Thema Covid-19 und Herzerkrankungen gefördert, an denen sich alle großen deutschen Universitäten beteiligt haben. Wir warten gespannt auf die Ergebnisse.

Typische Herzinfarkt-Alarmzeichen

Als Alarmsignale für einen Infarkt nennt die Deutsche Herzstiftung: Schwere Schmerzen, die länger als fünf Minuten andauern, in der Regel im Brustkorb, häufig hinter dem Brustbein. Zusätzlich können Schmerzen im Rücken (zwischen den Schulterblättern) oder im Oberbauch (Verwechslung mit Magenschmerzen möglich) ein Alarmzeichen sein. Diese können in Arm, Hals oder Oberbauch ausstrahlen, sind flächenhaft, brennend und drückend mit Engegefühl in der Brust. Je älter die Person mit Herzinfarkt ist, desto weniger ausgeprägt kann der typische Brustschmerz sein.

Bei Frauen häufiger als bei Männern können weitere Symptome wie Atemnot, Übelkeit oder Erbrechen, Schwitzen, Benommenheit, Schwindel sowie Müdigkeit ein Alarmzeichen sein. Da die Symptomatik bei Frauen nicht immer klar ist, werden ihre Symptome oftmals fehlgedeutet.

Eine Entzündung der Herzkranzgefäße kann aber auch durch andere Viren ausgelöst werden?

Ja, dieses Krankheitsbild kann auch durch andere Viren, etwa Parvovirus B 19 oder Herpesviren, ausgelöst werden.

Fallberichte zeigen, dass Covid-19 bei Patienten mit Herzerkrankungen schwerer verläuft – und sogar tödlich enden kann. Wie hoch schätzen Sie diesen Risikofaktor ein?

Der Hauptrisikofaktor für einen schweren Covid-Verlauf ist das Alter, weil mit zunehmendem Alter die Fähigkeit des Immunsystems sinkt, das Virus abzuwehren. Außerdem verstärken vorher bestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen – etwa eine Herzschwäche oder auch Bluthochdruck – das Sterblichkeitsrisiko. Die Herzschwäche ist besonders problematisch. Bei diesen Patienten kann sich Blut in die Lungen zurückstauen und die Lunge wird anfälliger für Infektionen, auch für eine Infektion durch das Coronavirus.

Gibt es Möglichkeiten, mit denen sich Herz-Patienten schützen können?

Nein, bislang nicht. Darum sollte man alles dafür tun, sich nicht zu infizieren. Akut an Covid-19 erkrankten Patienten könnten bei schwerem Verlauf aber zumindest Medikamente helfen, die gerade getestet werden, etwa Cortison.

Müssen Risikopatienten im Herbst und Winter noch vorsichtiger sein, wenn neben dem Coronavirus auch die Grippe und Erkältungen zunehmen?

Ja, unbedingt. Denn wenn sich der Körper mit mehreren Viren gleichzeitig auseinandersetzen muss, wird er noch mehr belastet. Darum ist sowohl eine Grippe- und auch eine Pneumokokken-Impfung für Risikopatienten ab 60 Jahren dringend zu empfehlen.

Allerdings dürfte das Risiko, sich in dieser Grippesaison mit Influenza anzustecken, durch die verstärkten Hygienemaßnahmen geringer sein als üblich. Zudem sind Grippeviren nicht so ansteckend wie SARS-CoV-2.

Inwieweit steigt bei Covid-19 das Risiko für Thrombosen und Lungenembolien?

Laut neuen Erkenntnissen scheinen sich bei Covid-Patienten Micro-Thromben direkt in den Lungen zu bilden. Manche Experten empfehlen darum inzwischen, das Blut von Covid-Patienten auf der Intensivstation mithilfe bestimmter Wirkstoffe sofort deutlich zu verdünnen, um das zu verhindern.

Wie blicken Sie auf den Herbst und Winter? Sehen Sie eine nächste Welle auf uns zukommen?

Ich bin optimistisch, dass wir ohne eine schwere Welle durch den Herbst kommen. Aktuell verzeichnen wir ja trotz steigender Infektionszahlen nur wenige Todesfälle durch Covid-19. Das zeigt, dass wir die Pandemie inzwischen recht gut handhaben. Die älteren und gefährdeten Leute schotten sich mehr ab, die Testkultur wird immer weiter ausgeweitet, die Menschen können insgesamt besser die Risiken abschätzen.

Und Ende des Jahres oder zum Beginn des nächsten Jahres kommt dann hoffentlich der Impfstoff.

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Sie sind also auch guter Dinge, dass tatsächlich bald ein Impfstoff zugelassen wird?

Die Möglichkeiten und die Kenntnislage in der Impfstoffentwicklung heute sind ja kein Vergleich mehr etwa zur Polio-Forschung vor Jahrzehnten. Darum glaube ich, dass wir bald einen guten Wirkstoff finden.

Vielen Dank für das Gespräch, Professor Voigtländer!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Prof. Voigtländer
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