Pandemie-Probleme Corona: Warum sich die Situation in Frankreich verschärft
In Frankreich steigt die Zahl der Corona-Infektionen weiter deutlich an. Nicht nur Mediziner haben Zweifel, dass die Regierung die Lage in den Griff bekommt. Denn: Zu viele Fehler wurden gemacht.
Kurz vor Herbstbeginn hat Frankreich einen Höchststand von fast 10.600 Corona-Neuinfektionen innerhalb eines Tages verzeichnet. Das heißt auch: Erstmals seit Ende der Ausgangssperre im Mai nehmen der Druck auf die Krankenhäuser und die Zahl der Todesfälle wieder spürbar zu. Experten nennen dafür viele Gründe.
Massive Kritik an der Teststrategie
Viele Virologen und Mediziner rügen die Teststrategie in Frankreich: In dem Land mit 67 Millionen Einwohnern wurden zuletzt rund 1,2 Millionen Corona-Tests pro Woche gemacht, das ist ein Höchststand seit Beginn der Pandemie. Allerdings sind die Labore damit überlastet: Testwillige müssen stundenlang Schlange stehen, die Ergebnisse lassen bis zu eine Woche auf sich warten.
Experten fordern, Verdachtsfälle schneller zu isolieren, um die Infektionsketten zu durchbrechen. Derzeit sei die Lage bei den präzisen PCR-Tests "katastrophal", sagte etwa die Epidemiologin Catherine Hill.
Mangelnde Quarantäne-Disziplin
Der wissenschaftliche Corona-Beirat in Frankreich hat kürzlich ein "Scheitern" der Quarantäne-Regeln festgestellt. Auch Gesundheitsminister Olivier Véran räumte ein, die meisten Franzosen hielten sich nicht an die Selbstisolation – oft aus Angst vor Arbeitsplatzverlust. Um für größere Akzeptanz zu sorgen, hat die Regierung die Quarantänezeit deshalb von 14 auf sieben Tage verkürzt.
Vertane Chance der Verantwortlichen
Der deutsche Virologe Alexander Kekulé sagte diese Woche in seinem MDR-Podcast, das Virus sei in Europa außer Kontrolle: "Ich glaube, dass weder Frankreich noch Spanien das kurzfristig wieder eingefangen bekommen", betonte er. Nach seiner Ansicht hätten früher Corona-Schnelltests eingeführt werden müssen. Die französische Regierung lässt diese derzeit validieren und verspricht den Einsatz ab Oktober.
Mangelndes Vertrauen in Regierung
In Frankreich haben rund 62 Prozent der Bürger in der Corona-Pandemie "kein Vertrauen" in die Regierung, wie eine aktuelle Umfrage des Instituts Elabe ergab. Fast jeder zweite (47 Prozent) kritisierte, die Regierung treffe "nicht genug Vorsorge" gegen die Pandemie. Rund 20 Prozent meinten, es werde zu viel getan, nur 33 Prozent hielten die Maßnahmen für genau richtig.
Missachtung von Hygieneregeln
Die Regierung beklagt ihrerseits eine nachlassende Sorgfalt der Bürger bei den Hygieneregeln. Laut Befragungen der nationalen Gesundheitsbehörde befolgen die Franzosen Ratschläge wie regelmäßiges Händewaschen inzwischen deutlich seltener als auf dem Höhepunkt der Krise Anfang April.
Ende August sagten etwa nur 54 Prozent, sie hielten den Mindestabstand von einem Meter ein, vor vier Monaten waren es noch fast 85 Prozent. Auf Wangenkuss und Händeschütteln verzichten nur noch 66 Prozent statt zuvor 92 Prozent.
Offene Grenzen trotz Rekordinfektionen
Ungeachtet der vielen Neuinfektionen hält Frankreich seine Grenzen zu anderen EU-Ländern offen. Eine Reisewarnung gibt es nicht einmal für den besonders betroffenen Nachbarn Spanien. Nur wer nach Großbritannien reist, muss anschließend in Quarantäne. Damit reagierte Paris auf eine entsprechende Verordnung aus London.
Neuer Lockdown als letzte Maßnahme
Neue Ausgangsbeschränkungen will Frankreich möglichst vermeiden. Auch vor lokalen Lockdowns in besonders betroffenen Städten wie Marseille, Bordeaux, Nizza oder Paris schrecken die Behörden bisher noch zurück. Stattdessen setzen sie vorerst auf Versammlungsverbote, Sperrstunden für Bars oder eingeschränkte Besuche in Altenheimen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Nachrichtenagentur AFP