Zweifelhafte Daten Einsatz gegen Corona: Chloroquin-Studie zurückgezogen
Sie war eine der seltenen großen Studien, die in der Corona-Pandemie scheinbar klare Ergebnisse vorgewiesen haben. Nun zog das Journal "The Lancet" sie zurück. Könnten Malaria-Mittel doch gegen Corona helfen?
Das Fachjournal "The Lancet" hat eine Studie zum Einsatz von Chloroquin und Hydroxychloroquin gegen Corona zurückgezogen. Drei der vier Autoren verwiesen darauf, dass sie Zweifel an der Richtigkeit der von ihnen genutzten Daten nicht ausräumen können, wie das Journal mitteilte.
Die Wirksamkeit der bislang gegen Malaria eingesetzten Mittel gegen die Lungenerkrankung Covid-19 wird derzeit in zahlreichen Studien getestet. Bisherige Untersuchungen brachten keinen gesicherten Hinweis, dass sie bei Erkrankten die Symptome bessern oder die Erkrankungsdauer verkürzen.
Zurückgezogene Studie ging von keiner Eignung des Mittels gegen Corona aus
Nach Angaben in der nun zurückgezogenen Studie sollten die beiden Wirkstoffe sich wahrscheinlich nicht zur Behandlung von Covid-19 eignen und sogar womöglich die Todesrate erhöhen und zu Herzrhythmusstörungen führen. Die Forscher aus den USA und der Schweiz um Mandeep Mehra von der Harvard Medical School hatten die Studie in "The Lancet" vom 22. Mai veröffentlicht. Sie hatten nach Studien-Angaben Daten von gut 96.000 Patienten ausgewertet. Wegen der negativen Ergebnisse waren mehrere Studien zu Chloroquin und Hydroxychloroquin ausgesetzt worden. Letzteres steht auch deshalb unter besonderer Beobachtung, weil US-Präsident Donald Trump es wiederholt als Wundermittel gepriesen hatte.
Vor dem Zurückziehen der Studie hatte es an der Publikation erhebliche Zweifel gegeben. "Lancet" selbst hatte bereits einen offiziellen Warnhinweis ("Expression of Concern") veröffentlicht. Es gebe "ernsthafte wissenschaftliche Fragen" zu den von den Forschern angegebenen Daten.
Studie weist Ungereimtheiten auf
Dem Science Media Center zufolge zählt zu den Ungereimtheiten, dass sich die Studie auf eine höhere Anzahl von im Krankenhaus verstorbenen Covid-19-Patienten in Australien bezieht als in Australien tatsächlich insgesamt gemeldet wurden. Zudem hätten die Autoren behauptet, in der Studie die Daten von 4.402 Patienten in Afrika verarbeitet zu haben – es sei Kritikern zufolge aber unwahrscheinlich, dass afrikanische Krankenhäuser detaillierte elektronische Gesundheitsakten für so viele Patienten zur Verfügung stellen konnten.
Die Datenerhebung geht nach "Lancet"-Angaben maßgeblich auf eine in Chicago ansässige Firma zurück. Der Prozess des sogenannten Peer Review durch Gutachter sei weder dazu gedacht noch in der Lage, die Qualität zugrundeliegender Daten zu prüfen, sagte Ulrich Dirnagl, Direktor der Abteilung Experimentelle Neurologie an der Charité in Berlin, der nicht an der Studien beteiligt war. "Häufig bleibt es bei einer Art "Reality Check" der wissenschaftlichen Frage, der verwendeten Methodik und der Resultate." In Zeiten einer Pandemie, in der Forscher und Journale unter extremem Zeitdruck zu publizieren versuchten, sei der Review-Prozess noch weniger in der Lage, Fehler und Manipulationen zu erkennen. Es gebe momentan jede Menge Studien mit schlecht erhobenen oder unzureichenden Daten, kritisierte er.
Tests mit Hydroxychloroquin bei Covid-19-Erkrankten werden wieder aufgenommen
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- Nachrichtenagentur dpa