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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Austritt der USA Die WHO und ihre umstrittene Rolle in der Corona-Krise
Wenn sich ein Virus ausbreitet und eine Pandemie droht, ist die Weltgesundheitsorganisation gefragt. Ihre Erfolge sind unbestritten – doch immer öfter werden der Organisation auch Fehler vorgeworfen.
Mitten in der Coronavirus-Pandemie hat die USA nun ihren Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vollzogen. Die Erklärung, die am 6. Juli 2021 wirksam werde, sei bei UN-Generalsekretär António Guterres eingereicht worden. Die internationale Organisation der Vereinten Nationen gerät derweil immer stärker unter Druck. Ein Überblick über die Rolle der WHO und die häufigsten Kritikpunkte.
Weltgesundheitsorganisation: Wer steht dahinter?
Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, kurz: WHO) wurde 1948 mit dem Ziel gegründet, für alle Völker das höchstmögliche Gesundheitsniveau zu erreichen. Es handelt sich um eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die ihren Sitz in Genf hat und mittlerweile 194 Mitgliedsstaaten zählt. Seit Juli 2017 wird das Amt des Generaldirektors vom Äthiopier Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus ausgeübt. Finanziert wird die WHO zu 80 Prozent durch freiwillige Gaben von Regierungen oder Stiftungen, die restlichen 20 Prozent machen die Pflichtbeiträge der Mitgliedsländer aus.
Unter dem Motto "Together for a healthier world" unterstützt die WHO die Mitgliedstaaten beim Aufbau ihrer Gesundheitssysteme und gewährt ihnen in dringenden Fällen technische Hilfe – etwa bei Katastrophenfällen oder Epidemien. Ihre Hauptaufgabe ist die Bekämpfung der Erkrankungen, mit besonderem Schwerpunkt auf Infektionskrankheiten. Dazu fördert die WHO die weltweite medizinische Forschung.
Wie hilft die WHO in der Corona-Pandemie?
Die Weltgesundheitsorganisation spielt von Beginn an eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie. Sie sammelt die Informationen der Länder, prüft diese, erstellt Richtlinien und gibt relevante Gesundheitsdaten weiter. Behörden und Ärzte weltweit stützen sich auf die Ergebnisse.
Weiterhin schult die WHO Gesundheitspersonal, organisiert finanzielle Hilfen für besonders schwer betroffene Länder und kümmert sich um die Versorgung mit Tests und Schutzmaterialien. Gemeinsam mit anderen Organisationen konnte die WHO so mehr als zwei Millionen Schutzausrüstungssets in über 130 Länder verschicken.
Letztlich ist die WHO eine wichtige Informationsquelle. Auf ihrer Webseite klärt sie über den aktuellen Forschungsstand zum Coronavirus auf. Die Koordinierung internationaler Studien ist dabei ganz entscheidend.
Trumps Kritik an der WHO – was war passiert?
US-Präsident Donald Trump hatte bereits am 15. April einen Stopp der Beitragszahlungen an die WHO angeordnet. Nun haben die USA, trotz heftiger Kritik der Demokraten, die Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen verlassen. Trump machte die Organisation für die vielen Toten in der Krise mitverantwortlich und warf ihr vor, die Epidemie mit Missmanagement und Vertrauen auf Angaben aus China dramatisch verschlimmert zu haben. Seine Regierung werde in den kommenden 60 bis 90 Tagen prüfen, welche Rolle die WHO bei der "schlechten Handhabung und Vertuschung der Ausbreitung des Coronavirus" gespielt habe. So lange lägen die Zahlungen auf Eis.
Für die Weltgesundheitsorganisation ist das ein schwerer Schlag. Denn sie verliert mit den USA ihren wichtigsten Geldgeber. Die US-Amerikaner zahlen von allen 194 Mitgliedsstaaten die höchsten Beiträge – Trumps Angaben zufolge rund 500 Millionen Dollar pro Jahr.
Trumps Ankündigung, US-Zahlungen an die WHO zu stoppen, stieß international auf massive Kritik. 23 Länder der von Deutschland initiierten "Allianz für Multilateralismus" haben ihre Unterstützung für die Weltgesundheitsorganisation zum Ausdruck gebracht. In einer gemeinsamen Erklärung betonten die Außenminister im April nach einer Videokonferenz die Bedeutung der globalen Zusammenarbeit und internationalen Organisationen im Kampf gegen die Pandemie. "Wir müssen in unserer Menschlichkeit vereint bleiben", heißt es darin.
Bundesaußenminister Heiko Maas sagte, die WHO bleibe "das Rückgrat der internationalen Pandemiebekämpfung". Es mache gerade jetzt überhaupt keinen Sinn, die WHO, ihre Funktionsfähigkeit oder ihre Bedeutung in Frage zu stellen. "Das ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt", sagte der SPD-Politiker. "Sie zu schwächen wäre nichts anderes, als in einem laufenden Flug den Piloten aus dem Flugzeug zu werfen, und das halten wir nicht für verantwortbar".
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich hinter die Arbeit der WHO gestellt. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus bedankte sich anschließend auf Twitter für die Unterstützung der Länder.
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Japan, Indien und Australien hingegen schlossen sich Trumps Kritik, die WHO sei zu China-hörig, an. Die Länder wollen aber weiterhin ihre Beiträge zahlen.
Wofür wird die WHO genau kritisiert?
Die häufigsten Anschuldigungen und Kritikpunkte lauten:
Die WHO habe den Covid-19-Ausbruch vertuscht.
Kritiker werfen der WHO aktuell vor, die von der Coronavirus-Pandemie ausgehende Gefahr viel zu spät kommuniziert zu haben. Denn bereits am 31. Dezember 2019, als China die WHO über das Auftreten einer mysteriösen Lungenkrankheit in Wuhan benachrichtigte, warnte Taiwan vor einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung des Virus. Doch die WHO soll auf die Informationen aus Taiwan nicht reagiert haben, berichtet das "Handelsblatt". Denn Taiwan wird von der WHO nicht anerkannt. Dafür hat das chinesische Regime gesorgt, das Taiwan als abtrünnige Insel ansieht.
Noch am 14. Januar hat die Organisation behauptet, es bestehe kein klarer Beleg dafür, dass sich das Coronavirus von Mensch zu Mensch übertrage. Offenbar verließen sich die WHO-Experten auf die harmlose Version Chinas, wonach das Virus nur von Tieren auf Menschen überspringe.
Als dann die chinesische Führung den Ernst der Lage erkannte und Wuhan rigoros abriegeln ließ, überhäufte sie der WHO-Generalsekretär mit Lob und fand keine kritischen Worte für die vermeintlichen Vertuschungen Chinas. Erst am 11. März wurde die Covid-19-Erkrankung von der WHO als Pandemie eingestuft.
Tedros und die WHO seien China-hörig.
Tedros Adhanom Ghebreyesus setzte bei seinem Amtsantritt 2017 gleich zwei neue Rekorde: Erstens ist er der erste WHO-Chef aus Afrika und zweitens der erste, der zuvor kein Mediziner war. Kritiker meinen, dass Tedros ins Amt des WHO-Generaldirektors kam, verdanke er China.
Vor der Wahl hätten sich chinesische Lobbyisten für den Äthiopier eingesetzt. Äthiopien sei ein hoch verschuldetes Land und China mit Abstand der wichtigste Gläubiger. Das führe zur China-Hörigkeit des Generaldirektors. US-Präsident Trump sagte, die WHO sei "ein Werkzeug Chinas" in der Krise gewesen und habe eine zu große Nähe und eine zu unkritische Haltung gegenüber der Volksrepublik China gezeigt.
Die WHO handle nicht unabhängig.
Finanziell wurde die WHO einst von Pflichtbeiträgen der Mitgliedsländer getragen und war weitgehend unabhängig. Heutzutage ist die Organisation sehr von privaten Geldgebern abhängig. Lebensmittelkonzerne wie Coca Cola oder Mondelez sowie Pharmakonzerne sind Sponsoren der WHO. Das gefährde die Neutralität der WHO, so Kritiker.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Weltgesundheitsorganisation
- Nachrichtenagentur dpa
- Handelsblatt
- Eigene Recherche