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Klinikdirektor besorgt: Patientenrückgang "aus Angst vor dem Coronavirus"


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Patientenrückgang wegen Corona
Klinikdirektor: "Wir halten diese Entwicklung für sehr gefährlich"

  • Melanie Rannow
InterviewVon Melanie Rannow

Aktualisiert am 12.05.2020Lesedauer: 3 Min.
Notaufnahme im Krankenhaus: Weniger Menschen lassen sich seit Beginn der Corona-Krise ins Krankenhaus einweisen oder rufen den Notarzt.Vergrößern des Bildes
Notaufnahme im Krankenhaus: Weniger Menschen lassen sich seit Beginn der Corona-Krise ins Krankenhaus einweisen oder rufen den Notarzt. (Quelle: Steffen Schellhorn/imago-images-bilder)

Aktuell kommen weniger Menschen mit Schlaganfall- oder Herzinfarkt-Verdacht ins Krankenhaus – offenbar aus Angst vor dem Coronavirus. Laut Kankenhausdirektor Jochen A. Werner besteht dazu kein Grund. Er hält die Entwicklung für bedenklich.

Viele Krankenhäuser in Deutschland sind aufgrund abgesagter oder verschobener Operationen in der Corona-Zeit schwächer ausgelastet. Mediziner beobachten zudem, dass sich deutlich weniger Patienten mit akutem Behandlungsbedarf ins Krankenhaus einweisen lassen oder einen Notarzt verständigen. Die Betroffenen fürchten offenbar, sich in der Klinik mit dem Coronavirus anzustecken.

Auch im Universitätsklinikum in Essen ist insbesondere die Zahl der Krankenhauseinweisungen wegen Schlaganfall oder Herzinfarkt zurückgegangen. Das ist besorgniserregend – denn diese Ereignisse können lebensbedrohlich sein, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt werden. Etwa jeder Zehnte stirbt an den Folgen eines Schlaganfalls.

Im Interview mit t-online.de spricht der Ärztliche Direktor der Universitätsklinik Essen, Prof. Jochen A. Werner, über die Auslastung der Klinik und rät Patienten, bei Notfallsymptomen umgehend zu reagieren.

t-online.de: Professor Werner, macht sich in der aktuellen Situation ein Rückgang der Patientenzahl in der Klinik bemerkbar?

Prof. Jochen A. Werner: Die Universitätsmedizin Essen hat sich als Covid-19-Zentrum der Metropole Ruhr sehr früh und sehr konsequent, unter anderem durch bauliche und organisatorische Maßnahmen, auf die Behandlung der Covid-19-Patienten vorbereitet. Dazu zählte – Stand Anfang Mai 2020 – auch der Verzicht auf elektive Eingriffe – also auf Eingriffe, die nicht dringlich und aufschiebbar sind.

Dies bedingt für zahlreiche Kliniken und Fachbereiche auch einen Rückgang der Patientenzahl. Andere Fachbereiche hingegen, die sehr stark auf einer kontinuierlichen Therapie beruhen, etwa die Onkologie, waren im stationären Bereich vom Patientenrückgang kaum betroffen.

Wie viele Operationen mussten abgesagt oder verschoben werden?

Eine genaue Zahl lässt sich schwer nennen, weil natürlich dringende Operationen stattfanden und auch Notfälle operiert wurden. Wir gehen insgesamt davon aus, dass – Stand Ende April – bislang rund 3.000 elektive Eingriffe verschoben wurden.

Wie entscheiden Kliniken überhaupt, welche Operationen verschiebbar sind?

In enger Absprache innerhalb der Klinik, aber auch mit den behandelnden niedergelassenen Ärzten wird jeweils individuell entschieden, welche geplanten Eingriffe aufschiebbar sind. Dies sind in der Regel Operationen, die ohne relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes auch später stattfinden können. Notwendige Behandlungen und Eingriffe, etwa im Rahmen einer Krebstherapie, wurden selbstverständlich auch weiterhin durchgeführt.

Zu wie viel Prozent ist Ihre Klinik derzeit ausgelastet? Stehen bei Ihnen Klinikbetten leer?

Die Universitätsmedizin Essen hält eine ausreichende Anzahl an (Intensiv-)Betten mit Beatmungskapazität vor, um auch bei einer derzeit nicht absehbarer signifikanten Steigerung von Patienten mit Covid-19 deren Betreuung zu gewährleisten. Entsprechend der Anzahl von Covid-19-Patienten ist die Anzahl dieser leerstehenden Betten variabel.

Beobachten Sie, dass weniger Notfallpatienten mit beispielsweise Schlaganfall oder Herzinfarkt zu Ihnen kommen?

In der Tat haben auch wir wie andere Einrichtungen festgestellt, dass etwa die Anzahl von Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt oder Schlaganfall, aber auch mit anderen Notfallsymptomen zurückgegangen ist. Wir halten diese Entwicklung für sehr gefährlich und unbegründet.

Herzinfarkt und Schlaganfall: Das sind typische Anzeichen

Zu den häufigen Symptomen eines Herzinfarkts zählen:
- starke Schmerzen mit einer Dauer von mindestens fünf Minuten hinter dem Brustbein (manchmal ausstrahlend in den linken Arm oder in beide Arme, in Hals, Kiefer, Schulterblätter, Oberbauch oder Nacken)
- Engegefühl, heftiger Druck oder Brennen im Brustkorb
- Schmerzen im Oberbauch
- blasse, fahle Gesichtsfarbe und Angstschweiß
- Atemnot
- Übelkeit, Erbrechen
- Schwindel, Schwächegefühl, Bewusstlosigkeit

Akute Warnzeichen für einen Schlaganfall sind beispielsweise:
- plötzliche einseitige Lähmungen insbesondere in Arm und Bein
- einseitiges Taubheitsgefühl in Arm, Bein und im Gesichtsbereich (oft einseitig herabhängender Mundwinkel)
- plötzlich auftretende Sehstörungen (verschwommenes, doppeltes oder eingeschränktes Sehen)
- Sprechstörungen (undeutliches Sprechen, Wiederholungen von Wörtern oder Silben)
- Verständnisstörungen (Anweisungen werden nicht oder falsch umgesetzt)
- Gleichgewichtsstörungen und Schwindel
- Bewusstlosigkeit
- plötzlich einsetzende, "donnerschlagartige" Kopfschmerzen

Was empfehlen Sie Patienten, die aus Angst vor einer Infektion nicht ins Krankenhaus gehen?

Wir raten allen Patienten dringend, mit Beschwerden zum Arzt oder ins Krankenhaus zu gehen beziehungsweise im Notfall die 112 anzurufen. Die Notfallversorgung sowie die medizinische Versorgung sind jederzeit gewährleistet. Das Infektionsrisiko ist durch eine Vielzahl von getroffenen Hygienemaßnahmen minimiert. Wenn sich daran auch die Patienten halten, muss niemand übertriebene Angst haben, sich im Krankenhaus zu infizieren.

Welche Vorkehrungen haben Sie getroffen, damit ihre Patienten sicher sind vor einer Infektion mit dem Coronavirus?

Die Universitätsmedizin Essen hat eine Vielzahl von Maßnahmen getroffen, um Patienten, aber auch die eigenen Mitarbeiter, vor einer Infektion zu schützen. Dazu gehört generell die Unterteilung der Klinik in einen Covid- und einen Non-Covid-Bereich. Bei uns gelten strenge Hygiene- und Verhaltensregeln, die wir permanent nach innen und außen kommunizieren. Dazu gehören etwa eine Maskenpflicht für Patienten und Beschäftigte sowie ein Besuchs- und Betretungsverbot,

Darüber hinaus ist unsere Abteilung Krankenhaushygiene eng in alle Entscheidungen eingebunden. All das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Krankenhausbetrieb natürlich eine erhebliche Aufmerksamkeit verlangt, um das auch und besonders für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestehende Infektionsrisiko so stark wie möglich zu reduzieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Prof. Werner
  • Deutsche Herzstiftung
  • Deutsche Schlaganfall-Hilfe
  • Eigene Recherche
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